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UZH News

Weltdiabetestag 2011

«Die Kosten explodieren»

Am Weltdiabetestag, Montag, 14. November 2011, findet an der UZH eine grosse Informationsveranstaltung statt. Aufklärung sei wichtig, um der weiteren Ausbreitung der Volkskrankheit Diabetes Einhalt zu gebieten, sagt der UZH-Professor und Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie, Giatgen A. Spinas.
Marita Fuchs

Herr Spinas, welches ist die Kernbotschaft, die zum diesjährigen Diabetestag vermittelt werden sollte?

Der Diabetestag soll weltweit auf die medizinischen Hintergründe sowie die gesellschaftlichen und sozioökonomischen Folgen der Krankheit Diabetes hinweisen. Die Zahlen sprechen hier für sich:

Diabetes breitet sich weltweit immer mehr aus. Die Dimension des Problems ist  vielen Menschen nicht bewusst. In der Schweiz sind momentan rund eine halbe Million Menschen an Diabetes erkrankt. Diabetes ist ein gravierendes Problem. Nicht nur in medizinischer, sondern auch in gesellschaftlicher und sozioökonomischer Hinsicht.

Weltdiabetestag: Auf die medizinischen Risiken und die hohen gesellschaftlichen Kosten aufmerksam machen.

Nach einer an unserer Klinik durchgeführten Studie verursacht eine Diabeteserkrankung des Typs 2, des so genannten Altersdiabetes, pro Jahr etwa 2'000 Franken direkte medizinische Kosten, sofern sie ohne Komplikationen verläuft. Kommen Folgekrankheiten hinzu, etwa die Erkrankung der Niere, der Augen und der Blutgefässe, können die Kosten pro Person und Jahr jedoch auf 9'000 Franken steigen. Man schätzt, dass in der Schweiz etwa fünf Prozent der Kosten des Gesundheitswesens durch Diabetes verursacht werden. In den USA sind es sogar 13 Prozent, der weltweite Schnitt liegt bei 11,6 Prozent.

In der Schweiz hat knapp jeder zehnte Diabetiker einen Diabetes Typ1, wie kommt es zu dieser Krankheit?

Die Krankheit tritt in der Regel im Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter bis zum vierzigsten Lebensjahr auf. Sie kann aber in einem Drittel der Fälle auch später ausbrechen. Diabetes mellitus Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse zerstört werden. Damit versiegt die Insulinproduktion und die  Erkrankten benötigen lebenslang Insulininjektionen, in der Regel 4 bis 5 pro Tag.

Giatgen A. Spinas, UZH-Professor und Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie: «In der Schweiz werden etwa 5 % der Gesundheitskosten durch Diabetes verursacht.»

Menschen mit Typ 1 Diabetes sind immungenetisch zu dieser Krankheit veranlagt. Sie sind Träger bestimmter Allele des HLA-Komplexes . HLA steht für «humane Leukozyten-Antigene». Diese sind  für die Regulation und Kontrolle der Immunantwort verantwortlich. Über 90 Prozent der Patienten mit Typ 1 Diabetes besitzen die HLA Allele  DR4 und DQ8. Das Vorhandensein dieser genetischen Merkmale bedeutet aber nicht, dass man unbedingt einen Typ 1 Diabetes entwickelt. Damit die gegen die Betazellen gerichtete Autoimmunreaktion ausgelöst wird, ist ein Trigger, ein exogener Faktor, über den man – wie bei vielen anderen Autoimmunerkrankungen auch – noch wenig weiss, notwendig. Virusinfekte, Umweltfaktoren oder Nahrungsbestandteile könnten die Ursache sein. Es wird intensiv daran geforscht, wie das Immunsystem und die Umwelt interagieren.

Was macht den Unterschied aus zwischen Diabetes Typ 1 und 2?

Diabetes Typ 2 ist eine Störung der Insulinwirkung, die durch Übergewicht und ungesunde Ernährung ausgelöst wird. Die  Betazellen der Bauchspeicheldrüse produzieren zunächst noch genügend Insulin, um den durch die Insulinresistenz bedingten erhöhten Bedarf zu  kompensieren, können aber in einer späteren Phase der Krankheit langsam zerstört werden. Es besteht also ein relativer Insulinmangel – im Unterschied zum absoluten Insulinmangel bei Typ 1. Im Gegensatz zum Typ 1 Diabetes tritt der Typ 2 Diabetes «schleichend» auf und wird demzufolge häufig zu spät erkannt wird. Es gibt schätzungsweise 200 000 Menschen in der Schweiz, die an Diabetes Typ 2 erkrankt sind, ohne ihre Krankheit zu bemerken.

Beim Typ 2 Diabetes spielt die Vererbung eine entscheidende Rolle. Hang zum Übergewicht, erhöhter Blutdruck und gestörte Blutfette werden meistens gemeinsam, als so genanntes metabolisches Syndrom, weitervererbt.   Wenn sich Patienten mit Typ 2 Diabetes gesund ernähren, ihr Gewicht kontrollieren und sich regelmässig körperlich betätigen, ist ihre Krankheit «heilbar», das  heisst, der Blutzucker kann ohne Medikamente oder Insulin normalisiert werden, was beim Typ 1 Diabetes leider nicht möglich ist.

Nicht nur bei uns in der Schweiz, in Indien, China und im Nahen Osten steigt die Zahl der Diabeteserkrankten explosionsartig. Warum ist das so?

Ursachen sind eine ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung und das daraus resultierende Übergewicht. Laut Schätzungen der International Diabetes Federation IDF werden bis zum Jahr 2030 bereits gegen 500 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt sein. Wir müssen weltweit das Übergewicht bekämpfen und mehr in die Prävention investieren.

Laura Walde, eine Studentin der UZH, die selbst an Diabetes erkrankt ist, hat  unter dem Namen «honey» eine neue Plattform für Betroffene eingerichtet. Was sagen Sie dazu?

Ich begrüsse diese Initiative sehr und unterstütze sie auch, denn diese Initiative entspricht exakt den Aufklärungsbemühungen unserer Klinik. Ich freue mich auch über die Aktion, die Laura Walde an der UZH speziell zum Weltdiabetestag organisiert hat – mit Informationsmöglichkeiten im Lichthof des Hauptgebäudes der UZH und einer Lichtinstallation des Künstlers Gerry Hofstetter.