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UZH News: Herr Ruff, im Labor zur Erforschung sozialer und neuronaler System, kurz SNS-Lab, erforschen Sie die neuronale Basis unseres Sozialverhaltens und der Entscheide, die wir in bestimmten Situationen treffen. Grundlage dafür sind Verhaltensexperimente mit Probanden. Wer nimmt an diesen Experimenten teil?
Christian Ruff: Es kommt auf die Fragestellung des Experiments an. Grundsätzlich nehmen bei uns freiwillige Probanden teil, die wir durch Ausschreibungen oder Ankündigungen bei Veranstaltungen an der Universität oder extern rekrutieren.
Bei Studien, bei denen es um allgemeine Gesetzmässigkeiten des menschlichen Verhaltens geht, nehmen oft Studierende teil. Es gibt aber auch Studien, bei denen es um ganz andere Gruppen geht – etwa Angehörige des Militärs, Patienten mit spezifischen psychiatrischen Krankheiten, Fans von konkurrierenden Fussballclubs oder Kinder. Und es werden in manchen Studien auch Menschen aus ganz anderen Kulturkreisen untersucht – etwa aus Papua-Neuguinea.
Was sind die Gründe für solche Kultur vergleichenden Studien?
Es zeigt sich, dass sich Befunde, etwa zum Entscheidungsverhalten, die wir im Labor machen, auch bei Menschen mit einem ganz anderen Hintergrund punkto Bildung und sozio-ökonomischem Status bestätigen. Wir sind deshalb häufig damit zufrieden, unsere Experimente mit Studierenden durchzuführen.
Vergleichende Studien sind dann interessant, wenn man wissen will, wie bestimmte soziale Verhaltensweisen und eine bestimmte Art sich zu entscheiden, kulturell geprägt sind.
Gibt es bestimmte Kriterien, die ein Proband zu erfüllen hat, um an einer Studie teilzunehmen?
Es sind meist medizinische Gründe, die wir bei der Auswahl berücksichtigen müssen. Bei Experimenten, bei denen die Funktionelle Magnetresonanztomographie angewendet wird, gibt es gesundheitliche Kriterien.
Der Proband darf beispielsweise kein Metall im Körper haben, weil wir mit starken Magnetfeldern arbeiten. Und es sollten auch keine Hinweise auf neurologische Erkrankungen vorliegen. Wir machen am SNS-Lab auch Gehirnstimulationsexperimente mit transkranieller Magnetstimulation. An solchen Studien dürfen etwa keine Probanden teilnehmen, die Fälle von Epilepsie in der Familie haben.
Oft nehmen, Sie haben es erwähnt, bei Verhaltensexperimenten Studierende als Probanden teil – ein kleines, gut gebildetes Segment der Gesellschaft, das vielleicht auch schon über ökonomisches oder psychologisches Vorwissen verfügt. Wie repräsentativ sind die Resultate solcher Experimente überhaupt?
Um ein die Resultate verfälschendes Vorwissen auszuschliessen, dürfen Studierende der Ökonomie und der Psychologie an vielen Studien nicht teilnehmen. Hinzu kommt wie gesagt, dass wir auch immer wieder in anderen Gruppen – eben anderen Kulturen etwa – Untersuchungen durchführen. Wir sind deshalb der Meinung, dass unsere Forschungsresultate sehr repräsentativ sind.
Für Untersuchungen des Zusammenhangs von Hirnphysiologie und Entscheidungsfindung kann es zudem sehr wichtig sein, dass man die Varianz zwischen den untersuchten Personen möglichst gering hält.
Wenn Menschen unterschiedlichen Alters und von sehr unterschiedlicher Herkunft in eine Studie eingeschlossen würden, könnte dies zu einer grossen Varianz in den hirnphysiologischen Prozessen führen, die sich nur schwer modellieren liesse. Es macht also durchaus Sinn, bestimmte Paradigmen zuerst in einer homogenen Gruppe zu untersuchen. Gleichzeitig muss man diese Studien immer wieder auf andere Gruppen ausweiten.
Verhaltensexperimente, wie diejenigen im SNS-Lab, finden unter Laborbedingungen statt – sind also weit entfernt vom Alltag. Inwiefern lassen sich experimentelle Resultate auf den Alltag übertragen?
Ich denke, dass unsere Verhaltensexperimente im Vergleich zu anderen Experimenten, bei denen zum Beispiel Testverfahren zum Gedächtnis oder zur Wahrnehmung eingesetzt werden, relativ nahe am Alltagshandeln sind. Meistens geht es um Interaktionen mit anderen Menschen, die oft auch im selben Raum sind. Das ist nicht ganz weit weg von dem, was wir im Alltag tun.
Und es gibt auch strenge Regeln bei unseren Verhaltensexperimenten: So darf keine Täuschung vorliegen. Das heisst, alle Geldbeträge, um die bei einem Experiment gespielt wird, sind echt. Die Experimente sollen also möglichst «realistisch» sein.
Im Gegensatz zum Labor lassen sich aus Verhaltensweisen, die wir im Alltag beobachten, nur relativ schwierig grundlegende Aussagen formulieren. Die Entwicklung von kontrollierten Laborexperimenten und –paradigmen war so gesehen ein Meilenstein in der Verhaltensforschung sowohl in der Psychologie als auch der Ökonomie.
Wie schaffen Sie als Forscher Bedingungen für ein möglichst «natürliches» Verhalten?
Die Probanden sind uns wichtig und wir schätzen ihre freiwillige Teilnahme. Entsprechend versuchen wir, die Experimente so angenehm wie möglich zu gestalten.
Die aufwändige Ausstattung und das Licht im SNS-Lab sind so eingerichtet, dass es einem wohl ist. Die Probanden sollen nicht das Gefühl haben, dass sie sich in einem technischen Labor befinden. Und wir Forscher bemühen uns natürlich um einen professionellen und netten Umgang.
Welches sind Ihre nächsten Experimente am SNS-Lab?
Ich arbeite vor allem mit der Kombination von Hirnstimulationsverfahren und funktioneller Magnetresonanztomographie. Es geht darum, die Funktion von bestimmten Hirnregionen und die Interaktion von verschiedenen Regionen während des Entscheidungsverhaltens zu untersuchen. Dazu werden wir jetzt eine ganze Reihe von Experimenten durchführen – etwa zum Einfluss von Emotionen auf das Entscheidungsverhalten.