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Paläontologie

Koevolution mit Perlen

Schon vor 400 Millionen Jahren lebten Parasiten in ihren Wirten. Das zeigen Funde früher Ammonoideen, einer ausgestorbenen Gruppe schalentragender Kopffüsser aus dem Devon, die auf die Parasiten mit der Bildung von Perlen reagierten. 
Brigitte Blöchlinger

Neues Fossilienmaterial aus dem Antiatlas in Marokko deutet darauf hin, dass schon im Devon, vor 400 Millionen Jahren, Parasiten und ihre Wirte «koevoluierten». Die Paläontologen Kenneth De Baets und Christian Klug von der Universität  Zürich konnten gemeinsam mit Dieter Korn (Museum für Naturkunde, Humboldt-Universität zu Berlin) in den Gehäusen der formschönen Ammonoideen kleine Röhren und Grübchen erkennen, die von Parasiten stammen.

Koevolution von Wirt und Parasit: Kleine Röhren und Grübchen im Gehäuse der Ammonoideen zeugen von Parasiten.

Besagte Röhrchen wuchsen auf der Schaleninnenseite der Ammonoideen und wurden dort von Ammonoideen-Schale überwachsen, wodurch sich festgewachsene Perlen bildeten. Sowohl die Perlen als auch die Parasiten und die Ammonoideen veränderten sich zusammen im Laufe der Evolution. Damit fanden die Forschenden einen der frühesten Hinweise auf eine Koevolution von Wirt und Parasit. Diese Koevolution dauerte rund 15 Millionen Jahre.

Mit Blasenperlen reagieren

«Wir nennen die Ausbuchtungen Perlen», erklärt Christian Klug von der Universität Zürich, «weil sie wie die Perlen in Muscheln durch das Wachsen der Schale um den Parasiten entstanden – ähnlich wie eine Zyste im menschlichen Körper.»

Bei heutigen Parasitosen vergleichen Parasitologen die DNA-basierten Stammbäume von Wirt und Parasit, um Informationen über deren Zusammenleben zu erhalten. Im konkreten Fall der Ammonoideen konnten die Forscher nicht so vorgehen, weil die DNA von Fossilien aus dem Devon nicht überliefert ist.

Sellanarcestes, ein Ammonoidee aus dem Frühen Devon mit einer Doppelreihe grosser, länglicher Perlen, ebenfalls als Abdrücke.

Die Forschenden vermuten, dass es sich bei den Auslösern der  Perlbildungen an den Ammonoideen um Saugwürmer (Trematoden) handelte. Diese Vermutung basiert auf dem Vergleich von heutigen und fossilen Trematoden-Spuren. Auch im Frühen Devon findet man an Muscheln Perlen, die sehr ähnlich sind mit den Perlen in heute noch lebenden verwandten Muscheln, die von Trematoden befallen sind. Ammonoideen sind leider ausgestorben und haben keine heute noch lebenden Verwandten.

Nachweis nur indirekt

«Ein direkter Nachweis von fossilen Trematoden ist fast unmöglich zu führen», sagt Klug. Doch die Ähnlichkeit der Perlen bestätigt die Vermutung der Paläontologen, dass die Saugwürmer – die heute neben Weichtieren verschiedene Wirbeltiere und häufig auch den Menschen befallen – wahrscheinlich bereits vor fast einer halben Milliarde Jahre existierten und damals schon einen komplexen Lebenszyklus entwickelt hatten.

Komplexer Kreislauf

Komplex ist der Lebenszyklus von Trematoden unter anderem deshalb, weil sie bis heute mehrere verschiedene Wirte befallen und dabei verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen, bevor der Zyklus wieder von vorne beginnt.

Wie der Lebenszyklus der Devon-Parasiten, wie ihre Infektionsstrategie und wie ihr ökologisches Umfeld aussahen, kann jedoch nur vermutet werden. Offenbar schädigten die Trematoden ihre Wirte nicht signifikant und verkürzten auch nicht deren Leben, sonst hätten Parasit und Wirt nicht so lange koevoluiert, so Christian Klug. Die Trematoden störten die Ammonoideen nicht besonders, erstere reagierten auf die Trematoden erst im «jugendlichen» und «erwachsenen» Alter, indem sie Perlen bildeten. «Die Ammonoideen konnten offensichtlich mit den Trematoden gut leben», sagt Christian Klug.

Nach 15 Millionen Jahren keine Perlen mehr

Die Parasiten entwickelten sich, wie sich aus der evoluierenden Perlenform schliessen lässt, zusammen mit den Ammonoideen über einen Zeitraum von etwa 15 Millionen Jahren. Danach bildeten die Ammonoideen entweder eine Resistenz gegen die Parasiten, oder erstere bildeten aus einem anderen Grund keine Perlen mehr trotz Befall. Auf jeden Fall fanden sich bisher vergleichbare Perlen nicht auf jüngeren Ammonoideen-Gehäusen.