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Center for Responsibility in Finance

Mehr Verantwortung in der Wirtschaft

Am Institut für Banking und Finance ist ein «Center for Responsibility in Finance» gegründet worden. Es untersucht das Wechselspiel zwischen Finanzwelt, Gesellschaft und Individuum und will verantwortliches Handeln fördern.
Adrian Ritter
Carmen Tanner, Leiterin des neuen Zentrums: «Es ist wichtig, über das Spannungsfeld von Verantwortung und Finanzwirtschaft nachzudenken.»

Steuerzahler müssen Banken retten, Spekulanten führen sich auf wie im Casino und Manager beziehen bisweilen fragwürdige Boni. Für Carmen Tanner, Wirtschaftspsychologin und Leiterin des neuen «Center for Responsibility in Finance» (CRF), ist klar: «Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat das Vertrauen in die Finanzwirtschaft stark erschüttert »

Sich mit dieser Kritik auseinanderzusetzen, ist unerlässlicher denn je. Als Plattform dafür hat das Institut für Banking und Finance (IBF) der Universität Zürich im Herbst 2011 das neue Zentrum ins Leben gerufen.

Das CRF will unabhängige und interdisziplinäre Forschung betreiben – als Zusammenspiel von Ökonomie, Psychologie und Ethik. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Welche Faktoren fördern oder hindern verantwortungsvolles Verhalten in der Finanzwelt?

Erstaunlich ehrlich

Treibende Kraft bei der Gründung des neuen Zentrums waren Carmen Tanner, IBS-Direktor Thorsten Hens und Marc Chesney, an dessen Lehrstuhl das CRF angegliedert ist.

Marc Chesney, Professor für Finance, beschäftigt sich mit innovativen Finanzprodukten und deren Auswirkungen auf Markt und Gesellschaft. Carmen Tanner interessiert vor allem, welche Faktoren das Verhalten der Wirtschaftsakteure beeinflussen: Welche Rolle spielen deren Werthaltungen, finanzielle Anreize oder der Zeitdruck, unter dem sie stehen?

In einem aktuellen Forschungsprojekt im Rahmen des NCCR Finrisk testete Carmen Tanner mit Finanzwissenschaftlern in einem Labor-Experiment Studierende der Universität Zürich auf Ehrlichkeit und Schummelei.

«Ökonomische Standardmodelle der Entscheidungsfindung sehen den Menschen als puren Nutzenmaximierer, der sich nur dann ehrlich verhält, wenn es sich auszahlt», so Tanner. Die empirischen Ergebnisse des Experiments widersprachen dem. Erstaunlich viele Studierende entschieden sich für den Weg der Ehrlichkeit, obwohl ihnen dadurch im Experiment finanzieller Schaden erwuchs.

Gefragte Dienstleistungen

Die Wirtschaftspraxis zeigt sich interessiert an den Aktivitäten des neuen Zentrums. Unternehmen fragen an, wie sie ihre Ethikkodizes besser umsetzen oder bei der Personalauswahl erkennen können, ob die Bewerber Fingerspitzengefühl für verantwortliches Handeln mitbringen.

Ziel des Zentrums ist es denn auch, Instrumente und Ausbildungsgänge zu entwickeln, die moralische Sensibilität und moralische Fähigkeiten fördern. Die Entwicklung solcher Instrumente soll unter anderem über Drittmittel finanziert werden. Zwei Stiftungen haben bereits Geld gesprochen.

Für Unternehmen, die sich stärker an Nachhaltigkeit und Verantwortung orientieren wollen, wird das CRF eine Palette von Dienstleistungen wie Analyse, Beratung und Kurse bereitstellen.

Integrität wird wichtiger

Nicht zuletzt sollen die Erkenntnisse und Forschungsergebnisse auch in die finanzwissenschaftliche Lehre an der Universität Zürich einfliessen. «Es gilt, auch die zukünftige Generation von Wirtschaftsführern, Experten und Beratern zu sensibilisieren», sagt Tanner.

Zu diesem Zweck soll im Frühling 2013 eine Vorlesung zu «Responsible Finance» organisiert werden – mit Fachpersonen aus Finance, Psychologie und Ethik.

«Das Institut für Banking und Finance hat erkannt, wie wichtig es ist, über das Spannungsfeld von Verantwortung und Finanzwirtschaft nachzudenken. Letztlich geht es auch darum, Spannungen zu vermeiden, die den gesellschaftlichen Zusammenhang gefährden», so Tanner mit Blick etwa auf bankenrettende Steuerzahler.