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Frau Kaspar, in welchem öffentlichen Park der Stadt Zürich halten Sie sich am liebsten auf?
Ich jogge sehr gerne und gehe dann in den Wald. Die Zürcher Parks sind mir dazu etwas zu klein. Faszinierend finde ich jedoch Parks, die gestalterisch Neues wagen.
Zum Beispiel?
In Berlin gibt es einen «Mauer-Park»: eine grosse Grünfläche, die sich entlang der ehemaligen Mauer erstreckt. Die Mauer ist nicht ganz weggebrochen und zum Teil überwachsen. Sie begleitet den Parkbesucher und vermittelt dadurch auch ein Stück Geschichte. Ich finde es interessant, wenn Natur und Architektur einen Dialog eingehen.
Sie sind Geographin und betrachten Parks mit anderen Augen als Laien. Welche Aufgaben muss ein Park erfüllen?
Da ich Sozialgeographin bin, möchte ich Parks auch so sehen, wie Laien sie wahrnehmen. Ich erforsche die Nutzung und Wahrnehmung der Parks im Alltag und versuche, die Perspektivenvielfalt zu bündeln – jede und jeder sieht denselben Ort etwas anders. Ich möchte wissen, wer, wann, wie, warum einen Park nutzt, und versuche dabei, die Bedeutung, die dem Parkbesuch im Alltag zukommt, zu rekonstruieren. Das Ziel dabei ist: Parks für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich und nutzbar zu gestalten.
Sie haben zusammen mit Elisabeth Bühler und Frank Ostermann vom Geographischen Institut der UZH eine empirische Untersuchung durchgeführt und die Nutzungsgewohnheiten der Zürcher Bevölkerung in drei Parks untersucht. Was haben Sie herausgefunden?
Wir haben Besucher der Bäckeranlage, des Wahlen-Parks in Oerlikon und des Savera-Areals – einer Grünfläche am See in Wollishofen – beobachtet und befragt und daraus die Nutzung der Areale errechnet sowie die Wahrnehmung dieser Orte rekonstruiert. Wir haben festgestellt, dass ältere Menschen in den Parkanlagen signifikant untervertreten sind. Zum anderen zeigen unsere Interviews, dass Frauen bestimmte Orte zu bestimmten Tageszeiten meiden – aus Angst, bedroht oder belästigt zu werden.
Wie erklären Sie sich das?
Bei den Älteren hat es vielleicht mit generationenspezifischem und kulturell geprägtem Verhalten zu tun. Ältere nutzen einen Park anders als Junge. Sie setzen sich eher nicht auf den Rasen und machen auch kein Picknick. Sie lesen das Buch vielleicht auch lieber auf dem eigenen Balkon als im Park. Über die Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren hinsichtlich öffentlicher Grünräume gibt es kaum Studien.
Frauen fühlten sich vor allem in der Bäckeranlage und im Savera-Areal bedroht; der Wahlen-Park mit seiner überschaubaren Gestaltung machte den Frauen weniger Angst. Die Frauen fürchteten sich vor allem vor sexuellen Übergriffen. Sie verzichteten deshalb auf den Parkbesuch, weil sie das vermeintliche Risiko nicht auf sich nehmen wollten.
Sind diese Befrüchtungen gerechtfertigt?
Diese Ängste werden meiner Ansicht nach medial geschürt. Viele Krimis beginnen mit einer Toten im Park. Sobald dann etwas passiert, wird in der Tagespresse ausführlich darüber berichtet. Doch schaut man die tatsächliche Zahl der Delikte in Zürich an, muss man relativieren: Viel mehr Frauen sind im häuslichen Bereich sexuellen Übergriffen ausgesetzt als im öffentlichen Raum. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik des Kantons Zürich 2010 musste die Stadtpolizei 368 mal wegen häuslicher Gewalt ausrücken. In den meisten Fällen waren die Opfer weiblich.
Im Wahlen-Park musste die Polizei noch nie wegen eines Gewaltdelikts einschreiten.
Männer dagegen werden weit häufiger Opfer von Gewaltdelikten als Frauen. In Neu-Oerlikon wurden zwischen 2008 und 2011 mehr als doppelt so viele Männer geschädigt wie Frauen. Bedauernswert ist, dass Ängste die Frauen in ihrem Nutzungsverhalten einschränken. Sie machen Umwege, lassen sich begleiten oder fahren nachts mit dem Taxi. So machen sie nie die Erfahrung, dass ein nächtlicher Spaziergang ungefährlich ist.
In einer neuen Ausstellung – «Mein Park – verweilen statt eilen» –, die auch das Geographische Institut der Universität Zürich mitträgt, gibt es eine Exkursion durch einen unterirdisch angelegten Park. Die Ausstellung will die Besucher mit ihren Vorurteilen konfrontieren. Wie muss man sich das vorstellen?
Es handelt sich um eine kleine Ausstellung im Wahlen-Park, die unter der Erde angelegt ist. In Geschichten und Märchen sind Grünanlagen sowohl Oasen der Lebenslust, der Musse und des paradiesischen Glücks als auch Orte des Unheils und der Gefahr. Diesen Bildern werden Aussagen zur Sicherheit öffentlicher Räume gegenübergestellt. An Hörstationen erfährt man mehr über die Ängste der Menschen. Es gibt aber auch sehr schöne Exponate, die Lust auf Grün machen.
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Ich werde die Neugestaltung des Hardau-Parks wissenschaftlich begleiten. Das ist eine sehr interessante Aufgabe, in die wir unsere bisherigen Erkenntnisse einfliessen lassen können. Bei einer Neukonzipierung muss man darauf achten, dass die Menschen einen Park verstehen, ihn sozusagen «lesen» können – sonst fühlen sie sich nicht wohl und können schlicht nichts damit anfangen.