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Islamkritik verorten

Verschiedene Gruppierungen beklagen eine «Islamisierung» der westlichen Welt. Der Religionswissenschaftler Oliver Wäckerlig untersucht in seiner Dissertation, wie sich die Bewegung der Islamkritiker international vernetzt.
Adrian Ritter
Feindbild Islam: Eine internationale Bewegung kämpft gegen die «Islamisierung».

Der griechische Buchstabe «Lambda» soll um rund 400 v.Chr. die Schilde der Spartaner im Kampf gegen die Perser geziert haben. In den Augen der Spartaner waren die Perser Barbaren. Die Hollywood-Darstellung des spartanisch-persischen Krieges – unter dem Titel «300» im Jahre 2007 in den Kinos – rückte das Lambda-Symbol prominent ins Bild: als Symbol für einen heldenhaften Kulturkampf.

Die sogenannte «Identitäre Bewegung» wurde durch den Film auf das Symbol aufmerksam – und machte es zu ihrem Markenzeichen. Die «Identitären» sehen sich in einem ähnlichen Kulturkampf wie einst die Spartaner. Sie sind Teil einer international vernetzten Bewegung gegen den Islam.

Die «Identitären» lancieren in Frankreich, Deutschland und Österreich regelmässig provokative Aktionen gegen Moscheen und muslimische Einwanderung. So verteilten Aktivisten in Frankreich etwa «Identitätssuppen». Die Mahlzeit, einer Gassenküche vergleichbar, enthielt Speck, um Muslime davon auszuschliessen. Unterstützt wird nur, wer «Kultur und Tradition» teilt. In Deutschland veranstalteten Aktivisten «Flashmobs» an einer interkulturellen Veranstaltung und vor einer Moschee.

Gegen die «Islamisierung»

In seiner Dissertation will UZH-Religionswissenschaftler Oliver Wäckerlig bis 2015 die Akteure und Deutungsmuster der internationalen, islamfeindlichen Bewegung verorten und ihre Dynamik beschreiben.

In seiner Masterarbeit hatte er die Kontroverse um den Minarettbau in Wangen (SO) im Jahre 2006 untersucht. Er stellte damals eine beginnende internationale Vernetzung islamkritischer Kreise fest. Unterstützt vom Forschungskredit der UZH untersucht er in seiner Dissertation diese Vernetzung jetzt genauer.

Die Kooperation findet vor allem im Internet statt, stellt Wäckerlig fest: «Islamkritische und islamfeindliche Websites verzeichnen seit einigen Jahren wachsende Besucherzahlen.» Im Internet besteht inzwischen ein Netzwerk von gegenseitig verlinkten Websites und Blogs, die «Expertenwissen» und Meinungen über den Islam anbieten. Mehrsprachige Seiten fungieren als Scharniere über Sprachgrenzen hinweg. Facebook erlaubt einen schnellen Informationsaustausch und bietet die Möglichkeit rascher Mobilisierung für Veranstaltungen.

Westliche Allianz

Klar zu erkennen ist gemäss Wäckerlig, dass sich insbesondere Gruppierungen und Einzelpersonen in Grossbritannien, den USA und im westlichen Kontinentaleuropa verbinden. Wäckerlig untersucht in seiner Arbeit, wie sich die Gruppierungen im deutschsprachigen Raum – in Deutschland, Österreich und der Schweiz – über das Internet, die Medien und Veranstaltungen vernetzen. Ihn interessiert: Wie lassen sich deren Mitglieder sozial verorten? Über welche Kommunikationskanäle, Ressourcen und Organisationsstrukturen verfügt die Bewegung? Schliesslich fragt er nach den Knotenpunkten und Schlüsselpersonen der Bewegung.

In der Mitte der Gesellschaft

«Im Internet findet eine eigentliche Selbstradikalisierung statt. Islamkritische Websites erweisen sich als identitätsstiftend, indem sie die Berichterstattung in den Massenmedien als islamfreundlich kritisieren und nur die eigenen Informationen als gültig darstellen», sagt Wäckerlig zu den bisherigen Erkenntnissen.

Die Akteure der Bewegung präsentieren sich in der Mitte der Gesellschaft als die «Guten». Sie seien keine Rassisten, sondern befänden sich in einem legitimen Kampf gegen die «Islamisierung» und für die Erhaltung der eigenen Kultur.

Der «Kulturkampf» tobt dabei an verschiedenen Fronten. Da wird gemäss Selbstdarstellungen etwa der «zivilisierte Westen» gegen die «Barbarei» oder das «christliche Abendland» gegen Säkularisierung, «schleichende Multikulturalisierung» und ein «Europa der Völker» verteidigt.

Unterschiedliche Strömungen

Verschiedene Strömungen – von christlich-konservativ bis neonazistisch – grenzen sich in ihren Zielen und ihrer Ideologie zum Teil deutlich voneinander ab. «Zur Charakterisierung der Gesamtbewegung eignet sich der Begriff der Islamophobie nicht», so Wäckerlig. Nur ein Teil der Bewegung könne als «islamophob» bezeichnet werden, indem dem Islam die schleichende «Eroberung» Europas unterstellt und der Islam als gesellschaftliches Hauptproblem definiert werde.

Gemeinsamer Nenner der Bewegung ist gemäss Wäckerlig, dass sie eine «Islamisierung» der westlichen Welt behauptet und diese bekämpfen will. Die Frage, ob von einer solchen «Islamisierung» tatsächlich gesprochen werden kann, ist nicht Gegenstand der Arbeit von Wäckerlig. Ihn interessiert, wie die einzelnen Gruppierungen der Bewegung den Begriff der Islamisierung deuten und verwenden. Gleichzeitig untersucht er, mit welchen Strategien die Bewegung ihre Problemdefinition in die Massenmedien und damit in die Mitte der Gesellschaft zu tragen versucht.

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