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Wasserstoff ist das häufigste Element im All. Die unbestrittene Nummer eins des Periodensystems verbrennt völlig emissionsfrei. Deshalb gilt das leichteste chemische Element überhaupt als Energieträger der Zukunft. «Doch dazu müssen einige grundlegende Probleme gelöst werden», sagt Professor Heinz Berke vom Institut für Anorganische Chemie (ACI) an der UZH. Berkes Abteilung forscht an chemischen Reaktionen, welche die zwei Wasserstoff-Atome spalten. So werden in den chemischen Labors der UZH auf dem Irchel neue Katalysatoren entwickelt, also eigentliche «Spalter» für das Wasserstoff-Molekül, ohne die eine Nutzung der Energie nicht denkbar ist. Die besten Katalysatoren, welche Wasserstoff umsetzen können, sind bisher solche mit Edelmetallen. Weil diese aber sehr teuer und rar sind, sucht die Wasserstoff-Chemie nach Katalysatoren mit billigen und häufigen Metallen.
«Das ist eine Challenge. Aber für Akademiker wird’s immer dann interessant, wenn es Probleme gibt», sagt Berke. Das Hauptproblem des Wasserstoffs ist seine Flüchtigkeit. Als Gas lässt er sich schlecht einsperren. Die Speicherung sei bis jetzt weder ökonomisch noch ökologisch befriedigend gelöst, so der H₂-Spezialist der UZH. Das gilt für die physikalischen Speicherungsmethoden – Druck oder Flüssigkeit: Die Herstellung von flüssigem Wasserstoff braucht sehr viel Energie, weil er auf minus 250 Grad Celsius gekühlt werden muss; und auch in eine Druckflasche bringt man weniger Wasserstoff, als die Flasche wiegt. Dazu kommt der so genannte «Spillover»-Effekt. Wasserstoff lasse sich nie 100-prozentig isolieren, erklärt Berke: «Es gibt immer Verluste, so dass in jedem Tank rund 15 Prozent des Energieinhalts pro Füllung verdampft, ohne dass die Energie genutzt würde.»
Neben den physikalischen Methoden zur Speicherung von Wasserstoff werden eine ganze Reihe von chemischen Speicherarten geprüft. «Es werden verschiedene Wege eingeschlagen, aber es gibt noch kein Patentrezept», sagt der Wasserstoffchemiker. So kann der Wasserstoff etwa aus den Kohlenwasserstoff-Verbindungen im Erdöl und Erdgas herausgelöst werden. Aus Methan wird heute denn auch der weitaus meiste Wasserstoff hergestellt, etwa für die chemische Industrie. Diese Methode ist zudem die billigste. «Doch auch in den Kohlenwasserstoffen ist der Wasserstoff schlecht gespeichert, weil Sie sehr viel Energie brauchen, um ihn freizusetzen», sagt Berke. In der Praxis verbrennt man Kohlenwasserstoffe einfacher gleich mit dem Kohlenstoff zusammen, was allerdings nicht ohne CO₂-Emissionen geht.
Wasserstoff kann auch in chemischen Legierungen gespeichert
werden, also in Verbindungen von Metallen. Diese haben aber den Nachteil, dass
sie in der Regel seltene Erdmetalle enthalten. Und die Speicherkapazität ist
ebenfalls sehr beschränkt: Um ein Kilo Wasserstoff zu speichern, braucht es 33
bis 100 Kilo der Legierung.
Am «spring event» der
Schweizerischen Chemischen Gesellschaft von Donnerstag, dessen Gastgeber das
ACI an der UZH ist, werden weitere Varianten der chemischen Speicherung von Wasserstoff vorgestellt,
an denen weltweit geforscht wird. Zum Beispiel die reine chemische Speicherung
in so genannten Borazanen. Diese Bor-Stickstoff-Verbindungen nehmen Wasserstoff
ähnlich auf wie die Kohlenwasserstoffe, binden sie aber viel weniger stark. Man
kann den Wasserstoff also viel leichter ablösen. «Das Problem ist im Augenblick
aber noch, diesen Prozess reversibel zu gestalten», sagt Berke. Dies soll in
den USA zur Zeit so gelöst werden, dass man Wasserstoff nicht in Tanks, sondern in
Form von Kartuschen in Fahrzeuge einsetze. Das Auftanken funktioniert nach dem
Tintenpatronen-Prinzip: Ist die Energie verbraucht, setzt man im Auto eine neue
Kartusche ein, während die alte im Werk neu aufbereitet wird.
Es gibt weitere Felder von chemischer Speicherung, in denen experimentiert wird. Ob die Probleme je gelöst werden und mit welcher Methode, ist offen. Trotzdem hat Berke keine Zweifel, dass der Wasserstoff als Energieträger eine Zukunft hat: «Ich bin sicher, dass der Wasserstoff als Energieträger kommt. Aber ich weiss nicht, in welchem Ausmass.»
So habe Japan bereits heute ein weit entwickeltes Netz von mehr als 200 Wasserstoff-Tankstellen und passenden Fahrzeugen auf dem Markt. Die japanische Autoindustrie und Stahlproduzenten haben sich aus eigenem Antrieb das Ziel gesetzt, bis 2015 eine Million Wasserstoff-Autos auf der Strasse zu haben. Möglich ist dies durch ein Tankstellennetz in der Nähe der zahlreichen Stahlfabriken Japans, die für die Veredelung selbst sehr grosse Mengen an Wasserstoff brauchen. Die Verwendung von Wasserstoff als Antrieb für Motoren lohnt sich dort am ehesten, wo er bereits verfügbar ist.
Nach Ansicht des Grundlagenforschers wird sich die Wasserstoff-Nutzung auch im Umfeld der Atomenergie durchsetzen. Mit der Überschussenergie von neuen Atomkraftwerken lasse sich aus Wasser Wasserstoff gewinnen, sei es durch Wärme oder Elektrizität.
Neben der bisher ungelösten Speicherfrage ist der Aufwand für die Herstellung von Wasserstoff aber immer noch relativ gross, entsprechend teuer und bis heute mehrheitlich nicht ohne CO₂-Emissionen möglich. Sollten diese Hindernisse überwunden werden, steht dem Wasserstoff-Auto aber nichts mehr im Weg: Denn um die Energie für den Antrieb zu erzeugen, ist der Wirkungsgrad von Wasserstoff jenem des Verbrennungsmotors bereits heute überlegen, sowohl bei reiner Verbrennung wie bei stiller Verbrennung der Brennstoffzelle. Die Fortschritte der Forschung in diesem Bereich lassen auch punkto Speicherung weiter auf einen Durchbruch hoffen. Berke ist überzeugt: «Eine Wasserstoff-Oekonomie wird nicht auf einen Schlag eingeführt, sondern schrittweise.»