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Gesunde Ernährung, viel Bewegung, wenig Stress und ausreichend Schlaf, das sind unbestritten wichtige Zutaten für einen gesunden Lebensstil. Doch wie steht es mit sauberen Zähnen? Nagihan Bostanci, Zahnärztin und Postdoktorandin am Institut für Orale Biologie der Universität Zürich, erklärt: «Die meisten Menschen gehen zum Zahnarzt, weil sie sich schönere Zähne wünschen oder ihnen ein Zahn weh tut. Dabei sind saubere, gesunde Zähne und ebensolches Zahnfleisch genauso wichtig für die gesamte Gesundheit wie gute Ernährung oder viel Bewegung.»
Grund dafür ist das Heer an Bakterien, das die Zähne umspült. Von den rund 700 verschiedenen Bakterienarten, die sich im Mund tummeln, sind zwar die allermeisten harmlos, doch einige wenige können Entzündungen des Zahnfleisches, die Parodontitis, verursachen. Putzt man die Zähne einige Tage nicht oder nur ungenügend, bildet sich auf den Zähnen ein Belag aus Bakterien. Solche Ansammlungen von Bakterien heissen Biofilme.
Beim Menschen entstehen Biofilme vor allem auf den Schleimhäuten und sind für eine Reihe von Infektionen verantwortlich, wie Herzinnenhaut-, Mittelohr- und Blasenentzündung und eben Parodontitis. Aufgrund der komplexen dreidimensionalen Struktur der Biofilme sind diese Infektionen oftmals resistent gegenüber den körpereigenen Abwehrmechanismen oder Antibiotika.
Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als achtzig Prozent aller mikrobiellen Infektionen beim Menschen auf Biofilme zurückgehen und diese weltweit rund 6.5 Milliarden Dollar Gesundheitskosten pro Jahr verursachen. Von den durch Biofilme verursachten Erkrankungen ist die Parodontitis vermutlich die häufigste. Gemäss Studien sind bis zu neunzig Prozent der Bevölkerung weltweit davon betroffen. Allerdings ist der Schweregrad der Erkrankung sehr unterschiedlich und reicht von harmlosem Zahnfleischbluten bis zum Zahnausfall.
Meist reagieren die Patienten erst, wenn die Erkrankung schon weit fortgeschritten ist. Man rechnet damit, dass etwa zehn Prozent der Bevölkerung an einer chronischen Parodontitis leiden, die nicht auf die herkömmlichen Behandlungsmethoden wie sorgfältige Zahnreinigung und Antibiotika anspricht. Doch eben nicht nur die Zähne sind bei der Parodontitis betroffen. Gelangen die Keime nämlich in den Blutkreislauf, können sie sich in anderen Organen wie zum Beispiel dem Herzen ansiedeln und dort weitere Entzündungen auslösen.
Von schwangeren Frauen weiss man, dass eine Parodontitis zur Frühgeburt führen oder das ungeborene Kind ernsthaft schädigen kann. «Parodontitis ist ein weitverbreitetes und ernsthaftes Gesundheitsproblem mit Auswirkungen auf die Gesundheit des ganzen Menschen. Gleichzeitig ist noch weitgehend unbekannt, wie die Entzündung genau abläuft und warum manche Menschen eine schwere Parodontitis entwickeln und andere nicht», erläutert Bostanci, die sich seit mehr als zehn Jahren mit Parodontitis beschäftigt.
Seit September 2010 leitet sie zudem ein Projekt, das Vorgänge bei der Parodontitis molekularbiologisch untersucht. Sie wird dabei vom Forschungskredit der Universität Zürich unterstützt.
Bisherige Studien zur Parodontitis haben die komplexe Struktur der Biofilme nur ungenügend berücksichtigt. Das erste Ziel von Bostanci ist es deshalb, ein neues in-vitro-Modell der Parodontitis zu entwickeln, mit dessen Hilfe das Wechselspiel zwischen Organismus und Biofilm simuliert werden kann. Gelingt es, ein solches Modell in-vitro zu erzeugen, kann auf Tierversuche weitgehend verzichtet werden.
Dazu züchtet Bostanci im Labor Zahnfleischgewebe und parallel dazu Biofilme aus zehn verschiedenen Bakterienarten, die nachweislich bei der Entstehung der Parodontitis eine Rolle spielen. Haben sowohl Bakterien als auch Zahnfleischgewebe den gewünschten Entwicklungsstand erreicht, wird der Biofilm auf das Gewebe aufgetragen.
In vordefinierten Zeitabständen werden Proben in Bezug auf angeschaltete Gene (Genomik) und produzierte Proteine (Proteomik) untersucht. Diesen Teil der Arbeit übernimmt das «Functional Genomics Center Zurich», eine Zusammenarbeit der Universität Zürich und der ETH Zürich. Bostanci: «Ich hoffe, dass das Verständnis der genauen Abläufe bei der Parodontitis irgendwann einmal zu verbesserten Behandlungsmöglichkeiten führen wird und gleichzeitig auch als Modell für andere Infektionen beim Menschen durch Biofilme dienen kann.»
Bostanci schätzt die grosse Unterstützung, die sie vom Institut für Orale Biologie erhält und betont die enorme Bedeutung des Forschungskredites für ihre Arbeit: «Der Forschungskredit ermöglicht es mir, die Basis für eine eigene, selbständige Forschung zu legen. Nach Ablauf des Jahres möchte ich meine Forschung gerne mit weiteren Drittmitteln fortführen und eine eigene Forschungsgruppe etablieren.» Natürlich auf dem Gebiet der Parodontitis-Forschung.