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Zehn Jahre Sprachenzentrum

Mehrsprachigkeit wird immer wichtiger

Das Sprachenzentrum der Universität und der ETH Zürich feierte am 4. April sein zehnjähriges Bestehen. Die Festrednerinnen und -redner waren sich einig: In einer zunehmend vernetzten Welt reicht Englisch als Wissenschaftssprache nicht aus. Weitere Fremdsprachenkenntnisse sind nötig.
David Werner
«Neben Englisch als lingua franca werden sich andere linguae francae der Wissenschaft etablieren»: Sabina Schaffner, Direktorin des Sprachenzentrums der Universität und der ETH Zürich, bei der Jubiläumsfeier in der Aula.

Wer in den 90er Jahren seine Fremdsprachenkenntnisse vertiefen wollte, fand an UZH und ETH ein Gewirr schlecht koordinierter und oftmals überbelegter Kurse vor. Heute steht Lernwilligen mit dem Sprachenzentrum ein attraktives, modernes Lernzentrum mit rund 400 klar strukturierten Sprachlernangeboten in 14 Sprachen offen. Rund 8500 Studierende und Mitarbeitende nutzen das Sprachenzentrum der Universität und der ETH Zürich jährlich.

Andreas Fischer, Rektor der UZH und Heidi Wunderli-Allenspach, Rektorin der ETH Zürich, würdigten in einem Festakt das in kurzer Zeit Erreichte. «Wenn es das Sprachenzentrum nicht gäbe, müsste es umgehend erfunden werden», sagte die ETH-Rektorin.

Fremde Klänge

Der mit grosser Sorgfalt in Szene gesetzte Jubiläumsanlass in der Aula der UZH bot Gelegenheit, neben den auf deutsch gehaltenen Festreden auch dem Klang von Sprachen zu lauschen, die  an diesem Ort sonst seltener zu vernehmen sind: In Kurzbeiträgen auf japanisch, spanisch, russisch, arabisch und französisch gaben Studierende und Dozierende Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen beim Fremdsprachenlernen. Zwischendurch entfalteten Instrumentalisten ein faszinierendes mehrstimmiges Gespräch, das ganz ohne Worte auskam – in der Sprache improvisierter Musik.

Improvisierte Musik zur Feier des Sprachenzentrums: Stefan Baumann (Cello) und Christian Strässle (Geige).

Vielfalt an Perspektiven und Weltsichten

Das zentrale Thema der Gratulationsreden war die Mehrsprachigkeit an UZH und ETH. Rektor Andreas Fischer etwa machte darauf aufmerksam, dass Sprachen nicht nur Verständigungsmittel sind, sondern jeweils ganz eigene Weltsichten formieren. Fremdsprachen zu lernen bedeute daher neben der Ausweitung des Kommunikationsradius immer auch eine Auseinandersetzung mit fremden Perspektiven. In einer global vernetzten Welt, in der viele Weltsichten nebeneinander bestünden, komme es entscheidend auf die Fähigkeit des Sich-Einlassens auf andere Kommunikations- und Traditionsräume an.

«In dem Masse, in dem die moderne Wissenschaft und die Universität das Sich-Einlassen auf verschiedene Kulturen zu ihrer eigenen Aufgabe macht, ist sie auch auf Sprachkenntnisse angewiesen», sagte Fischer. Dies gelte in besonderem Masse für eine Universität, die so breit diversifiziert sei wie die UZH.

Festlich gestimmt: Heidi Wunderli-Allenspach, Rektorin der ETH, Andreas Fischer, Rektor der UZH, Otfried Jarren, Prorektor Geistes- und Sozialwissenschaften der UZH, Udo Fries, ehemaliger Prorektor der UZH und erster Kuratioriumspräsident des Sprachenzentrums, Sabina Schaffner, Dirkektorin des Sprachenzentrums und Ueli Bachmann, stellvertretender Direktor des Sprachenzentrums (v.l.).

Einheitssprache versus Sprachenvielfalt

Sprachenvielfalt war auch Thema des Vortrags von Andreas Kilcher, Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft an der ETH und heutiger Kuratoriumspräsident des Sprachenzentrums. Er wägte zwei sprachpolitische Optionen gegeneinander ab: Einheitssprache und Mehrsprachigkeit. Eine mehrsprachige Wissenschaftsgemeinschaft formierte sich in Europa seit Ende der Renaissance, als Gelehrte dazu übergingen, statt auf lateinisch in europäischen Volkssprachen zu schreiben. Der Pluralisierungsprozess erreichte im Zeitalter der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert einen Höhepunkt. Heute, so Kilcher, sei Mehrsprachigkeit aber losgelöst von der Idee der Nation, sie erscheine vielmehr als Garantin von Transnationalität und Transkulturalität.

Sprachpolitische Aufgabe

Mehrsprachigkeit, so Kilcher, sei zwar komplexer und in gewissem Sinne unökonomischer als das Modell einer wissenschaftlichen Einheitssprache, werde den heutigen sozialen Realitäten aber eher gerecht. Sie trage der Tatsache Rechnung, dass jede Sprache eine Wissenskultur von eigenem Wert darstelle. «Zur Entfaltung des Wissens brauchen wir nicht nur grenzüberschreitende Kommunikation», sagte Kilcher, «sondern auch die epistemologische Vielfalt von Denkformen und Weltperspektiven. Genau darin liegt die tiefere sprachpolitische Aufgabe des Sprachenzentrums in einer zwar globalen, jedoch nicht zentralistischen, sondern heterogenen Wissenschaftswelt.»

«Mehrsprachigkeit ist eine Garantin von Transkulturalität»: Andreas Kilcher, Kuratoriumspräsident des Sprachenzentrums und Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft an der ETH.

Voraussetzungen zum Weltbürgertum

Doch steht die gezielte Förderung des Englischen als lingua franca der Wissenschaft zwingend im Gegensatz zum Mehrsprachigkeits-Modell? Otfried Jarren, Prorektor Geistes- und Sozialwissenschaften der UZH, zeigte sich überzeugt, dass beide Modelle zu vereinbaren seien. «Das eine besonders zu fördern heisst nicht, das andere nicht mehr zu fördern», sagte er. Gerade die Schweiz biete ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Privilegierung einer Sprache durch die gezielten Massnahmen zugunsten anderer Sprachen durchaus ausgleichen lasse. Und die Aktivitäten des Sprachenzentrums zeigten vorbildlich, wie Sprachenvielfalt umgesetzt, sichtbar gemacht und immer wieder neu ausgehandelt werden könne.

«Der Entscheid darüber, welchen Sprachen welches Gewicht beigemessen wird, obliegt an der Universität Zürich den einzelnen Fächern, deren Bedürfnisse diesbezüglich sehr unterschiedlich sind», führte Otfried Jarren aus. Überall aber gehörten Fremdsprachenkenntnisse zu den zentralen überfachlichen Kompetenzen, die allen Studienabgängern zu wünschen seien. «Jede weitere Sprache, die man lernt, ist ein weiteres Fenster zur Welt», sagte Jarren, «und Mehrsprachigkeit spielt eine grosse Rolle, wenn es darum geht, Menschen zu Weltbürgern zu machen.»

Gespräch ohne Worte: Christian Strässle (Geige) und Martin Huber (Flöte).

Aus Träumen wird Realität

Udo Fries, der als ehemaliger Prorektor der UZH eine treibende Rolle bei der Gründung des Sprachenzentrums hatte, blickte in seiner Rede zurück auf die Geschichte der Institution, die Ende der 90er Jahre begann. Am Anfang stand eine Ideenskizze mit dem Titel «Utopien und Träume», verfasst von einer Arbeitsgruppe um die beiden Germanisten Horst Sitta und Roland Ries. Dass die Utopien in viel kürzerer Frist wahr werden würden, als es deren Urheber es sich hätten träumen lassen, sei einer Reihe von günstigen Umständen zu verdanken gewesen.

So sei etwa durch das 1998 erlassene Universitätsgesetz, das der UZH die Autonomie gewährte, eine Welle von Kooperationsprojekten mit der ETH angestossen worden. Zudem habe die mit der einsetzenden Bologna-Reform einhergehende Diskussion über Studierenden-Mobilität dafür gesorgt, dass das Bewusstsein für die Bedeutung fundierter Fremdsprachenkenntnisse auf akademischem Niveau geschärft worden sei. «Seitdem konnte die Mehrsprachigkeit junger Akademikerinnen und Akademiker nicht mehr bloss als Luxus betrachtet werden, sondern galt nun als Teil der Allgemeinbildung der Hochschulangehörigen», sagte Fries.

Die Kindheit ist vorbei

Dass die Bedeutung der Mehrsprachigkeit innerhalb des akademischen Lebens in Zukunft noch weiter zunehmen wird, steht für Sabine Schaffner, Direktorin des Sprachenzentrums, ausser Zweifel. «Neben Englisch als lingua franca werden sich andere linguae francae der Wissenschaft etablieren, und Sprachkompetenz wird als Folge und Voraussetzung der Internationalisierung selbstverständlicher sein als heute», so ihre Prognose. Ihr Wunsch sei, dass «die Schweiz ihr mehrsprachiges Erbe nutzt, um eine Vorreiterrolle bei der Erforschung der Sprachlichkeit von Wissenschaftskulturen und Gesellschaften einzunehmen».

Sabine Schaffner wagte in ihrem Referat einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Sprachenzentrums. Die unschuldige Kindheitsphase sei nach zehn Jahren abgeschlossen, nun kämen die Jugendjahre mit viel Wachstum, Wandel und – so Sabina Schaffners Hoffnung – vielleicht auch mehr Autonomie. Steigende Studierendenzahlen würden einen Ausbau des Sprachenzentrums und eine Ausweitung der Finanzierungsbasis nötig machen. Am meisten, so Schaffner, werde es aber auch in Zukunft auf die Dozierenden ankommen. Ihre Kompetenz und Sprachbegeisterung bilde die unverzichtbare Grundlage für ein florierendes Sprachenzentrum.