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Übung macht den Meister. Bei der Rehabilitation von zerebral beeinträchtigen Kindern gilt dieser Satz ganz besonders. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass intensives Trainieren nach einem Schlaganfall oder bei Querschnittlähmung viel bewirken kann. «Zwar ist es nicht so, dass alle Kinder, die im Rollstuhl hier in Affoltern am Albis eintreten, nach der Therapie zur Türe heraus rennen. Doch mit gezielten Therapien kann die Selbständigkeit der Kinder im Alltag deutlich verbessert werden», weiss der ärztliche Leiter PD Dr. med. Andreas Meyer-Heim zu berichten.
Doch welches Kind wiederholt gerne hundertmal die gleiche Bewegung? Was Erwachsene vielleicht noch rational einsehen – dass das Repetieren zu ihrem Besten ist –, langweilt Kinder und Jugendliche schnell einmal, und sie hängen ab. «Man merkt sofort, ob ein Kind motiviert mitmacht oder nicht. Der Therapieerfolg ist entsprechend», bestätigt Therapie- und Forschungsleiter PD Dr. Hubertus van Hedel.
Um die jungen, gehbehinderten Patienten in der Therapie zu unterstützen, liess das Rehabilitationszentrum in Affoltern am Albis (das zum Universitäts-Kinderspital Zürich gehört) den Lokomat für Kinder und Jugendliche umbauen – der Lokomat ist ein Gangroboter, der Erwachsene nach einem Schlaganfall oder Unfall bei der Gehtherapie unterstützt; er wurde an der Universitäts-Klinik Balgrist entwickelt. 2005 wurde der erste «Kinder-Lokomat» im grossen Therapieraum in Affoltern am Albis aufgestellt. Das war damals eine Weltpremiere. «Die Fachwelt war weltweit interessiert», freut sich Andreas Meyer, «bis heute kommen Ärzte und Therapeuten deswegen zu uns.»
Doch das Reha-Team in Affoltern am Albis ruhte sich nicht auf den Lorbeeren aus. Die tägliche Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen zeigte ihnen, dass die Geh-Therapie auf dem Lokomat zwar effizient wirkte, jedoch die Kinder relativ rasch passiv werden liess. Die klinikinterne «Pediatric Rehab Research Group» der UZH überlegte sich, wie die roboterunterstützte Bewegungstherapie attraktiver und motivierender gestaltet werden könnte. Und hatte erneut eine innovative Idee.
Die Forschergruppe entwickelte zusammen mit der ETHZ im Jahr 2007 ein Game namens PeLoViR (für Pediatric Lokomat Virtual Reality). In diesem Game müssen die Kinder im Lokomat mit ihren Beinbewegungen einen Ball in einem virtuellen Fussballstadion vorwärts kicken und gegen einen Gegner verteidigen. Das Spiel war ein gelungener Start, vermochte die Kinder aber nur für eine beschränkte Zeit zu aktivieren.
Deshalb wurde 2010 gemeinsam mit der ETH, dem Universitäts-Kinderspital Zürich und der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) das Game «Gabarello» (für Game based Rehabilitation for Lokomat) entwickelt. In diesem Spiel können die Kinder die Spielfigur beim Gehen auf dem Lokomat mit den Beinen ansteuern. Schreiten die Kinder kräftig aus, bewirkt das, dass das Männchen – ein kleiner Astronaut namens Gabarello – grösser wird und die begehrten Blumen am Wegrand pflücken kann. Die Motivation, dreissig Minuten lang die gleichen Gehbewegungen auszuführen, stieg dank Gabarello signifikant.
Doch wer Kinder kennt, weiss, dass auch das schönste Game irgendwann fertig gespielt ist. Neue Games mussten entwickelt werden – immer inspiriert von den Erkenntnissen aus den Therapieerfahrungen. «Wir realisierten in den letzten zwei Jahren: Konzentriert auf dem Lokomat gehen ist das eine. Doch normalerweise können wir multitasken, während wir ausschreiten», erklärt Andreas Meyer die Überlegungen der Gang-Spezialisten. «Beim Gehen gestikulieren wir oder spannen zum Beispiel einen Schirm auf.» Solche unabhängigen Arm- und Beinbewegungen sind für die Kinder im Reha-Zentrum hohe Anforderungen, würden ihnen den Alltag jedoch vereinfachen. «Das neue Game soll diese Fähigkeiten fördern.»
Das in den letzten Jahren entwickelte Game heisst «Zauberschloss» und wird mit einem Zauberstab gespielt (siehe Video). Damit dirigieren die Kinder, während sie auf dem Lokomat gehen, einen kleinen Zauberer und vollführen dadurch, ohne es zu merken, voneinander unabhängige Arm- und Beinbewegungen. Die ersten Versuche mit dem «Zauberschloss» sind angelaufen und vielversprechend – denn das Game hat die erwünschte Nebenwirkung: Es ist von Game-Designern der ZHdK so wunderschön gestaltet worden, dass die Kinder vergessen, dass es dabei ums Üben geht.