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«Dass beide Preisträger aus Deutschland stammen», betonte Roger de Weck, Publizist, SRG-Generaldirektor und einer der Moderatoren des Abends, «freut mich persönlich.» Die Schweiz könne sich glücklich schätzen, dass so viele talentierte Köpfe aus dem deutschsprachigen und internationalen Ausland zum Studieren, Forschen und Arbeiten ins Land kämen. Ausgezeichnet mit dem Mercator-Preis 2011 in Höhe von je 7500 Franken wurden zwei Nachwuchswissenschaftler, die in ihren Projekten «Veränderungen erforschten», wie es im Programmheft heisst.
Oder wie es Jurymitglied François Verrey, Vorsteher des Physiologischen Instituts, formulierte: «Das waren einfach coole Projekte, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen Resultate überzeugten, aber auch Nicht-Spezialisten thematisch fesseln konnten.»
Die erste Preisträgerin – von der interdisziplinären Jury unter sieben jungen Wissenschaftlern ausgewählt – ist die Informatikerin Katharina Reinecke. Die Hamburgerin, die letztes Jahr ihre Doktorarbeit am Institut für Informatik der UZH abschloss, hat in ihrem herausragenden Projekt so genannte «kulturell-adaptive Benutzeroberflächen» mitentwickelt – eine Methode, die es Internetseiten und anderen Softwareprogrammen ermöglicht, automatisch Design und Benutzerführung an kulturelle Präferenzen ihrer User anzupassen.
Die Idee dazu kam ihr bei einem Studienaufenthalt in Ruanda, als ihre programmierte und aufwendig gestaltete Lernsoftware für Agrarwissenschaftler bei den Forschern vor Ort auf wenig Gegenliebe stiess: zu viel Text, zu kleine Bilder, insgesamt zu wenig emotional. «Die Ruander vermissten ausserdem einen Avatar, der sie durch das Programm navigierte. Von der Microsoft-Büroklammer zum Beispiel, die in westlichen Ländern kaum geschätzt wird, waren die afrikanischen Wissenschaftler begeistert.»
Zurück in Zürich brachten Website-Analysen und Benutzertests Katharina Reinecke zu der Erkenntnis: Unsere Kultur bestimmt, wie wir denken, wie wir Informationen wahrnehmen, und welche ästhetischen Präferenzen wir haben. «User aus den USA, Europa, Asien, Afrika und Australien verhalten sich bei der Nutzung von Web-Seiten und Softwareprogrammen deutlich unterschiedlich.» Viele asiatische Firmen, beispielsweise China Mobile, der weltweit grösste Mobilfunkanbieter, würden bereits zur Steigerung von Zufriedenheit, Vertrauen, Effizienz und Wirtschaftlichkeit speziell designte Web-Seiten für englischsprachige Nutzer zur Verfügung stellen.
Das Bedürfnis, so Reinecke, nach einer automatischen Generierung verschiedener Versionen einer Website – je nach kultureller Zugehörigkeit – sei gross. Mit der von ihr entwickelten Applikation «Mocca», einer «kulturell-adaptiven to-do-Liste», die sich in Struktur und Ästhetik an über 100.000 Benutzer anpassen kann, ist der Nachwuchsforschenden ein erster Schritt in diese zukunftsweisende Richtung gelungen: «Der Nutzer gibt bei der Registrierung kulturspezifische Angaben wie Sprache, Wohnort, Auslandsaufenthalte, Religionszugehörigkeit, Ausbildung und Alter an, und erhält dann eine auf ihn zugeschnittene Benutzeroberfläche.»
Sie möchte «auf jeden Fall dranbleiben am Thema», liess Katharina Reinecke, die zurzeit einen Postdoc-Aufenthalt an der Harvard School of Engineering and Applied Sciences, USA, absolviert, ihre Zuhörer zum Abschluss ihrer Projektpräsentation wissen: Als nächstes gehe es darum, bestehende Applikationen in ihre Softwareprogramme zu integrieren.
Der zweite Preisträger des Abends ist der Biologe Dominique Förster vom Institute of Molecular Life Sciences der UZH. Die Frage de Wecks, ob er mit seiner Dissertation zur Gefässentwicklung am Modell der Fruchtfliege «Drosophila» einen Beitrag zur Krebsforschung geleistet habe, bejahte der junge Wissenschaftler zwar, bekräftigte aber gleichzeitig: «Ziel meiner Arbeit ist nicht primär die Heilung von Krankheiten. Es geht vielmehr darum, durch Grundlagenforschung neues Wissen zu schaffen.»
In seiner Präsentation fasste der Nachwuchswissenschaftler Ziel und Ergebnis seiner Forschung prägnant zusammen: Lebenswichtige Organe wie Lunge, Niere oder Blutgefässe sind aus sogenannten epithelialen Röhren, ein- oder mehrschichtigen Gewebearten, aufgebaut. Um ihre Funktionen im Körper – den Transport von Luft oder Körperflüssigkeiten – erfüllen zu können, müssen diese Röhren die optimale Grösse und Form einhalten. Fehlerhafte Röhrenentwicklungen können Krankheiten, zum Beispiel Gefässverengungen oder polyzystische Nierenerkrankungen, zur Folge haben.
«Da man die zugrunde liegenden molekularen und zellulären Mechanismen der Röhrengrössenregulation aber noch nicht verstanden hat, existieren auch keine kausalen Therapien für die genannten Krankheiten.» Untersuchungen an einfachen Modellorganismen wie der Fruchtfliege, so Förster, könnten aber zu Erkenntnissen führen, die auf den Menschen übertragbar sind. «Zum Studium der Gefässentwicklung verwende ich daher das Tracheensystem, die Luftröhren, der Fruchtfliege.»
Dominique Förster habe einen wertvollen Beitrag zur Grundlagenforschung geleistet, lobte François Verrey in seiner Würdigung. Sein Verdienst sei die Identifizierung zweier Gene der Fruchtfliege, die die Entwicklung – Verlängerung und Ausweitung – der Tracheen regulierten. Das erste Gen, das die Röhrenverlängerung steuere, sei zudem eng verwandt mit dem Onkogen «Src», das beim Menschen in mutierter Form zur Entstehung von Krebs beitragen könne.
Der 28-jährige Biologe möchte nach Abschluss seiner Doktorarbeit in der Forschung bleiben: «Diese grundlegenden Prozesse – wie Gefässe ihre Grösse kontrollieren – werden mich wohl noch in Zukunft beschäftigen.»