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Iran

Ungeschönte Bilder

Der Dokumentarfilm «The Green Wave» handelt von der brutalen Niederschlagung der Oppositionsbewegung nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009. Wie es ihm gelang, einen authentischen Eindruck von den Protesten zu vermitteln, erklärte Regisseur Ali Samadi Ahadi nach der Vorführung des Films an der UZH. Ausserdem erklärte er, wie er die gegenwärtige Lage in Iran einschätzt. 
Roman Benz
Glaubt an einen Wandel im Iran: Filmregisseur Ali Samadi Ahadi im Gespräch mit Katajun Amirpur, ehemals Assistenzprofessorin für Islamwissenschaft am UFSP Asien und Europa und heute Professorin für Islamische Studien/Islamische Theologie an der Universität Hamburg.

Zunächst schien der Ausgang der iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 klar zu sein: Der gemässigte Kandidat Mir Hussein Mussawi konnte eine grosse Anhängerschaft hinter sich scharen, die mit ihrem Kennzeichen, der Farbe Grün, das Strassenbild Teherans und anderer iranischer Grossstädte bestimmte.

Als das offizielle Ergebnis der Wahlen den bisherigen Präsidenten, Mahmud Ahmadinejad, im Amt bestätigte, warf Mussawi der Regierung Wahlfälschung vor. Es folgten monatelange Massenproteste seiner Anhängerschaft, wogegen die Sicherheitskräfte mit grosser Gewalt vorgingen. Oppositionelle wurden inhaftiert und gefoltert – manche verschwanden für immer.

Gefährliche Situationen

Wie lässt sich der Protest einer Oppositionsbewegung in einem Dokumentarfilm darstellen, wenn die repressiv auftretenden staatlichen Sicherheitskräfte sogar das Filmen mit Handykameras zu einem risikoreichen Unterfangen machen? Es sei unmöglich gewesen, unter diesen Bedingungen in Iran zu drehen, erklärte der iranisch-deutsche Regisseur Ali Samadi Ahadi im Anschluss an die Vorführung seines Films «The Green Wave» an der UZH.

Er habe sich daher zu einer Montage von Materialien entschieden, die im Internet verfügbar waren: Zum einen Handyfilme, die unter grossen Gefahren auf den Strassen gedreht wurden, zum anderen anonyme Blog-Einträge, die ein ungeschöntes Bild der Zustände zeichneten: «Blogs konnten nicht zensiert werden und gaben mir die persönliche Sicht der Leute auf die Ereignisse, ohne sie in Gefahr zu bringen.»

Zerstörte Hoffnungen

Zusammen mit seinem Team sichtete Ali Samadi Ahadi mehrere Tausend Seiten Blog-Einträge und verarbeitete sie zu zwei fiktionalen persönlichen Schicksalen.

Anhand einer jungen Aktivistin und eines jungen Aktivisten wird von den anfänglichen Hoffnungen auf einen politischen Wandel erzählt, die durch die heftige Gegenwehr des herrschenden Regimes jäh zerstört werden. Dem Filmemacher war klar, dass er Bilder für diese Geschichten finden musste, und wählte das «Motion Comic»-Verfahren, bei dem gezeichnete Bilder mit vertretbarem Aufwand animiert werden können. Als weiteres Element fügte er Interviews mit iranischen Oppositionellen im Exil, beispielsweise mit der Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi, in seinen Dokumentarfilm ein.

Rohani in der Rolle des Beschwichtigers

Heute stellt sich die politische Lage in Iran ganz anders dar als im Jahr 2009. Der Hardliner Ahmadinejad ist in diesem Sommer vom gemässigten Geistlichen Hassan Rohani im Präsidentenamt abgelöst worden, der den Dialog mit westlichen Politikern, unter anderem mit US-Präsident Obama sucht.

Wie beurteilt Ali Samadi Ahadi den neuen politischen Kurs in Iran? In seinen Augen handelt es sich bei Rohani um einen Mann des gegenwärtigen Regimes, der nicht für einen grundlegenden politischen Wandel steht. Ein gemässigterer Präsident soll die Bevölkerung beschwichtigen, denn seitdem das Ölembargo der USA und der EU gegenüber dem Iran weiter verschärft worden ist, nimmt die Abhängigkeit der Machthaber von der Bevölkerung zu: «Wenn die Miliz, die Revolutionsgarden und das Sicherheitssystem nicht mehr versorgt werden können, befindet sich das Regime schnell in einer misslichen Lage, die gelöst werden muss.»

Der Filmemacher sieht in Rohani ebendiese Lösung, aber er ist dennoch zuversichtlich, denn damals habe ja auch der sowjetische Generalsekretär Gorbatschow keinen Regimewandel gewollt.

Menschenrechte ernst nehmen

Auf die Frage, wie die iranische Opposition von aussen unterstützt werden könnte, meint Ali Samadi Ahadi, dass die westlichen Länder die Menschenrechte endlich ernst nehmen müssten. Solange geschäftliche Interessen höher bewertet würden als das Schicksal der Bevölkerung in Ländern wie Saudi Arabien, China oder Ägypten unter Präsident Mubarak, sei der Westen keine grosse Hilfe. Dabei wäre eine starke iranische Zivilgesellschaft auch deshalb im Interesse westlicher Staaten, weil sie das gefürchtete iranische Atomprogramm einer demokratischen Kontrolle unterwerfen könnte.

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