Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Pferdechirurgie

Hectors spätes Glück

Knochenzysten sind klein und äusserlich unsichtbar, doch beim Pferd können sie üble Gelenkschmerzen verursachen. Die Tiere lahmen und können nicht mehr geritten werden. Michelle Jackson, Oberassistentin am Tierspital der Universität Zürich, forscht nach einer optimalen Behandlungsweise zur Füllung von Zysten und zur Heilung des geschädigten Gewebes.  
Marita Fuchs
Veterinärmedizinerin Michelle Jackson ist Spezialistin für Pferdezysten.

Hector lahmt. Der Warmblut-Wallach steht mit geneigtem Kopf auf dem Reitplatz der Pferdeklinik am Tierspital in Zürich. Offensichtlich leidet er unter heftigen Schmerzen. Er nimmt verschiedene Schonhaltungen ein, wo jedoch genau die Ursache für seine Krankheit liegt, zeigt sich äusserlich nicht – eine Verletzung oder Schwellung ist nicht auszumachen.

Lahmheit beim Pferd kann viele Ursachen haben, eine davon sind Knochenzysten, die sich häufig am Kniegelenk von Vollblütern ansiedeln, bei Warmblütern und Springpferden jedoch verschiedene Stellen der Beine befallen können, häufig die Zehengelenke. Die Zysten bilden Hohlräume unter der Gelenkfläche. Je nach Grösse führen sie zu erhöhtem Druck im benachbarten Knochen und verursachen Schmerzen, vergleichbar mit Schmerzen bei Menschen, die unter Arthrose leiden.

Zysten kommen bei Pferden recht häufig vor. Gründe für die Bildung sind entweder Wachstums- oder Durchblutungsstörungen, Entzündungen oder durch Überlastung entstandene Haarrisse in den Knochen. «Es besteht jedoch auch eine genetische Disposition für Zystenbildung», sagt Michelle Jackson, Oberassistentin am Tierspital Zürich. So sind manche Pferderassen wie Vollblüter oder Quarter Horse für Zystenbildungen im Kniegelenk besonders anfällig.

Schwierige Diagnose

Michelle Jackson operiert nicht nur, sie forscht auch im Rahmen des Forschungskredits der Universität Zürich über eine optimale Behandlungsmethode der Zysten beim Pferd. Hector ist Jacksons neuester Patient. Sie tätschelt dem Warmblut den Hals und spricht ihm beruhigend zu, schnell betäubt sie den linken, vorderen Huf. Anschliessend läuft ein Tierpfleger mit Hector eine Runde. Hector lahmt nach wie vor. Jetzt wird eine weitere Stelle am Bein betäubt. Sobald das Pferd nicht mehr lahmt, ist die Stelle gefunden, die die Schmerzen verursacht, denn durch die kurzzeitige Anästhesie kann Hector wieder normal traben. Die Stelle am kranken Bein wird anschliessend geröntgt. Die Computer-Tomographie mit Vollnarkose zeigt die inneren Gewebsstrukturen und die Knochen in dreidimensionaler Ansicht. Röntgen- und CT-Bilder bestätigen den anfänglichen Verdacht: Hector hat eine 1 Zentimeter grosse Knochenzyste im Bereich der Gliedmassen, dem so genannten Fesselbein.

Die Diagnose ist nicht immer ganz so einfach. Anästhesien können verwirrend sein und nicht auf allen Röntgenaufnahmen ist eine kleine Zyste erkennbar. «Die Qualität der Röntgenaufnahmen muss sehr gut sein», sagt Jackson.

Pferde reagieren mit Schmerzen auf Zysten am Bein. Doch die genaue Stelle zu finden, wo sich eine Zyste befindet, ist nicht einfach.

Den Hohlraum füllen

Die Besitzerin von Hector ist damit einverstanden, dass Michelle Jackson operiert. Die Veterinärmedizinerin geht minimalinvasiv vor und schabt die Zyste mit einer Curettage aus. «Entzündungsstoffe werden vor allem von der Zystenwand produziert, deshalb ist es wichtig, dass bei der Operation den Zysteninhalt und Zystenwand wirklich vollständig entfernt werden», erklärt Jackson.

Das Problem ist nun der zurückbleibende Hohlraum im Gewebe. Hier betritt Jackson in ihrer Behandlungsmethode Neuland, denn sie arbeitet mit knochenmorphogenetischen Proteinen, abgekürzt: BMPs (Bone Morphogenetic Proteins), die für die Zellteilung und die Zelldifferenzierung zuständig sind. Sie gehören zu einer Gruppe Proteine, die die Differenzierung von Stammzellen zu Osteoblasten – Zellen, die für die Knochenbildung verantwortlich sind – fördern und somit die Knochenheilung anregen.

Das Knochenwachstum anregen

Jackson versucht, die BMPs im Hohlraum anzusiedeln und gleichzeitig zu verhindern, dass sie ins umliegende Gewebe abwandern. Deshalb mischt sie das Protein mit Rindercollagen, damit die gallertartige Masse den Hohlraum füllt. Zufrieden ist die Tierärztin, wenn sich die Zyste mit Knochen füllt und das Gelenk nicht geschädigt wird. «Es ist schwierig, die richtige Dosis für die Zugabe von BMPs herauszufinden», sagt Jackson. Bis jetzt ist noch nicht erforscht, ob die BMPs-Proteine auch beim Pferd wie bei Menschen wirken und wie hoch die Konzentration genau sein muss.

Deshalb testet Jackson im Labor in vitro anhand von Gewebeproben die optimale Zugabe. Dazu mischt sie Knochenbildungszellen, so genannte Osteoblasten, und Stammzellen mit BMPs in unterschiedlicher Konzentration. Dabei beobachtet sie die Wirkung auf die Knochenzellen und Stammzellen von Pferden.  

Auch Hector wird mit BMPs behandelt und zwar in einer Konzentration von 0.5 Milligramm pro Milliliter. Sein Alter von zehn Jahren könnte ein Problem sein, denn bei Pferden, die älter sind als drei Jahre, sind die Heilungschance deutlich schlechter als bei jüngeren Tieren.

Hector jedenfalls ist nach der Operation wohlauf. Zwar lahmt er zunächst noch leicht, doch nach fünf Tagen ist er beschwerdefrei. Seine Besitzerin reitet wieder mit ihm. Die Operation ist jetzt vier Monate her. Demnächst kommt er zur Kontrolle. Michelle Jackson ist gespannt, ob die Zyste sich vollständig gefüllt hat.