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SNF-Förderungsprofessuren

Asbest: Die Zahl der Neuerkrankungen wird steigen

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) hat von insgesamt 177 Kandidierenden 41 für eine Förderungsprofessur ausgewählt. 6 davon gehen an die Universität Zürich. UZH News stellt in loser Folge die neuen Professorinnen und Professoren vor. Heute die Medizinerin Isabelle Schmitt-Opitz mit ihren Forschungen über die Folgen der Inhalation von Asbeststaub.
Interview: Marita Fuchs

UZH News: Frau Schmitt-Opitz, Sie sind Oberärztin für Thoraxchirurgie und forschen über das maligne Pleuramesotheliom. Diese Krebsform tritt als Spätfolge der «Wunderfaser» Asbest auf, die bis in die siebziger Jahre in grossem Stil als Baumaterial eingesetzt wurde. Erst viel später stellte man fest, dass die Inhalation von Asbeststaub für die Gesundheit gefährlich ist. Die Latenzzeit der Erkrankung beträgt 20 bis 40 Jahre. Wie gross ist die Gefahr für den Einzelnen?

Isabelle Schmitz-Optiz: Asbest findet sich überall. Die Asbestfasern in der Luft stammen teilweise aus der natürlichen Erosion von asbesthaltigem Oberflächengestein oder aus der früheren industriellen Verwendung von Asbest. Materialien, die Asbest enthalten, sind in stark gebundener Form vor allem Asbest-Zementprodukte aus dem Hoch- und Tiefbau, Blumenkisten, Bremsbeläge oder Dichtungen. In schwachgebundener Form kommt Asbest vor allem in Isolationsmaterial vor.

Isabelle Schmitt-Opitz, Oberärztin für Thoraxchirurgie, Universitätsspital Zürich: «Das Pleuramesotheliom führt unbehandelt häufig in weniger als einem Jahr zum Tod.»

Die Schädigung ist selbstverständlich abhängig von der Exposition, das heisst, wie lange und wie stark man dem Asbest ausgesetzt war. Das Risiko steigt mit der kumulativen Asbestdosis, den so genannten Faserjahren.

Gibt es unterschiedliche Asbestfasern?

Einzelne Fasern haben einen unterschiedlichen Einfluss. Asbest der Amphibolgruppe – Braunasbest und Blauasbest – ist wahrscheinlich gesundheitsgefährdender als Chrysotil oder Weissasbest, der technisch eine weitaus breitere Anwendung fand als zum Beispiel Asbestzement.

Was macht Asbest denn überhaupt so gefährlich?

Das Kritische am Asbest ist die Geometrie der Fasern; durch eine Faserlänge von mehr als 5 μm und einem Durchmesser von maximal 3 μm gelangen sie in die Lungenbläschen, von wo aus sie ihre schädigende Wirkung entfalten.

Mit einer mehrjährigen Latenz entstehen Krankheiten wie die Asbestose, der Staublungenkrankheit, die zur Vernarbung des Lungengewebes führt, oder Lungenkrebs. Es können sich auch Tumore des Brustfells – das maligne Pleuramesotheliom – ausbilden. Das Pleuramesotheliom ist ein besonders aggressiver Tumor mit sehr schlechter Prognose und führt unbehandelt häufig in weniger als einem Jahr zum Tod.

Wird denn Asbest – trotz der Gefahren – weiterhin verwendet?

In der Schweiz gilt seit 1990 ein breites Asbestverbot. Weltweit werden asbesthaltige Produkte jedoch weiterhin an einigen Orten produziert und exportiert: nach Indien oder in andere Länder, die kein Asbestverbot haben.

Aufgrund einer weit verbreiteten Verwendung von asbesthaltigen Bauprodukten vor allem in den 1950er bis 70er Jahren und der langen Latenzzeit bis zum Ausbrechen der Erkrankung rechnen Epidemiologen weiterhin mit einem Ansteigen der Neuerkrankungen.

Wo liegt der Grenzwert der Belastung?

Ganz grundsätzlich kann von asbesthaltigen Produkten, die vor dem Asbestverbot verwendet wurden, eine Gesundheitsgefährdung ausgehen. Dabei ist jegliche mechanische Bearbeitung, zum Beispiel im Rahmen von Renovierungsarbeiten, gefährlich, weil dabei teils grosse Mengen an Asbest freigesetzt werden. Bei normaler Nutzung sind die Risiken bei den meisten Bauprodukten jedoch gering.

Malignes Pleuramesotheliom (Schaubild links) als Folge von Asbest: Der Tumor geht vom Brustfell aus und ist besonders aggressiv.

Die Suva geht ab einer kumulativen Asbestdosis von 0,1 Faserjahren davon aus, dass die Anzahl der Tumor-Neuerkrankungen diejenige in der Allgemeinbevölkerung zu übersteigen beginnt. Die angegebene Dosis von 0,1 Faserjahren entspricht einer durchschnittlichen Arbeitsplatzkonzentration von 0,1 alveolengängigen Fasern pro Milliliter Atemluft während eines Arbeitsjahres.

Was genau wollen Sie in den nächsten vier Jahren erforschen?

Im Rahmen dieser Förderungsprofessur habe ich einen 4-Jahres-Plan erstellt, den ich zusammen mit meinem Forschungsteam und in Kollaboration mit Anderen im Sinne einer «TaskForceMesothelioma» angehen möchte. Die Task Force besteht aus einem gut etablierten Netzwerk von Medizinern und Biologen, welche die Erkrankungen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln erforschen, angefangen von der Entstehung bis hin zur Behandlung.

Aktuell wird das Pleuramesotheliom weltweit am häufigsten mit einer sogenannten multimodalen Therapie mit mehreren Behandlungsschritten, bestehend aus Chemotherapie, Operation und eventuell sogar noch Bestrahlung, behandelt. Die Thoraxchirurgie des Universitätsspitals Zürich unter Leitung von Professor Weder stellt ein Referenzzentrum für die Behandlung dieser Tumore dar.

In einem ersten Projekt möchten wir dieses Behandlungskonzept im Rahmen eines translationalen Projekts verbessern: Hierbei wird eine von uns gross angelegte Datenbank über Mesotheliompatienten mit zugehöriger Tumorgewebebank, die in internationaler Kollaboration noch weiter aufgebaut wird, analysiert. Das Ziel ist die Identifikation von Faktoren, die ein längeres Überleben und ein Ansprechen auf die Therapie vorhersagen können.

Gibt es noch weitere Projekte?

Ja. Beim zweiten Projekt steht die Bekämpfung des Lokalrezidivs, dem lokalen Wiederauftreten des Tumors nach der Therapie – ein sehr grosses Problem bei Mesotheliompatienten – im Vordergrund: Es ist ein erprobter Ansatz, zytotoxische oder andere tumorschädigende Substanzen direkt in die Thoraxhöhle vor Ort zu bringen. Unsere Vorversuche haben gezeigt, dass durch Koppelung dieser Substanzen an einen Fibrinträger die Therapie effizienter und langanhaltender vor Ort angebracht werden kann. Diese Therapie wird nun erstmals in klinischen Versuchen angewendet.