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Neuer Prorektor Medizin und Naturwissenschaften

Den Erfindergeist anstacheln

Christoph Hock, Co-Direktor der Abteilung für Psychiatrische Forschung an der UZH und der Klinik für Alterspsychiatrie, wird am 1. Februar die Nachfolge von Daniel Wyler als Prorektor Medizin und Naturwissenschaften antreten. Der Alzheimer-Forscher möchte Grundlagenforschung und innovative Medizin näher zusammenführen.
David Werner
Möchte als Prorektor Medizin und Naturwissenschaften dazu beitragen, dass möglichst viele Forschungsideen den Weg aus den Labors der UZH in die Praxis finden: Christoph Hock. (Bild: Adrian Ritter)

Als Chefarzt der Klinik für Alterspsychiatrie ist Christoph Hock seit Jahren mit den Folgen der Alzheimer-Krankheit konfrontiert. Die Krankheit führt zum Nervenzellabbau mit den Folgen des Gedächtnisverlusts und schliesslich zum Tod. Der langwierige Krankheitsprozess ist mit grossem Leiden und erheblichen Belastungen der Betroffenen und der pflegenden Angehörigen verbunden.

Als Wissenschaftler und Co-Direktor der Abteilung für Psychiatrische Forschung an der UZH hat Hock international vielbeachtete Beiträge zur Alzheimer-Forschung geleistet. Alzheimer geht mit Ablagerungen fehlgefalteter Eiweisse, zum Beispiel Beta-Amyloid, im Gehirn einher. In Zusammenarbeit mit der Klinik für Nuklearmedizin des USZ und der Radiopharmazie der ETH hat Hock in Zürich ein Verfahren etabliert, das dazu dient, diese Ablagerungen mithilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) sichtbar zu machen. Demnach ist es nun prinzipiell möglich, die Krankheit in einem Frühstadium zu erkennen – eine zentrale Voraussetzung für die Prävention gegen Altersdemenz sowie deren Behandlung.

Gemeinsam mit Roger Nitsch hat Christoph Hock auch die Grundlagen für einen potenziellen Wirkstoff zur Prävention gegen die Alzheimer-Krankheit entwickelt. Die Idee beruht auf dem Prinzip der passiven Immunisierung. Gesunde ältere Menschen verfügen über Antikörper gegen Beta-Amyloid. Den Forschern ist es gelungen, diese Antikörper zu identifizieren, ihren genetischen Code zu analysieren und vergleichbare Antikörper mittels molekularbiologischer Methoden herzustellen.

Um die Therapieidee zum Medikament weiterzuentwickeln, haben Roger Nitsch und Christoph Hock gemeinsam mit dem Biologen Jan Grimm die Firma Neurimmune in Schlieren gegründet. Seit 2011 wird der Wirkstoff in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Firma Biogen an Alzheimer-Patienten getestet und klinisch weiterentwickelt.

Vom Labor in die Praxis

Statt wie bisher als Forscher selbst Erfindungen zu machen, wird Hock sich zukünftig  darum kümmern, dass andere ihren Erfindergeist zur Entfaltung bringen können. Er freut sich darauf, im derzeitigen Leitungsteam der UZH mitzuwirken, dessen «Spirit» er als frisch und optimistisch beschreibt. «Dieses Team glaubt daran, etwas bewegen zu können. Das gefällt mir.»

Als Prorektor Medizin und Naturwissenschaften möchte er dazu beitragen, dass möglichst viele Forschungsideen den Weg aus den Labors der UZH in die Praxis finden. Innovationsprozesse zu unterstützen, betrachtet er als eine seiner vorrangigen Aufgaben.

Der Wissens- und Technologietransfer an der UZH hat in den vergangenen Jahren bereits stark zugenommen. Durchschnittlich alle zehn Tage wickelte die Technologietransfer-Organisation Unitectra 2013 für die UZH einen neuen Lizenzvertrag ab, und im Schnitt alle zwei Monate gründen UZH-Forschende eine Spin-off-Firma. Damit liegt die UZH vor allen anderen Schweizer Universitäten. Ihr innovatives Potenzial, sagt der Mediziner, sei damit aber noch nicht erschöpft: «Da ist noch Luft nach oben.»

Vom Krankenpfleger zum Klinikleiter

Christoph Hocks Laufbahn als Mediziner begann in einem Münchner Spital im Jahr 1980. Er hatte den Wehrdienst verweigert und absolvierte sein Zivildienstjahr als Krankenpfleger. Die Arbeit machte ihm Spass, die Spitalwelt faszinierte ihn – er wollte ein Teil davon werden. Und so begann er nach seinem Wehrdienstersatzjahr ein Medizinstudium an der LMU München. Es folgten Forschungstätigkeit am Max-Planck-Institut in Martinsried und Jahre als Assistenzarzt an der psychiatrischen und neurologischen Klinik der Universität München sowie als Oberarzt und Forschungsgruppenleiter an der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel.

2001 wurde Hock als Professor für Biologische Psychiatrie an die Universität Zürich berufen. «Was die Stelle für mich so attraktiv machte», sagt er, «war die Möglichkeit, neben der Klinikleitung etwa die Hälfte meiner Arbeitszeit der Forschung zu widmen und in enger und kollegialer Zusammenarbeit mit dem renommierten experimentellen Mediziner Roger Nitsch Grundlagenforschung und klinische Forschung in einem Institut zu integrieren.» Für einen Kliniker seien das traumhafte Bedingungen.

Ein starkes Umfeld

Christoph Hock lebte sich schnell in Zürich ein. Vor einiger Zeit hat er das Schweizer Bürgerrecht angenommen. Seine beiden Töchter und sein Sohn sind in der Schweiz geboren.

Was dem Münchner an Zürich von Anfang an gefiel, war die Offenheit, die Internationalität und die Dynamik der Stadt. Beeindruckend sei zudem die enorme Dichte an erstklassigen wissenschaftlichen Einrichtungen, Kliniken und wissenschaftsnahen Firmen. «Für Innovationen ist das ein idealer Nährboden», sagt er. In den Life-Sciences und der Medizinaltechnologie zum Beispiel sei der Grossraum Zürich zusammen mit der Region Basel global in einer starken Position. Aus dem Standortpotenzial könne die Universität Zürich aber noch mehr machen, findet Hock, und zwar durch intensivere Kooperation mit den universitären Spitälern, der ETH, den Fachhochschulen, der forschenden Pharma-, Medtech- und Biotechindustrie sowie anderen Playern im Healthcare-Segement. Als Prorektor will Hock solche Kooperationen pflegen und ausbauen. Vorbilder sind für ihn Wissenschafts- und Technologiestandorte wie Boston/Cambridge (US), Oxford (UK) oder Stockholm. Beindruckend findet er auch die Anstrengungen in der Genfersee-Region zur Clusterbildung im Life-Science- und Biotechbereich. «Diese Cluster könnten eine nachhaltige Entwicklung des Healthcare- und Life-Science-Segements in der Schweiz bewirken», sagt er.

Mit besonders hoher Priorität will sich der künftige Prorektor Medizin und Naturwissenschaften um die Schnittstellen zwischen Universität und universitären Kliniken bemühen. In vielen Bereichen funktioniere das Zusammenspiel sehr gut – beispielsweise bei der Entwicklung von Ersatzhaut aus dem Labor zur Therapie von Verbrennungen oder bei der stammzellenbasierten Herstellung von Herzklappen. «Wenn wir in der Forschung aber langfristig an grossen, komplexen Zukunftsthemen wie etwa Alterskrankheiten, Krebs, Infektionskrankheiten oder Gentherapie mithalten wollen, müssen Universität, ETH Zürich und universitäre Kliniken auf viel breiterer Basis zusammenspannen als bisher», sagt Hock. In die richtige Richtung weise diesbezüglich die vor drei Jahren gegründete Organisation «Hochschulmedizin Zürich». Sie koordiniert die Zusammenarbeit von UZH, ETH Zürich und den universitären Spitälern in biomedizinischen und medizinaltechnischen Bereichen.

Laufbahnperspektiven für forschende Kliniker

Um den Erfindergeist der Forschenden anzustacheln, reichen gute Netzwerke allein aber nicht aus. Da braucht es mehr. Zum Beispiel attraktive Laufbahnperspektiven für den Nachwuchs. Speziell in der Medizin sei diesbezüglich die Entwicklung in den vergangenen Jahren nicht in jeder Hinsicht befriedigend verlaufen, kritisiert Hock. Die Facharztausbildung sei heute so stark reglementiert, dass nur noch wenig Spielraum für die Forschung übrig bleibe. Und der Druck an den Spitälern, die Kosten niedrig zu halten, enge den Spielraum für die Forschung noch zusätzlich ein.

Für junge Mediziner sei es schwieriger geworden, Forschung und Klinik zu vereinbaren. «Kliniker, die auch forschen, werden entsprechend seltener – dabei sind gerade sie in Forschung und Innovation besonders gefragt, da sie eine unverzichtbare Scharnierfunktion zwischen Akademie und Klinik ausüben können.»

Was also ist zu tun, damit der Typus des forschenden Klinikers nicht verschwindet? Hock zählt auf: Protected Time, Rotationsstellen, Stipendien – das alles könne helfen. Und nicht zu vergessen: Die angehenden Medizinerinnen und Mediziner sollten schon möglichst früh mit Forschung in Berührung kommen. Denn wer schon als Student oder Studentin Feuer fängt, bleibt später eher bei der Forschung.

Genau so war es jedenfalls bei Christoph Hock: Dank eines Stipendiums der Studienstiftung des deutschen Volkes konnte er als Student an Tutoratsgruppen teilnehmen, in denen er nähere Bekanntschaft mit Persönlichkeiten schloss, die auf für ihn eindrückliche Weise das Berufsmodell des forschenden Klinikers vorlebten. Ermutigt durch diese Erfahrung, stürzte er sich wenige Jahre später neben seiner Facharztausbildung in ein aufwendiges Dissertationsprojekt zum Thema Neurodegeneration, mit dem er nicht nur seine spätere Forschungslaufbahn vorspurte, sondern in dessen Rahmen er auch den Reiz der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftlern entdeckte.

Verschiedene Fachkulturen unter einem Dach

Interdisziplinarität – das ist ein wichtiges Stichwort für Christoph Hock. «Wer heute innovativ sein will, kommt um fachübergreifende Zusammenarbeit kaum mehr herum», sagt er.

Die Abteilung für Psychiatrische Forschung der UZH, die Hock zusammen mit Roger Nitsch aufgebaut und bis jetzt geleitet hat, versammelte von Anfang an Forschende verschiedener Fächer unter einem Dach. Klinische Mediziner arbeiten hier Seite an Seite mit Biochemikern und Molekularbiologen zusammen. Und doch liegen manchmal Welten zwischen den verschiedenen Fachkulturen. «Ich als Mediziner denke bei meiner Forschung immer an den möglichen Nutzen, den sie dem Patienten bringt – die Kolleginnen und Kollegen aus den Grundlagenforschung ticken da anders, sie suchen viel stärker nach Erkenntnis um ihrer selbst willen.» Das seien aber «keine sich ausschliessenden Gegensätze, sondern zwei gleichermassen berechtigte und sich ergänzende Perspektiven, die beide ihren Platz an der Universität haben sollten», findet der künftige Prorektor. Es komme immer darauf an, dass man die Balance halte zwischen meist bottom-up betriebener Grundlagenforschung und der Förderung von themen- und anwendungsorientierten Grossprojekten.

Die Vielfalt in der Grundlagenforschung sei eines der hervorstechenden Merkmale der UZH und eine Stärke, die es aktiv zu pflegen gelte – gerade auch dann, wenn man zugleich auf Anwendung zielende Verbundprojekte zu grossen Gesundheitsthemen unserer Zeit vorantreiben wolle. «Denn die angewandte Forschung baut auf der Grundlagenforschung auf», sagt Hock. «Von ihr bezieht sie, was sie braucht: das Know-how, die Ideen, die Tools, das Wissen.»

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