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Management-Kurse für Doktorierende der Chemie

«Nach vorne gehen und Verantwortung übernehmen»

Studierende der Graduate School of Chemical and Molecular Sciences Zurich können im Rahmen ihres Doktoratsprogramms Management-Kurse belegen. Im zweitägigen Trainingsmodul «Leadership Skills» lernen sie Rekrutierungsinterviews zu führen und Arbeitsteams zu bilden.
Alice Werner

«Okay Leute, stellt euch vor, ihr reist als Archäologen zu Grabungsarbeiten nach Vorderasien. Überraschend stosst ihr gleich am ersten Tag auf Überreste eines Tempels zu Ehren der Gottheit Onra. Und es kommt noch besser: Nach und nach tauchen Lehmtafeln mit kryptischen Hinweisen zur Entstehung des Bauwerks auf. Ihr wisst, es wurde in Rekordzeit von weniger als zwei Wochen errichtet – aber an welchem Tag genau? Das sollt ihr jetzt in zwanzig Minuten herausfinden. Viel Glück!»

Paul-David Becker hat offensichtlich Spass daran, die sechs Teilnehmer seines Kurses vor ungewöhnliche Aufgaben zu stellen. Becker ist Coach des Trainingsmoduls Leadership Skills, einem Angebot der Graduate School of Chemical and Molecular Sciences Zurich (CMSZH); die nächsten zwei Tage wird er sechs jungen Chemiedoktoranden als Mentor zur Seite stehen.

Intensives, praxisorientiertes Training

«Ich habe schon letztes Jahr an einem Management-Kurs teilgenommen», erzählt Stefan, der nächstes Jahr seine Dissertation abschliessen will. «Dabei habe ich viel über den Führungskräftealltag in Wissenschaft und Wirtschaft erfahren. Das Training war sehr intensiv, da wir den Lernstoff unmittelbar in Gruppenarbeiten anwenden konnten. Zum Beispiel wurden reale Gesprächssituationen simuliert, in denen Führungsfähigkeiten gefragt waren. Diese kurzen Talks haben wir auf Video aufgezeichnet und hinterher ausgewertet. Das Feedback war wirklich aufschlussreich.»

Heute hat der angehende Chemiker Anzug und Krawatte angelegt, um mehr über Teambildungsprozesse, Rekrutierungsinterviews und Kontrollkonzepte zu lernen.

Kursleiter Paul-David Becker (links) und seine Leader von morgen: Das Leadership-Training ermöglicht Insider-Einblicke in das Wirtschaftsleben.

Seit 2008 können Doktoranden der CMSZH praxisorientierte Business-Kurse zu den Themen Communication, Management und Leadership Skills belegen. In Zusammenarbeit mit der Basler Firma sclarida, einem etablierten Büro für Unternehmensentwicklung, engagierte sich der Betreuer des Doktoratsprogramms Roland Sigel für das massgeschneiderte Führungskräftetraining: «Wir wollen unsere Absolventen optimal auf ihre berufliche Laufbahn nach der Dissertation vorbereiten, indem wir ihnen in den Kursen zukunftsbezogen Fertigkeiten vermitteln, die für eine Karriere an der Universität sowie in der Privatwirtschaft unabdingbar sind.»

Win-win-Situation

Das Leadership-Training findet bei einem Industriepartner der Universität Zürich statt: Mettler Toledo, einem der weltweit führenden Hersteller von Messtechnik mit Tochterstandort am Greifensee. Für Bruno Trost, Gründer und Leiter von sclarida, ist hier eine klassische Win-win-Situation entstanden: «Die Firmen nutzen die Kurse als Plattform, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und Potenzialträger zu rekrutieren, und die Doktorierenden erhalten über Gespräche mit den Mitarbeitenden Insider-Einblicke in das Wirtschaftsleben.»

Bevor Silvia, Fivos, Tanja, Stefan, Franziska und Xianghua heute aber Gelegenheit bekommen, ihre erworbenen Kommunikationsgrundlagen in Instant Talks mit Mettler- Toledo-Managern zu testen, steht ihnen ein straffes Kursprogramm bevor. In Teamspielen und Einzelarbeiten sollen sie unter anderem lernen, Mitarbeitergespräche effizient vorzubereiten, Zielvorgaben klar und unmissverständlich zu kommunizieren, bei schwelenden Konflikten als Moderator aufzutreten und Teambildungsprozesse konstruktiv zu beeinflussen.

Doch noch schwitzen sie über ihrer Archäologen-Aufgabe, und die Zeit läuft: Welche der bruchstückhaften Informationen auf den Lehmtafeln sind relevant? Wie können die Hinweise logisch kombiniert werden? Dabei darf nur mündlich diskutiert werden, schriftliche Notizen zur Hilfestellung sind tabu. Die Gruppe rätselt, hangelt sich durch den Info-Dschungel und schrammt am Ende knapp an der Lösung vorbei.

Teamarbeit analysieren

«Ihr ward so nah dran.» Paul-David Becker hat begeistert mitgefiebert: «Im Eifer habt ihr aber unterwegs das Ziel aus den Augen verloren.» In einer After-Action-Review soll nun ein Stellvertreter der Gruppe die Teamarbeit überdenken: Warum wurde das Ziel nicht erreicht? Was kann beim nächsten Mal besser laufen? Als sich kein Freiwilliger findet, gibt sich Becker enttäuscht: «Was ist los mit euch? Ich hätte erwartet, dass jeder von euch aufsteht, um die Arbeit zu analysieren. Denn Leader sein bedeutet: Nach vorne gehen und Verantwortung übernehmen.» Das Machtwort hilft: Einer nach dem anderen packt sich selbst am Schopf, um Aktivität und Dynamik der Gruppenarbeit am Flipchart zu reflektieren. Der Coach, so scheint es, ist mit diesem ersten Schritt sehr zufrieden.

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