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Fördergelder

«Die Forschungslandschaft verändert sich»

Neben dem Schweizerischen Nationalfonds sind EU-Fördergelder die wichtigste Finanzierungsquelle für Schweizer Forscher. Das neue EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, «Horizon 2020», wird auch die Schweizer Forschungslandschaft beeinflussen. Michael Hengartner, Dekan der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät, geht davon aus, dass die EU in Zukunft verstärkt in die angewandte Forschung investiert. 
Marita Fuchs

Ist überzeugt, dass der Forschungsplatz Schweiz attraktiv bleibt: Michael Hengartner, Dekan der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät.


Herr Hengartner, Sie haben kürzlich an einer Life-Science-Tagung die Situation der Forschung in der Schweiz thematisiert und sich für gute Rahmenbedingungen für die biomedizinische Forschung starkgemacht. Was schlagen Sie vor?

Michael Hengartner: Die Rahmenbedingungen für die Forschung in den Life Sciences in der Schweiz sind gut, doch die Forschungslandschaft verändert sich stetig, das müssen wir im Auge behalten und unsere Strategien darauf abstimmen. Wir müssen zum Beispiel in den Nachwuchs investieren und schauen, dass Infrastruktur und Finanzierung stimmen.

Neben dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) sind die Fördergelder der EU eine wichtige Stütze für Schweizer Forscher. Was bringt das neue EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, «Horizon 2020», das ab 2014 anläuft, mit sich?

Michael Hengartner: Horizon 2020 ist das Forschungsflaggschiff der Europäischen Kommission, für das im Zeitraum von 2014 bis 2020 über 70 Milliarden Euro budgetiert sind. Neu ist, dass für die Sicherung der industriellen Führungsposition der EU etwa 17 Milliarden Euro für innovative Projekte vorgesehen sind. Darin enthalten sind Investitionen in Schlüsseltechnologien und Hilfen für kleine Unternehmen mit Finanzierungsbedarf. Die kleinen und mittleren Unternehmen, wie zum Beispiel Startups, werden so verstärkt gefördert. Etwa 24 Milliarden Euro sind für die Grundlagenforschung, wie etwa für die Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) vorgesehen.

Zusätzlich werden etwa 31 Milliarden Euro für festgelegte Forschungsbereiche zur Verfügung gestellt, wie etwa Gesundheit, demografischer Wandel, umweltfreundliche Landwirtschaft, marine und maritime Forschung sowie Biowirtschaft, saubere und effiziente Energie, Klimaschutz und andere.

Warum werden die EU-Fördergelder gezielt für im Voraus festgelegte Bereiche vergeben?

Michael Hengartner: Die EU-Politiker wollen mit der Neuausrichtung die Innovationskraft des EU-Raums stärken, indem sie zum Beispiel in innovative kleine Firmen investieren. Neu setzt man vermehrt auf Forschung, die aus der Krise heraushelfen soll. Dahinter stecken natürlich auch politische Überlegungen. Die Richtung zielt von der Unterstützung der Grundlagenforschung weg hin zur Förderung der angewandten Wissenschaften. Die gute Nachricht ist, dass mit dem Programm Horizon 2020 die Bürokratie bei der Antragstellung reduziert werden soll.

Was bedeutet diese Neuausrichtung für die Forscher an Schweizer Universitäten?

Michael Hengartner: Durch die Neuausrichtung müssen wir uns auf andere Bedingungen einstellen. Die EU-Fördergelder sind für die Schweizer Forschenden wichtig – neben dem Nationalfonds sind die EU-Gelder die zweitwichtigste Finanzierungsquelle für Forschende. Wir müssen neue Strategien entwickeln, wie wir den Zugang zu EU-Forschungsgeldern weiterhin sichern.

Wie könnten diese Strategien aussehen?

Michael Hengartner: Zum einen müssen wir exzellente Forschungsvorhaben anbieten. Zum zweiten sind die Themen des Horizon-Programms recht breit gefasst. Forschende sollten ihre Projekte so definieren, dass Bezüge zu einer der vorgegebenen Kategorien entstehen. Grundlagenforscher, deren Projekte zum Beispiel im Bereich Gesundheit oder demografischer Wandel angesiedelt sind, könnten ihre Forschung diesen Bereichen zuordnen.

Wie gravierend ist diese Veränderung für Grundlagenforscher?

Michael Hengartner: Die EU-Förderpolitik verändert sich. Doch für Schweizer Forscher steht der Schweizerische Nationalfonds immer noch an erster Stelle. Er ist Garant für gute Forschung in der Schweiz, weil er die Gelder nicht nach dem Giesskannenprinzip verteilt, sondern nach Exzellenz. Es werden auch keine Forschungsgebiete bevorzugt behandelt. Dafür gibt es ja die nationalen Forschungsprogramme, wie zum Beispiel «SystemsX», das sich auf die Systembiologie fokussiert.

Durch diese Forschungsstrategie des SNF, die auch die Grundlagenforschung intensiv fördert, sind wir in der Schweiz in einer guten Situation – viel besser als in Ländern, in denen Forschung, die nicht anwendungsorientiert ist, wenig Chance auf Unterstützung hat. Auch die Zahlen sprechen für die Schweiz: Heute wird jedes zweite Gesuch vom Nationalfonds gefördert. In Amerika und England ist das anders, dort wird nur jedes zehnte Gesuch von staatlichen Förderungsinstitutionen gestützt.

Nach welchen Kriterien bestimmt der Schweizerische Nationalfonds, was gute Forschung ist?

Michael Hengartner: Das Forschungsprojekt muss logisch aufgebaut sein. Der Forschende muss zeigen, dass er eine interessante Fragestellung verfolgen will, dass er den Hintergrund kennt und mögliche Probleme anvisiert und bedacht hat. Natürlich spielen auch die Peers eine wesentliche Rolle, die die Anträge beurteilen. Jedoch besteht Konsens darüber, wie ein gut strukturiertes Projekt auszusehen hat. Das nutzt uns auch bei der Antragstellung von EU-Fördergeldern.

Bei all diesen Überlegungen muss man auch berücksichtigen, dass wir in der Schweiz gute Forschungsbedingungen haben. Der Forschungsplatz Schweiz ist durch die Nähe und Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und der Industrie sehr attraktiv für Forscher und ihre Projekte.