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Die Frage, die an der Jahresveranstaltung des Graduate Campus debattierte wurde, ist aktuell: Erst vor wenigen Tagen präsentierte der Bundesrat Sondermassnahmen, mit denen er die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses verbessern möchte. Neben der klaren Forderung nach mehr Assistenzprofessuren mit Tenure Track möchte der Bundesrat auch mehr permanente Stellen unterhalb der Professorenstufe schaffen.
Für mehr unbefristete Stellen votierte zu Beginn auch ETH-Professor Gerd Folkers, Mitglied des Schweizerischen Wissenschafts- und Innovationsrats SWIR. Gerade jene Mitglieder des Mittelbaus, die nicht unbedingt auf eine Professur aspirierten, brauchten Sicherheit – also eine feste Stelle. Ein gutes Forschungsumfeld müsse auch Umwege ermöglichen, sagte Folkers – und nicht nur das kompetitive Gerangel um Hot Spots fördern: «Wer Umwege macht, lernt seine Umgebung besser kennen.»
Antonio Loprieno, Rektor der Universität Basel, stellte Contra-Argumente vor. Das Wissen gedeihe sehr gut in einem unsicheren Zwischenraum der Selektion, sagte Loprieno. Nachwuchs und Mittelbau seien gerade deshalb so dynamisch und produktiv, weil die Verstetigung der Mittelbau-Karrieren in der Schweiz nicht vorgesehen sei. Ohne die individuelle Durchlässigkeit hätten wir DDR-Verhältnisse, sagte Loprieno: «Das gleiche Geld, das eine Professur kostet, ist viel sinnvoller eingesetzt in vielen befristeten Positionen, die den Pool an klugen Köpfen vergrössern.»
Chandra Ramakrishnan und Julian Führer verliehen dem universitären Mittelbau am Podium eine Stimme. Beide forderten grundsätzlich mehr unbefristete Stellen, um stabile Verhältnisse zu schaffen für kontinuierliche Forschung und unabhängige Lehre. «Nicht jeder muss eine feste Stelle haben, aber es sollte mehr Stellen geben, in denen man nicht ständig Anträge schreiben muss», sagte Führer.
Für mehr Sicherheit und Kontinuität sprach sich auch Ulrike Müller-Böker, Geografieprofessorin an der UZH, aus. Sie forderte mehr Differenzierung. Die Verältnisse seien an jeder Abteilung sehr unterschiedlich. Müller-Böker brachte die im Ausland bekannte Position des «Senior Researchers» ins Spiel, die vielen guten Leuten, die im Mittelbau herausragende Arbeit leisteten, interessante Perspektiven biete. Chandra Ramakrishnan erwähnte das französische Modell des «Maître de Conférence». Dieses Modell ermögliche es, Hand in Hand zu forschen und zu lehren.
Das gleiche gelte auch für die «Lecturer» in England, sagte Julian Führer. Man sei zwar für die Lehre zuständig, aber nicht in einer Sackgasse, was die Forschung angehe: «Es geht darum, ein Gefäss zu schaffen für die sehr guten Leute, die heute nicht das Gefühl haben, an der richtigen Stelle zu sein.»
Der Molekularbiologe Ernst Hafen forderte mehr klar definierte Stellenprofile, neue Tracks sowohl in der Forschung wie in der Lehre. In der Vergangenheit habe man zu viele administrative Stellen geschaffen, sagte Hafen. Im Kerngeschäft der Forschung und Lehre müsse die Universität nun neue Profile andenken: «Da haben wir eine grosse Aufgabe.»
Loprieno sagte, der richtige Zeitpunkt der Selektion sei schwierig zu bestimmen: Erfolge die Selektion zu früh, habe man nicht genügend Nachwuchsleute. Erfolge die Selektion zu spät, seien zu viele Leute im Mittelbau unglücklich. Dem widersprach Müller-Böker. Nicht jeder strebe eine Professur an, es gebe zum Glück sehr viele andere spannende Wege an der Universität.
Aus dem Publikum meldete sich zum Schluss ein weiterer Repräsentant aus dem Mittelbau zu Wort. Er halte sich «seit rund vier Jahren mit Drittmitteln über Wasser», sagte der junge Wissenschaftler. Dabei käme er sich manchmal vor wie ein Bankangestellter, nur dass er an der Universität wohl weniger langfristige Perspektiven habe.
Eine Frau aus dem Saal forderte mehr Offenheit. Die Universität sollte sich dem Wissenstransfer und auch der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft nicht verschliessen. Dieser Austausch sei befruchtend, stimmte Ernst Hafen dem Votum bei. Es brauche mehr offene Wege, um die Universität verlassen zu können, sagte Hafen. Aber auch neue Möglichkeiten, um von der Privatwirtschaft wieder zurückzukommen auf einen akademischen Pfad.
Es gelte zu differenzieren, lautete das Fazit von Moderator Otfried Jarren. Unbefristete Stellen seien nicht überall die Lösung. Entscheidend sei die Balance zwischen Leistungsdruck und Freiraum – und die Art, wie eine Universität die Selektion manage. Ein Kulturwandel sei nötig, der mehr Durchlässigkeit schaffe, damit die Universität offen bleibe für Impulse von aussen.