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Immer, wenn der kurze sibirische Sommer beginnt, wird es Zeit für Gabriela Schaepman-Strub sich auf den Weg in den Osten aufzumachen. So auch in diesem Jahr. Anfang der Woche flog sie zusammen mit zwei Doktorandinnen ins sibirische Tiefland. Dort erforscht die Umweltwissenschaftlerin seit Jahren die Auswirkungen des globalen Wandels auf die Permafrostböden und die Vegetation der sibirischen Tundra. Im Gegensatz zum klimatisch vergleichbaren Alaska ist die russische Tundra bis heute wenig erforscht. Das Forschungsgebiet liegt in der Republik Sacha, auch Jakutien genannt, ein riesiges Gebiet – etwa so gross wie die Fläche der Europäischen Union ohne die britischen Inseln, Schweden und Finnland.
Der globale Wandel wirkt sich auch hier im fernen Nordosten Russlands aus. Der Permafrost taut, was wiederum Auswirkungen auf das globale Klima hat, denn wenn das Eis schmilzt, werden Unmengen des Treibhausgases Methan freigesetzt. Gleichzeitig gibt die Erde aber auch in ihr liegende Bodenschätze frei.
Aufgrund dieser Tatsachen ist die russische Regierung an der Forschung Schaepman-Strubs interessiert. Die Forscherin bekommt in diesem Jahr Besuch des russischen Sicherheitsdienstes. «Sie wollen sehen, mit welchen Geräten wir arbeiten und was wir genau messen», sagt die Forscherin, die neu in einem Blog über ihre Erfahrungen berichtet.
In leichten Motorbooten werden sie in diesem Sommer von der Forschungsstation aus Richtung Nordosten unterwegs sein. Ziel ist das 120 Seelen-Dorf «Russkoye Ustye», das einsam in der sibirischen Tundra liegt. Das ist eine Reise ohne besondere Vorkommnisse könnte man meinen. Keine grösseren Tiere kreuzen den Weg, Zwergbirken und kleines Gebüsch erstrecken sich kilometerweit. Schaut man jedoch genauer hin, gibt es viele seltene Vögel zu entdecken, manchmal taucht sogar ein Moschusochse auf und auch die Vegetation zeigt sich variantenreich. Menschliche Besiedlungen gibt es hingegen kaum.
Gabriela Schaepman-Strub wird mit zusammen mit ihren Doktorandinnen unterwegs Energieflüsse und andere biochemische und strukturelle Eigenschaften von Pflanzen messen. Der Zusammenhang von Atmosphäre, Vegetation, Permafrost und der Artendiversität der Pflanzen sind ihr wichtigstes Thema. Es interessiert sie jedoch auch, wie die Menschen im Dorf leben und inwieweit sie vom Klimawandel in ihrer Lebensweise und Kultur beeinflusst werden.
Zusammen mit einer russischen Botanikerin sammelt sie Pflanzen und beobachtet wie weit der Permafrost zurückgeht – immer in Begleitung von lästigen Mückenschwärmen, die sich von «Anti-Brumm» kaum abschrecken lassen.
In ihrem Blog werden die Forschenden detailliert beschreiben, was Feldarbeit bedeutet: Geduld, Glück und methodisches Arbeiten.
Das Tundra-Projekt von Gabriela Schaepman-Strub ist ein Teilprojekt des neuen Universitären Forschungsschwerpunktes «Globaler Wandel und Biodiversität». Forschende der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät ziehen hier mit Sozialwissenschaftlern und Ethikern der Philosophischen Fakultät der UZH an einem Strang.
Die jeweiligen Forschungsgebiete richten den Fokus mal auf grosse – von der Schweiz weit entfernte Gebiete, wie die Tundra, das Tibetische Plateau oder Borneo – oder naheliegende Ökosysteme wie den Zürichsee oder den Hügelzug Lägern. Die Expertisen aus diesen verschiedenen Regionen der Welt fliessen zusammen und sollen einen Blick auf die Wechselwirkung von Biodiversität und globalem Wandel ermöglichen.
Konkret wollen die Forscher wissen, ob und wie sich Veränderung in kleinen und in weiträumigen Bereichen auf den globalen Wandel auswirken. Der Blick mal mit kleinem und mal mit grossem Zoom soll aufzeigen, welche Prozesse in welcher Massstabsebene den globalen Wandel beeinflussen. So kann es zum Beispiel sein, dass Veränderungen regional auftreten, die global nie eine Rolle spielen werden. Es kann aber auch sein, dass kleine Dinge sozusagen die Welt verändern können.
Gabriela Schaepman-Strub wird für ein weiteres Projekt des UFSP Pflanzen in der Tundra sammeln und trocknen. Der Pflanzengenetiker Kentaro Shimizu, der ebenfalls mit einem Projekt an dem UFSP beteiligt ist, wird diese Pflanzen in Zürich auf ihre genetische Diversität hin untersuchen. Er will wissen, wie schnell Pflanzen auf veränderte Umwelteinflüsse reagieren können.
Die Pflanzen in der Tundra scheinen Meister der Anpassung zu sein. Das zeigt sich zum Beispiel in regenreichen Sommern. Normalerweise an Trockenheit gewöhnt, können sich einzelne Pflanzenarten schnell an Nässe anpassen. Sie zeigen damit eine hohe genetische Diversität und Plastizität.
Bis jetzt gibt es keine Artenliste der Pflanzen der Tundra. Deshalb wird Gabriela Schaepman-Strub mit ihren Doktorierenden und einer Botanikerin die Arten kartieren. Damit ist eine Basis für Vergleiche mit kommenden Jahren geschaffen.