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Chemie: Frühlingstagung

Wasserstoff, der Energieträger der Zukunft?

An der Frühlingstagung der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft debattieren heute Donnerstag Spezialisten aus dem In- und Ausland über die chemische Speicherung von Wasserstoff (H₂). Heinz Berke, Professor für Anorganische Chemie, Universität Zürich, hält den Durchbruch von H₂ als Energieträger der Zukunft nur für eine Frage der Zeit.  
Claudio Zemp

Wasserstoff ist das häufigste Element im All. Die unbestrittene Nummer eins des Periodensystems verbrennt völlig emissionsfrei. Deshalb gilt das leichteste chemische Element überhaupt als Energieträger der Zukunft. «Doch dazu müssen einige grundlegende Probleme gelöst werden», sagt Professor Heinz Berke vom Institut für Anorganische Chemie (ACI) an der UZH. Berkes Abteilung forscht an chemischen Reaktionen, welche die zwei Wasserstoff-Atome spalten. So werden in den chemischen Labors der UZH auf dem Irchel neue Katalysatoren entwickelt, also eigentliche «Spalter» für das Wasserstoff-Molekül, ohne die eine Nutzung der Energie nicht denkbar ist. Die besten Katalysatoren, welche Wasserstoff umsetzen können, sind bisher solche mit Edelmetallen. Weil diese aber sehr teuer und rar sind, sucht die Wasserstoff-Chemie nach Katalysatoren mit billigen und häufigen Metallen.

Faszinierend, aber schwer zu kontrollieren: Leuchtender Wasserstoff in einer Spektralröhre.

Schwer kontrollierbar

«Das ist eine Challenge. Aber für Akademiker wird’s immer dann interessant, wenn es Probleme gibt», sagt Berke. Das Hauptproblem des Wasserstoffs ist seine Flüchtigkeit. Als Gas lässt er sich schlecht einsperren. Die Speicherung sei bis jetzt weder ökonomisch noch ökologisch befriedigend gelöst, so der H₂-Spezialist der UZH. Das gilt für die physikalischen Speicherungsmethoden – Druck oder Flüssigkeit: Die Herstellung von flüssigem Wasserstoff braucht sehr viel Energie, weil er auf minus 250 Grad Celsius gekühlt werden muss; und auch in eine Druckflasche bringt man weniger Wasserstoff, als die Flasche wiegt. Dazu kommt der so genannte «Spillover»-Effekt. Wasserstoff lasse sich nie 100-prozentig isolieren, erklärt Berke: «Es gibt immer Verluste, so dass in jedem Tank rund 15 Prozent des Energieinhalts pro Füllung verdampft, ohne dass die Energie genutzt würde.»


Konkurrenz der Speichermethoden

Neben den physikalischen Methoden zur Speicherung von Wasserstoff werden eine ganze Reihe von chemischen Speicherarten geprüft. «Es werden verschiedene Wege eingeschlagen, aber es gibt noch kein Patentrezept», sagt der Wasserstoffchemiker. So kann der Wasserstoff etwa aus den Kohlenwasserstoff-Verbindungen im Erdöl und Erdgas herausgelöst werden. Aus Methan wird heute denn auch der weitaus meiste Wasserstoff hergestellt, etwa für die chemische Industrie. Diese Methode ist zudem die billigste. «Doch auch in den Kohlenwasserstoffen ist der Wasserstoff schlecht gespeichert, weil Sie sehr viel Energie brauchen, um ihn freizusetzen», sagt Berke. In der Praxis verbrennt man Kohlenwasserstoffe einfacher gleich mit dem Kohlenstoff zusammen, was allerdings nicht ohne CO₂-Emissionen geht.

UZH-Chemiker Heinz Berke glaubt an den Wasserstoff als Energieträger: «Die Frage ist nur, in welchem Ausmass der Wasserstoff angewendet wird.»

Wasserstoff kann auch in chemischen Legierungen gespeichert werden, also in Verbindungen von Metallen. Diese haben aber den Nachteil, dass sie in der Regel seltene Erdmetalle enthalten. Und die Speicherkapazität ist ebenfalls sehr beschränkt: Um ein Kilo Wasserstoff zu speichern, braucht es 33 bis 100 Kilo der Legierung.

Patronen statt Tank

Am «spring event» der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft von Donnerstag, dessen Gastgeber das ACI an der UZH ist, werden weitere Varianten der chemischen Speicherung von Wasserstoff vorgestellt, an denen weltweit geforscht wird. Zum Beispiel die reine chemische Speicherung in so genannten Borazanen. Diese Bor-Stickstoff-Verbindungen nehmen Wasserstoff ähnlich auf wie die Kohlenwasserstoffe, binden sie aber viel weniger stark. Man kann den Wasserstoff also viel leichter ablösen. «Das Problem ist im Augenblick aber noch, diesen Prozess reversibel zu gestalten», sagt Berke. Dies soll in den USA zur Zeit so gelöst werden, dass man Wasserstoff nicht in Tanks, sondern in Form von Kartuschen in Fahrzeuge einsetze. Das Auftanken funktioniert nach dem Tintenpatronen-Prinzip: Ist die Energie verbraucht, setzt man im Auto eine neue Kartusche ein, während die alte im Werk neu aufbereitet wird.

Energieträger mit Zukunft

Es gibt weitere Felder von chemischer Speicherung, in denen experimentiert wird. Ob die Probleme je gelöst werden und mit welcher Methode, ist offen. Trotzdem hat Berke keine Zweifel, dass der Wasserstoff als Energieträger eine Zukunft hat: «Ich bin sicher, dass der Wasserstoff als Energieträger kommt. Aber ich weiss nicht, in welchem Ausmass.»

Selten sauberes Exemplar: Mit Wasserstoff betriebenes Putzfahrzeug der EMPA, das in Schweizer Städten getestet wird.

So habe Japan bereits heute ein weit entwickeltes Netz von mehr als 200 Wasserstoff-Tankstellen und passenden Fahrzeugen auf dem Markt. Die japanische Autoindustrie und Stahlproduzenten haben sich aus eigenem Antrieb das Ziel gesetzt, bis 2015 eine Million Wasserstoff-Autos auf der Strasse zu haben. Möglich ist dies durch ein Tankstellennetz in der Nähe der zahlreichen Stahlfabriken Japans, die für die Veredelung selbst sehr grosse Mengen an Wasserstoff brauchen. Die Verwendung von Wasserstoff als Antrieb für Motoren lohnt sich dort am ehesten, wo er bereits verfügbar ist.  

Wasserstoff aus Wasser

Nach Ansicht des Grundlagenforschers wird sich die Wasserstoff-Nutzung auch im Umfeld der Atomenergie durchsetzen. Mit der Überschussenergie von neuen Atomkraftwerken lasse sich aus Wasser Wasserstoff gewinnen, sei es durch Wärme oder Elektrizität.

Neben der bisher ungelösten Speicherfrage ist der Aufwand für die Herstellung von Wasserstoff aber immer noch relativ gross, entsprechend teuer und bis heute mehrheitlich nicht ohne CO₂-Emissionen möglich. Sollten diese Hindernisse überwunden werden, steht dem Wasserstoff-Auto aber nichts mehr im Weg: Denn um die Energie für den Antrieb zu erzeugen, ist der Wirkungsgrad von Wasserstoff jenem des Verbrennungsmotors bereits heute überlegen, sowohl bei reiner Verbrennung wie bei stiller Verbrennung der Brennstoffzelle. Die Fortschritte der Forschung in diesem Bereich lassen auch punkto Speicherung weiter auf einen Durchbruch hoffen. Berke ist überzeugt: «Eine Wasserstoff-Oekonomie wird nicht auf einen Schlag eingeführt, sondern schrittweise.»