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Unser Körper wird jeden Tag von unzähligen Viren, Bakterien und Schimmelpilzen attackiert. In der Regel kann er damit gut umgehen, weil unter anderem die weissen Blutkörperchen (Phagozyten) die Eindringlinge fressen und vernichten. Bei Menschen mit Septischer Granulomatose (CGD, chronic granulomatous disease) ist das nicht der Fall. CGD tritt auf etwa 70'000 Menschen nur einmal auf, ist aber sehr gefährlich und schwierig zu therapieren.
CGD ist eine Erkrankung der weissen Blutkörperchen. Diese können bei CGD die Krankheitserreger wie Bakterien und Pilze zwar normal fressen, diese aber nicht abtöten. «Das bedeutet, dass der Pilz in der Fresszelle munter weiterlebt», erklärt die Immunologin und Kinderärztin Janine Reichenbach vom Universitätskinderspital Zürich.
Die nicht eliminierten Krankheitserreger können deshalb weiterhin Schaden anrichten. Bei Patienten mit CGD führt das zu chronischen Infektionen, die oft schwerer verlaufen als üblich, beispielsweise mit lebensbedrohlichem Schimmelpilzbefall und Organentzündungen, die zu Invalidität führen können. Diese können mit Antibiotika und anderen Medikamenten kaum bekämpft werden, was häufig zu Organschäden führt. Die Dauerbehandlung kann auch zu Nebenwirkungen wie Resistenzen führen.
Geheilt werden kann CGD bisher nur mit der Transplantation von blutbildenden Stammzellen. Dabei werden durch eine Knochenmarktransplantation die kranken Stammzellen durch gesunde ersetzt. Dazu wird jedoch einen Spender mit der gleichen Gewebegruppe (HLA-Antigene) unter den Geschwistern benötigt. Falls dies nicht möglich ist, muss auf Fremdspender zurückgegriffen werden. Das kann jedoch zu tödlichen Komplikationen führen, etwa zur Abstossung des transplantierten Knochenmarks.
Als alternative Behandlung zur Knochenmarktransplantation wird die Gentherapie eingesetzt. Diese befindet sich jedoch noch im Experimentalstadium. Sie wird seit etwa zehn Jahren im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien bei streng ausgewählten Patienten angewandt. Bei der Gentherapie wird in der kranken Blutstammzelle das defekte Gen durch ein gesundes ergänzt. Um das gesunde Gen in die kranken Zellen einzubringen, werden «Genfähren» eingesetzt. Das sind bestimmte nicht mehr infektiöse Viren (modifizierte Retroviren), die die Fähigkeit haben, Erbmaterial in die Zellen einzuschleusen und in die DNA einzubauen. Die Genfähren transportieren eine gesunde Kopie des defekten Gens in den Zellkern, wo das defekte Gen durch das gesunde ergänzt wird.
Diese Art der Therapie kann sehr erfolgreich sein, wie das Beispiel des fünfjährigen Max illustriert. Eine aggressive Pilzerkrankung hatte die Lunge und das Rückenmark des Jungen angegriffen und diese so stark beschädigt, dass er querschnittgelähmt war und an Atemnot litt. Mit der Gentherapie konnte das Immunsystem so repariert werden, dass es den Pilz überwinden konnte. Nach sechs Monaten war der Körper soweit genesen, dass Max wieder gehen lernte.
Die Gentherapie hat jedoch ihre Tücken. Es könnten unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Dazu gehört etwa, dass durch die Therapie theoretisch auch Tumorgene aktiviert werden können, was bei behandelten Patienten zu einer bösartigen Knochenmarkserkrankung führen kann. Eine andere Nebenwirkung ist, dass die eingeführten gesunden Gene in den Fresszellen nach einer Weile stillgelegt und der Therapieerfolg damit zunichte gemacht wird.
Mit Unterstützung der Gebert Rüf Stiftung arbeitet Janine Reichenbach mit ihrem Team jetzt an einer Verbesserung der Gentherapie. Die Immunologin und Kinderärztin will zunächst den auslösenden Krankheitsmechanismus entschlüsseln, der dazu führt, dass die Krankheitserreger von den Fresszellen nicht vernichtet werden und deshalb in ihrem Innern weiterleben. «Sobald wir das verstanden haben, wollen wir die ideale Genfähre zu dessen Korrektur entwickeln. Diese soll gesunde Gene in die Zelle schleusen, ohne dabei Tumorgene zu aktivieren.»
Reichenbach hat jedoch noch ein weiteres Ziel: «Wenn wir die Mechanismen der Krankheit besser verstehen, kann man vielleicht Medikamente entwickeln, die noch gezielter am Punkt angreifen, wo etwas defekt ist.» Damit könnten die Knochenmarktransplantation und die Gentherapie durch eine dritte Möglichkeit ergänzt werden, die Septische Granulomatose zu heilen.