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Sommerzeit ist Reisezeit, zum Beispiel in die Tropen. Dort erwarten uns neben Kultur, Abenteuer und Erholung auch typische Tropenkrankheiten wie die Malaria. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO erkranken jährlich 250 Millionen Menschen an Malaria.
Die Gefahr, an der Tropenkrankheit Leishmaniose zu erkranken, ist deutlich kleiner. Pro Jahr infizieren sich weltweit ein bis zwei Millionen Menschen. Nicht zuletzt deshalb wird Leishmaniose offiziell zur Gruppe der «vernachlässigten Tropenkrankheiten» («neglected tropical diseases», kurz: NTD) gezählt. Umso wichtiger ist es, dass Wissenschaftler wie Erik Böttger, Professor für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Zürich, die Mechanismen solcher Krankheiten untersuchen. Die Resultate seiner Studien hat er kürzlich im Wissenschaftsjournal PloS veröffentlicht.
Wer in den Tropen von der klitzekleinen Sandmücke gestochen wird, läuft Gefahr, an Leishmaniose zu erkranken. Genau wie die Anopheles-Mücke verschiedene Malariaerreger überträgt, infiziert die Sandmücke ihre Opfer mit dem Leishmania- Erreger.
Beide Tropenkrankheiten werden durch einzellige Tiere, sogenannte Protozoen, ausgelöst. Der Erreger ist also weder ein Bakterium noch ein Virus. Ein Leishmania- Befall betrifft je nach Ausprägung der Krankheit die Haut, Schleimhäute oder gar innere Organe. Die schlimmste Form von Leishmaniose führt – ohne Behandlung – innerhalb von ein bis zwei Jahren zum Tod.
Bei der Behandlung der Leishmaniose kommen spezifische Medikamente gegen Protozoen zum Einsatz. Es gibt aber auch wirksame Medikamente, die ursprünglich für andere Krankheitsbilder entwickelt wurden.
Das Antibiotikum Paromomycin etwa kommt schon länger gegen die Haut- Leishmaniose erfolgreich zur Anwendung. Und dies, obwohl Antibiotika üblicherweise gegen bakterielle Infektionen gerichtet sind. Seit kurzem nun ist Paromomycin auch als Therapie bei der schwersten Form der Leishmaniose – sie betrifft die inneren Organe – zugelassen.
Und bereits liegen erste Erfolge vor. Sie zeigen: Paromomycin macht den Leishmania-Erregern den Garaus. Das freut Erik Böttger zwar, ist ihm aber nicht genug: «Es ist unbefriedigend, nur zu wissen, dass ein Medikament wirkt. Wichtiger ist es, zu verstehen, wie es wirkt, um darauf aufbauend neue wirksame Substanzen entwickeln zu können.»
Wie es der ursprüngliche Bakterienkiller Paromomycin schafft, den Protozoen-Erreger in die Knie zu zwingen, war bislang unklar. Nun haben die Zürcher Forscher den Wirkungsmechanismus von Paromomycin im Falle der Leishmaniose geknackt.
Bei Bakterien greift das Medikament die Proteinfabriken, die sogenannten Ribosomen, an. Das ist fatal, denn ohne Proteine kein Leben. In Protozoen gibt es diese Ribosomen auch, allerdings in zwei verschiedenen Ausführungen. Die einen Proteinfabriken befinden sich in den Mitochondrien, den Energiekraftwerken der Zelle, die anderen ausserhalb, im Cytoplasma.
Im Labor haben die Forscher Bakterien konstruiert, die ihre Proteine mit Leishmania-Ribosomen bauen anstatt mit ihren eigenen. Weil es die Leishmaniose-Proteinfabriken in zwei Ausführungen gibt, wurden zwei Bakteriengruppen konstruiert. Beide haben die Forscher dem Antibiotikum ausgesetzt und analysiert, wie diese auf das Medikament reagieren. Das Resultat: Paromomycin greift jene Ribosomen an, die ausserhalb des Mitochondriums vorkommen.
Theoretisch lassen sich Ribosomen von verschiedensten Protozoen in Bakterien einbauen. «Es ist ein effizientes Instrument, um Medikamente im Kampf gegen die vernachlässigten Tropenkrankheiten zu suchen und zu finden», zeigt sich Böttger mit Verweis auf seine aktuellen Forschungen optimistisch.
Zusammen mit seinem Team hat er die Wirkung von Paromomycin auf den Erreger der Schlafkrankheit getestet. Nach ersten positiven Ergebnissen haben die Forscher der Universität Zürich gemeinsam mit dem Schweizerischen Tropen- und Public- Health-Institut in Basel die Schlafkrankheit in Zellkultur und im Tiermodell untersucht. Die Ergebnisse sind vielversprechend. «Mit unserer Methode können wir abschätzen, ob es sich lohnt, einen Ansatz weiterzuverfolgen oder nicht.» Bei der Schlafkrankheit lohnt es sich auf jeden Fall.