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Philippe Jetzer freut sich ungemein: Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) hat vergangene Woche zwei Forschungsprojekte ausgewählt, die zu neuen «Missionen» werden sollen. Ungefähr alle sechs Jahre gleist die Weltraumorganisation mit Sitz in Paris derartige «L-Class Missionen» auf. Das «L» steht für Large und entspricht einem Budget von rund 1 Milliarde Euro.
Jetzt soll das Projekt «Gravitational Universe» zur dritten L-Class-Mission werden und grundlegende Fragen zur Entwicklung des Universums beantworten: Hatte Albert Einstein recht, als er bereits 1916 die Existenz von Gravitationswellen voraussagte? Wird es möglich sein, Gravitationswellen von früheren Schwarzen Löchern und vielleicht sogar vom Urknall zu hören? Wird die Beobachtung von Gravitationswellen sogar Aufschluss geben über die immer noch rätselhafte «Dunkle Energie»?
Gravitationswellen sind Krümmungen in der Struktur der Raum-Zeit. Verursacht werden sie von den kraftvollsten kosmischen Ereignissen im Universum – etwa verschmelzenden riesigen Schwarzen Löchern. Gravitationswellen konnten bisher noch nie direkt gemessen werden.
Das soll sich nun ändern, indem drei Satelliten 50 Millionen Kilometer weit ins All geschossen werden. Das Satelliten-Trio namens «eLISA» (evolved Laser Interferometer Space Antenna) wird so positioniert sein, dass jeder Satellit eine Million Kilometer von den zwei anderen entfernt ist.
Im Innern jedes Satelliten wird sich ein Behälter befinden. Darin schweben in einem Vakuum je zwei Kilogramm Gold und Platin. Von anderer kosmischer Strahlung abgeschirmt, wird eine Schwingung dieser schwebenden Masse nur durch Gravitationswellen erklärbar sein.
Um diese zu messen, werden sich die Satelliten gegenseitig mit Laserstrahlen beschiessen, um selbst winzigste Bewegungen der schwebenden Gold-Platin-Masse zu messen.
«Damit können wir das Universum in einer bisher einzigartigen Weise erforschen», sagt Philippe Jetzer, Titularprofessor für Theoretische Physik an der UZH: «Das Projekt öffnet ein Fenster in den Weltraum, das noch nie geöffnet wurde. Für die Physik ist das Projekt vergleichbar mit der Suche nach dem Higgs-Teilchen am CERN.»
Mit Jetzer freuen sich einige hundert weitere beteiligte Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Spanien, Holland, Italien und der Schweiz über den Entscheid der ESA.
Jetzer vertritt gemeinsam mit Domenico Giardini, Professor für Geophysik an der ETH Zürich, den wissenschaftlichen Teil der Schweizer Beteiligung. Die Ingenieure der ETH entwickeln die Elektronik für die Steuerung der Satelliten (Artikel bei ETH-News). Jetzer ist mit vier Doktoranden für die theoretischen Aspekte im Zusammenhang mit der Allgemeinen Relativitätstheorie zuständig und ist mit daran beteiligt, die – hoffentlich – gemessenen Gravitationswellen auszuwerten.
Der Zeitplan der ESA sieht vor, dass die drei Satelliten im Jahr 2034 vom ESA-Weltraumbahnhof im südamerikanischen Französisch-Guyana ins All geschossen werden.
Wenn alles gut läuft, könnte der Start aber auch schon früher erfolgen. Gebannt schauen die Astrophysiker weltweit derzeit nämlich auf das Projekt «LISA Pathfinder». In diesem Rahmen soll bereits 2015 die für die eLISA-Satelliten notwendige Technologie ins Weltall geschossen und erprobt werden. Nicht nur die Zürcher Wissenschaftler Jetzer und Giardini sind daran beteiligt, auch industrielle Partner aus der Schweiz: Die RUAG Space (ehemals Oerlikon Contraves) entwickelt unter anderem die Struktur der Satelliten und einen Teil des Lasersystems.
Verläuft der Test «LISA Pathfinder» positiv, ist nicht nur der Weg zur dritten L-Class-Mission der ESA endgültig frei. «Denkbar ist auch, dass dann zusätzliche Partner wie die NASA ins Projekt einsteigen», so Jetzer. Dies würde die Entwicklung und weitere Optimierung der notwendigen Technologie beschleunigen und einen früheren Start der Satelliten ermöglichen.
Wann auch immer der Start erfolgt, spannend wird es ohnehin: Sobald die Satelliten im All sind, rechnet Jetzer innerhalb eines Jahres mit Messresultaten, die allenfalls die Astrophysik revolutionieren.