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Ein Mann mit Koffer überquert die Grenze zum Fürstentum, begibt sich in eines der zahlreichen Treuhandbüros und füllt ein Formular zur Gründung einer Stiftung aus. Nach der kurzen Prozedur verlässt er das Ländle wieder – mit leerem Koffer und dem beruhigenden Gefühl, sein Geld vor dem Zugriff des heimatlichen Fiskus in Sicherheit gebracht zu haben.
Hinter diesem Szenario steht ein altbewährtes liechtensteinisches Geschäftsmodell: der Stiftungsverkauf ab Stange. Doch dieses Modell hat keine Zukunft mehr, seit der internationale Druck auf das Fürstentum zur Herstellung von Transparenz im Finanzmarkt gestiegen ist. «Der Liechtensteinische Finanzplatz verändert sich, er muss sich auf seine Stärken jenseits der Anleger-Anonymität besinnen», sagt Helmut Heiss, Ordinarius für Privatrecht, Rechtsvergleichung und Internationales Privatrecht an der Universität Zürich.
Der Finanzplatz Liechtenstein vollzieht daher zur Zeit einen Schwenk hin zur Weissgeldstrategie. Um sich damit international zu behaupten, muss er mit komplexen, langfristig tragfähigen und dabei transparenten Anlageformen punkten. Vermögensverwaltung auf anspruchsvollem Niveau ist gefragt; statt Konfektionsware müssen jetzt massgeschneiderte Lösungen geliefert werden. Damit steigt im Vergleich zum alten Geschäftsmodell auch der Bedarf an hochqualifizierten Juristinnen und Juristen, denn solche komplexen Portfolio-Lösungen bedürfen immer einer rechtlichen Expertise.
Für Helmut Heiss drängt es sich angesichts dieser Bedarfslage geradezu auf, die Universität Zürich zu einer bevorzugten Ausbildungsstätte für zukünftige liechtensteinische Juristinnen und Juristen für das Fürstentum zu machen. «An der UZH können wir das nötige wissenschaftliche Niveau bieten», sagt Heiss. Auch die enge Verflechtung der Finanzplätze Zürich und Liechtenstein führt er als Argument für seine Idee an.
Um seinen Plan Wirklichkeit werden zu lassen, hat Heiss jetzt am Rechtswissenschaftlichen Institut der UZH ein «Zentrum für liechtensteinisches Recht», welches eng mit der Universität Liechtenstein kooperiert, ins Leben gerufen. Am 4. November wurde es im Rahmen einer Tagung an der UZH und im Beisein des liechtensteinischen Regierungspräsidenten Klaus Tschütscher offiziell aus der Taufe gehoben. Neben Helmut Heiss sind die UZH-Professoren Andreas Kellerhals, Anton K. Schnyder und Andreas Kley am Projekt beteiligt. Kooperationspartner an der Universität Liechtenstein ist Professor Francesco Schurr.
Das Zentrum für Liechtensteinisches Recht soll es Studierenden ermöglichen, an der UZH im Rahmen des regulären Studiengangs der Rechtswissenschaften eine Zusatzausbildung in liechtensteinischem Recht zu absolvieren. Der Plan ist, ein Komplettstudium anzubieten für Leute, die nicht nur im schweizerischen, sondern auch im liechtensteinischen Recht sattelfest werden wollen. Zu diesem Zweck organisiert das Zentrum im Rahmen des regulären Wahlpflichtprogramms gezielt Kurse zu jenen Teilen des liechtensteinischen Rechts, die vom schweizerischen Recht abweichen. Diese Kurse werden auf Bachelor- und Master-Stufe in den bestehenden Studiengang der Rechtswissenschaften hineinkonstruiert.
Auf der Master-Stufe ist ausserdem ein Studiengang vorgesehen, der zu zwei Dritteln an der UZH und zu einem Drittel an der Universität Liechtenstein durchgeführt wird. Wer den Studiengang erfolgreich absolviert, erhält zwei Masterdiplome – eines in liechtensteinischem und eines in schweizerischem Recht. Dazu wurde kürzlich ein Memorandum of Understanding zwischen der UZH und der Universität Liechtenstein unterzeichnet.
Die Einführung der Zusatzangebote in liechtensteinischem Recht ist ohne viel zusätzlichen Aufwand möglich, da das liechtensteinische Recht sich aus schweizerischen und österreichischen Komponenten zusammensetzt. Straf- und Zivilrecht zum Beispiel basieren auf österreichischem – , öffentliches Recht und Teile des Wirtschaftsrechts auf schweizerischem Recht. «Wir können, um das Programm an der UZH durchzuführen, weitgehend auf schon bestehende Mittel und Kompetenzen zurückgreifen», sagt Heiss. Ein Finanzierungsbedarf bestehe daher vorerst nicht.
Ein wichtiges Ziel des Zentrums ist zudem, Dissertationen zum liechtensteinischen Recht zu fördern und Doktorierenden, die eine Forschungsarbeit über liechtensteinisches Recht schreiben, gezielter zu betreuen und institutionell besser einzubetten. Heiss schwebt überdies die Lancierung einer eigenen Schriftenreihe zum liechtensteinischen Recht vor. Die liechtensteinische Rechtskultur sei darauf angewiesen, dass zukünftig mehr Forschungsarbeiten über liechtensteinisches Recht geschrieben werden, sagt Heiss. Aus persönlicher Erfahrung als Autor und Gutachter weiss er, dass Juristinnen und Juristen in Liechtenstein immer wieder vor dem Problem stehen, dass die Forschungsliteratur zu dünn gesät ist. «Zu oft bewegt man sich bei der Rechtsauslegung in Liechtenstein noch im Luftleeren», sagt Heiss. Das Zentrum für liechtensteinisches Recht soll hier Abhilfe schaffen.