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Mikrobiologie

Mit langem Atem gegen Tuberkulose

Der Mikrobiologe Peter Sander hat einen Bakterienstamm entwickelt, der eine verstärkte Immunantwort gegen Tuberkulose-Erreger erzeugt. Das nährt die Hoffnung auf einen verbesserten Impfstoff gegen die Krankheit. Im März wurde nun, im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit, eine wichtige Testreihe mit dem veränderten Impfstamm in Angriff genommen.
Theo von Däniken
An der Entwicklung eines neuen Impfstoffes gegen Tuberkulose beteiligt: Mikrobiologe Peter Sander.

Es ist einer der am meisten verabreichten Impfstoffe überhaupt: Rund vier Milliarden Dosen des Impfstoffes Mycobacterium bovis BCG (M. bovis BCG) wurden seit 1921 gegen Tuberkulose gespritzt. Dennoch ist seine Wirksamkeit alles andere als zuverlässig. Eine Auswertung von mehreren Studien hat ergeben, dass die Schutzwirkung zwischen 0 und 85 % variieren kann. Ein besserer und zuverlässiger Impfstoff fehlt jedoch noch immer.

Dabei ist die Tuberkulose, vor allem in den Risikoländern, etwa im südlichen Afrika, weit verbreitet und nach wie vor höchst gefährlich. Rund zwei Milliarden Menschen weltweit sind mit dem Erreger, Mycobacterium tuberculosis, infiziert, neun Millionen Neu-Infektionen werden jedes Jahr gezählt. Jährlich sterben 1,4 Millionen Menschen an der Krankheit. Eine Therapie mit Antibiotika ist zwar möglich, doch diese ist langwierig und oft teuer. Nicht zuletzt, weil sich immer mehr Tuberkulose-Keime verbreiten, die gegen eines oder mehrere der gängigen Antibiotika resistent sind.

Eine zuverlässige Impfung wäre hier eine sinnvolle Alternative, wie Peter Sander, Professor am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich, ausführt. Damit könnte der Ausbruch der Krankheit von vornherein verhindert werden. Gegen die kindliche Form der Tuberkulose bietet die herkömmliche Impfung mit M. bovis BCG einen gewissen Schutz. Doch versagt dieser häufig bei der am weitesten verbreiteten Tuberkulose-Art, der Lungentuberkulose bei Erwachsenen.

Schutzmechanismus geknackt

Gelangen Mykobakterien in den menschlichen Organismus, werden sie von Abwehrzellen, den Makrophagen, aufgenommen und dort von einem Fresskörperchen, dem Phagosom umhüllt. In der normalen Immunabwehr  werden Eindringlinge vom Fresskörperchen mit Hilfe so genannter Lysosomen abgebaut.

Mykobakterien können die Verbindung der Phagosomen mit den Lysosomen unterbinden und so verhindern, dass sie abgebaut werden. Wie Sander durch seine Forschung, die von der UZH, dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der EU gefördert wird, herausgefunden hat, ist das Enzym Zmp1 wesentlich für diese Fähigkeit der Mykobakterien verantwortlich.

Peter Sander und sein Team haben nun eine Variante des ursprünglichen Impfstoffes,  den Stamm M. bovis BCG zmp1, erzeugt, in welchem das Zmp1-Enzym deaktiviert ist. Dadurch ist der Schutzmechanismus des Mykobakteriums aufgehoben und das Immunsystem kann besser auf die Infektion reagieren.

Vielversprechende Resultate

Der neue Impfstamm lieferte in ersten Versuchen vielversprechende Resultate. Gegenüber dem herkömmlichen Impfstoff löste der veränderte Impfstamm bei Mäusen eine stärkere Antwort des Immunsystems aus. Bei Meerschweinchen, die besonders anfällig gegen Tuberkulose sind, zeigte er gar einen verbesserten Schutz. Im Vergleich fanden sich nach einer Impfung mit M. bovis BCG zmp1 75% weniger Tuberkulose-Bakterien in der Lunge als bei einer herkömmlichen Impfung.

Insgesamt wurden im Rahmen des europäischen Forschungskonsortiums NEWTBVAC in den Jahren 2009 - 2012 31 verschiedene Impfstoffe getestet. M. bovis BCG zmp1 war dabei der einzige Impfstoff, der eine erhöhte Schutzwirkung  bei Meerschweinchen zeigte.

Deshalb laufen seit März weitere Studien mit Primaten. Diese sollen bis in einem Jahr weitere Hinweise über die Wirksamkeit des neuen Impfstammes liefern. «Wenn wir auch eine erhöhte Wirksamkeit in den Primaten finden, sehen wir dies als Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagt Sander.

«Ambitioniertes Ziel»

Sollte der Impfstoff die Erwartungen erfüllen, so könnte er ein wichtiger Beitrag sein, das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO zu erreichen. Diese will nämlich bis 2050 die Tuberkulose ausrotten. «Das ist ein ambitioniertes Ziel», meint Sander. Um es zu erreichen, müssen neben verbesserten Impfstoffen auch die Diagnose und Therapie verbessert werden. Denn bei einem Ausbruch der Krankheit ist eine rasche Diagnose und ein rascher Beginn der Therapie von grosser Bedeutung, um eine weitere Verbreitung zu vermeiden. Da die Tuberkulose über die Luft übertragen werden kann, ist sie besonders ansteckend.

Entscheidend für einen Therapie-Erfolg der Tuberkulose ist auch die Disziplin der betroffenen Patienten. «Nach rund zwei Wochen Therapie fühlt der Patient  sich bereits besser», so Sander. Dennoch ist es wichtig, dass die Therapie danach ohne Unterbrechung über sechs Monate weitergezogen wird, um möglichst alle Keime im Körper abzutöten. Unterbricht man die Therapie, kann sich der Erreger im Körper wieder verbreiten und im schlimmsten Fall eine Resistenz gegen das Medikament entwickeln.

Zeitaufwändige Entwicklung

Bei einer Impfung entfallen diese Risikofaktoren. Wenn die nun laufenden Studien mit dem neuen Impfstamm die guten Resultate bestätigen, kann die eigentliche Entwicklung des Impfstoffes in Angriff genommen werden. Die Zürcher Wissenschaftler können dabei von der Erfahrungen ihrer Kollegen Carlos Martin (Spanien) und Stefan Kaufmann (Deutschland) profitieren, deren Impfkandidaten zur Zeit klinische Tests durchlaufen.

Zunächst muss aus dem neuen Impfkandidaten ein gebrauchstaugliches Produkt entwickelt werden. Hierin werden sie von der amerikanischen Stiftung Aeras und der europäischen Tuberkulose-Vakzin-Initative (TBVI) unterstützt. Dies dürfte, so schätzt Sander, zwei bis vier Jahre in Anspruch nehmen. Danach können erste klinische Tests durchgeführt werden.

Ein Impfstoff für den klinischen Einsatz könnte  in rund zehn Jahren vorliegen. Ob der neue Impfstoff  im Menschen letztlich wirklich besser ist als das herkömmliche M. bovis BCG, wird sich erst in der letzten Phase der klinischen Studien erweisen. Bis dahin benötigen Peter Sander und seine Forscherkollegen noch einen langen Atem.