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Der 5. Bericht des Weltklimarates IPCC wird in den Jahren 2013 und 2014 erscheinen. Der Bericht fasst das Wissen über den Klimawandel, seine Auswirkungen und mögliche Massnahmen zusammen. Insgesamt sind in drei Arbeitsgruppen 831 Forschende aus aller Welt daran beteiligt, 16 davon kommen aus der Schweiz. Die UZH ist mit drei Hauptautoren in allen drei Arbeitsgruppen vertreten.
In der Arbeitsgruppe I, welche die physikalischen Grundlagen des Klimawandels untersucht, ist Frank Paul vom Geographischen Institut engagiert. Paul ist Spezialist für die Erforschung von Gletscherveränderungen mit Satellitendaten. Sein Kollege Christian Huggel arbeitet ebenfalls am Geographischen Institut und schreibt in der Arbeitsgruppe II mit. Dort wird analysiert, wie und ob beobachtete Naturphänomene dem Klimawandel zugeteilt werden können. Die dritte Gruppe behandelt mögliche Instrumente, um den Ausstoss von Treibhausgasen zu senken. Einer der Hauptautoren ist Axel Michaelowa, der Leiter des Forschungsbereichs «Internationale Klimapolitik» der UZH. Der Spezialist für Marktmechanismen der Klimapolitik war bereits am 4. Bericht des IPCC als Hauptautor beteiligt.
Die Botschaft der versammelten Forschergemeinde hiess schon im letzten Weltklimabericht 2007 klar und deutlich: Der Klimawandel findet statt und die beobachtete Temperaturerhöhung der letzten Dekaden ist sehr wahrscheinlich menschgemacht. In den letzten 150 Jahren ist es auf der Erde im Durchschnitt um 0,8 Grad wärmer geworden. «Aufgrund der grossen Trägheit des Klimasystems sollten wir nicht länger darüber diskutieren, dass es höchste Zeit ist, das Heft in die Hand zu nehmen», so Paul. Doch die Arbeit der Forscher ist damit nicht zu Ende. Gerade bei der Beobachtung der weltweiten Gletscherveränderungen sind die Datenlücken noch gross. Erst die Hälfte aller Gletscher der Welt ist überhaupt inventarisiert und kartiert.
«Das rapide schmelzende Gletschereis illustriert geradezu exemplarisch die Auswirkungen der Klimaänderung», bemerkt dazu Forscherkollege Huggel. Er befasst sich mit Klimafolgen im Hochgebirge und mit so genannten Extremereignissen wie etwa Felsstürze, Schlammlawinen oder Flutwellen. Huggel arbeitet an einem Kapitel der Arbeitsgruppe II mit. Darin wird er die Auswirkungen des Klimawandels auf verschiedene Umweltsysteme, darunter auch auf extreme Naturereignisse, analysieren. Dies ist keineswegs einfach. «Extremereignisse sind schon so selten, dass man kaum Veränderungen über die Zeit herauslesen kann», so Huggel. Und im zweiten Schritt das ‹Klimasignal› herauszufiltern, sei hochkomplex, etwa bei Veränderungen in den Alpen: Faktoren wie Topografie, Geologie und Hydrologie spielen mit – und alle stehen ihrerseits im Bezug zum Klima.
Gegenüber dem 4. IPCC-Bericht sind 60 Prozent der Autoren neu. Die beiden Geographen der UZH gehören zu den neuen Autoren im Kreis der vom Weltklimarat beauftragten Wissenschaftler. Paul bewarb sich für die Mitarbeit am 5. Bericht, weil ihn der «Himalaja-Gletscher-Fehler» im 4. Klimabericht aufgerüttelt hatte. Dort wurden Angaben zum zukünftigen Verhalten der Himalaja-Gletscher gemacht, welche nicht ausreichend überprüft waren. «Es ärgerte mich im Nachhinein, dass ich mir die Sache damals nicht richtig angesehen hatte», sagt Paul.
Huggel führt die Fehler im letzten Bericht auch auf Kommunikationsprobleme zwischen den Arbeitsgruppen des IPCC zurück: «Die Communities der Spezialisten sind sehr unterschiedlich.» Da er aber in beiden Arbeitsbereichen stark verankert sei, hofft Huggel, zur besseren Verständigung beizutragen.
Die beiden Geographen sehen im Klimawandel mehrere fundamentale Herausforderungen für Politik und Gesellschaft. Etwa die Verzögerung von bis zu mehreren Jahrzehnten, bevor sich die Auswirkungen der erhöhten Treibhausgaskonzentrationen bemerkbar machen. Aber auch die Unsicherheit in der Wissenschaft sei ein grundsätzliches Problem, mit dem die Gesellschaft umzugehen lernen müsse, sagt Huggel: «Trotz der vielen robusten Aussagen gibt es immer noch viele Unsicherheiten in den Klimamodellen sowie in den Szenarien der zukünftigen Entwicklung.».
So reichen die wahrscheinlichsten Rechnungen der Klimamodelle für die globale Erwärmung bis Ende dieses Jahrhunderts von etwa 1 Grad bis zu 4 Grad. Vor einem Jahr in Kopenhagen einigten sich die Staaten grundsätzlich darauf, diese Erwärmung bis 2050 auf höchstens 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu beschränken. Dieses so genannte 2-Grad-Ziel ist jedoch ein Kompromiss. Für viele Wissenschaftler birgt dieser Schwellenwert noch viele offene Fragen. Was eine globale Erwärmung von 2 Grad konkret bedeute, sei vielen Entscheidungsträgern möglicherweise nicht voll bewusst, sagt Paul: «Das heisst 4 Grad Erwärmung für die Alpen seit 1850, also eine etwa 600 Meter höhere Schneegrenze gegenüber dem damaligen Stand. Da bleibt von den Gletschern nicht mehr viel übrig.»
Für einige Aspekte war der auf wissenschaftlichen Konsens ausgelegte 4. IPCC-Bericht eher konservativ. «Der Vorwurf, der IPCC-Bericht sei alarmistisch, ist absurd», sagt Huggel. Er nennt als weiteres Beispiel die Prognose für die Erhöhung des Meeresspiegels. Diese wurde im Bericht von 2007 mit etwa 0,5 Meter bis Ende des Jahrhunderts festgehalten. In der Zwischenzeit wurde diese Schätzung bereits auf ungefähr einen Meter Anstieg nach oben korrigiert.
Der Klimabericht entspricht einer Inventur des weltweiten Wissensstandes. Die Kernaufgabe der Autoren besteht darin, die Ergebnisse ihrer Kollegen zu sammeln und in einen Zusammenhang zu bringen. Ziel ist es nicht, die eigenen neuen Forschungserkenntnisse zu zitieren, sondern den Stand der Forschung abzubilden, sagt Huggel: «Man muss sein Spezialgebiet zurücknehmen, um einen Gesamtüberblick zu erhalten.» In jeder Arbeitsgruppe sind Spezialisten für alle Fachgebiete in Untergruppen organisiert. Das Ziel ist ein wissenschaftliches Bild des globalen Klimawandels, das so umfassend und kompetent wie möglich ist.
Alle Aussagen des Berichts müssen mit mehreren Quellen belegt sein. Ist der erste Entwurf einmal geschrieben, beginnt ein aufwändiges Prozedere der Kontrolle, wo alle beteiligten Autoren an den Formulierungen feilen. Diese Aufgabe wird gegen Ende des Berichts sogar noch schwieriger, wenn aus dem Hauptbericht die «Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger» redigiert wird. «Da wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und von mehreren Instanzen geprüft», sagt Paul. Die Aufgabe der Hauptautoren besteht unter anderem darin, zu schauen, dass sich in der Zusammenfassung keine unbelegten Aussagen einschleichen, so dass jede Botschaft darin im Hauptbericht hieb- und stichfest belegt ist.