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Sommer in Zürich: Reto ist acht Jahre alt und fährt mit seinen Eltern nach Namibia. Die Familie leistet sich einen zweiwöchigen Safariurlaub. Vor der Abreise geht die Familie zur Reiseberatung, und Reto bekommt eine Malaria Prophylaxe, zudem hat die Mutter jede Menge Insektenschutzmittel mit im Gepäck.
Rosa ist ebenfalls acht Jahre alt und besucht dieselbe Klasse wie Reto. Ihre Eltern sind Migranten aus dem Kongo. Sie leben seit einigen Jahren in der Schweiz. Im Sommer brechen auch sie nach Afrika auf, um für einen Monat die Verwandten im Kongo zu besuchen. Rosas Eltern haben keine Medikamente dabei. Sie gehen davon aus, dass sie durch ihr vormaliges Leben in Afrika gegen die Krankheit immun sind und dass sie im Fall der Fälle vor Ort Medikamente kaufen können.
Reto und Rosa setzen sich der Gefahr aus, an Malaria zu erkranken – jedoch mit sehr unterschiedlichen Vorzeichen, denn das Infektionsrisiko hängt von Reiseziel, Reisestil und den Präventionsmassnahmen ab. Letztere solle auf die Region abgestimmt werden, sagt Patricia Schlagenhauf. Die Expertin für Malaria am Zentrum für Reisemedizin der UZH zählt viele Länder Afrikas und Papua Neuguinea zu den Hochrisikogebieten. Etwas weniger Risiko gehen Asien- oder Südamerika-Reisende ein. Innerhalb Afrikas gibt es jedoch Unterschiede: Eine Reise nach Namibia ist weniger risikoreich als eine Reise in den Kongo.
Das Krankheitsrisiko hängt jedoch nicht allein vom Aufenthaltsort ab, sondern auch von den Reisenden selbst. Die Analyse der Daten von 217 Kinder, die nach den Ferien die infektionsmedizinische Ambulanz des Kinderspitals Zürich aufsuchten, zeigte ein unerwartetes Muster: Reisende, die Verwandte und Freunde besucht hatten, erkrankten überproportional häufig an Malaria und Leberentzündung. «Dies sind Krankheiten, gegen die man eigentlich wirksam vorbeugen könnte», sagt Schlagenhauf. Diese Personengruppe hatte sich jedoch signifikant seltener vor der Reise informiert und sich länger vor Ort aufgehalten als Touristen ohne persönliche Kontakte zum Gastland.
Das ist nicht nur in der Schweiz so: Eine Studie mit Daten, die über zehn Jahre gesammelt wurden und aus elf Industrieländern stammen, zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen Migranten, die in ihr Herkunftsland reisen, und Touristen. So setzt sich der Safari-Tourist Reto einem Malaria-Risiko von 0,4:10‘000 aus, während des Aufenthalts zu erkranken. Rosa riskiert hingegen viel mehr: 778 von 10‘000, hat Schlagenhauf ausgerechnet.
«Die Meinung, vor Malaria geschützt zu sein, wenn man lange in Afrika gelebt hat, ist nicht haltbar», sagt Schlagenhauf. Zwar entwickeln Menschen vor Ort eine gewisse Abwehr. «Doch vor allem die Kinder, die in Europa aufwachsen und mit ihren Eltern zu Verwandten reisen, tragen ein grosses Risiko, an Malaria zu erkranken.»
Aufklärung tut also not. So hat man in England bereits damit begonnen, in Schulen oder Fussballklubs jugendliche Migranten auf die Gefahren der Malaria hinzuweisen. Denn bei guter Prävention sei Malaria vermeidbar, sagt Schlagenhauf und rät: «Vorsicht mit Medikamenten, die man in Entwicklungsländern kauft oder im Internet bestellen kann. Bis zu 60 Prozent dieser Mittel sind gefälscht. Sie enthalten entweder gar keine Wirkstoffe oder sind sogar gefährlich.» Aufklärung sei auch deshalb besonders wichtig, weil infizierte Rückkehrer dazu beitragen können, dass sich Malaria in Europa breitmacht. Die Zahlen sprechen für sich: Etwa 15’000 bis 20’000 Malariafälle werden in Industrieländer jährlich eingeschleppt.
Schutzmassnahmen gegen Malaria müssen individuell angepasst und frühzeitig ergriffen werden, sagt Schlagenhauf. Am besten wirken die Medikamente, die auf den jeweiligen Patienten abgestimmt sind: Ein Mensch mit einer Depression benötigt eine andere Arznei als ein gesunder. Frauen leiden mehr an Nebenwirkungen. Bei Reisen in Niedrigrisikogebiete wird die Notfallstrategie empfohlen. In diesem Fall werden die mitgenommenen Malaria-Medikamente eingenommen, wenn Malariasymptome auftreten und kein Arzt erreichbar ist.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass Männer anfälliger für Malaria sind als Frauen. Für Mücken sind Männer attraktiver, wahrscheinlich weil sie andere Duftstoffe abgeben als Frauen. Kohlendioxid, Schweiss und flüchtige Hautpartikel gehören zu den Vorlieben der Mücken – von denen Männer wesentlich mehr produzieren als Frauen. Die Tatsache, dass Männer mehr schwitzen, wirkt sich doppelt aus: Denn Insektenschutzmittel sind wasserlöslich. Häufigeres Auftragen ist daher notwendig.
Auch Schwangere haben ein erhöhtes Malariarisiko und sollten sich schützen. In einer neuen Studie, die im April 2012 im Fachjournal «Clinical Infectious Diseases» veröffentlicht wurde, konnte Schlagenhauf nachweisen, dass Neugeborene von Frauen, die das Malariamedikament «Mefloquine» vor und während der Schwangerschaft eingenommen hatten, keine erhöhte Missbildungsrate zeigten.