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Klimakrise

Schatten für den Permafrostboden

Zwergbirken verzögern das Auftauen sibirischer Dauerfrostböden. Dies hat ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Gabriela Schaepman-Strub, Oberassistentin am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich, herausgefunden. Sie untersucht in der Tundra die sich verändernde Vegetation und deren Einfluss auf das globale Klima.  
Marita Fuchs

Durch die Klimaveränderung ist es weltweit wärmer geworden – selbst im sonst so kalten Sibirien ist ein Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur von minus zehn auf minus acht Grad in den vergangenen 25 Jahren zu verzeichnen. In Sibirien bleibt der Permafrostboden zwar ganzjährlich gefroren, nur in den kurzen Sommern taut er bis in Tiefen von zwei bis drei Metern auf.

Forschungsstation in der sibirischen Tundra: Taut der Permafrost weg, wird das Treibhausgas Methan freigesetzt.

Natürliche Riesentiefkühltruhe

Sollte es jedoch noch wärmer werden und würde der Permafrostboden weiter auftauen, hätte das globale Konsequenzen: der Boden könnte Unmengen des Treibhausgases Methan freisetzen, das jetzt noch in der Erde eingefroren ist.

Gabriela Schaepman-Strub vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften untersucht seit fünf Jahren mit Kollegen aus Holland und Russland die Probleme, die mit dem Auftauen der Dauerfrostböden in Sibirien einhergehen. Schaepman-Strub interessiert, wie sich die Zunahme von Zwergbirken im Nordosten von Sibirien auf das Klima auswirkt, denn die Erwärmung hat noch eine andere Auswirkung: Es siedeln sich mehr Pflanzen und kleine Sträucher auf den Böden an.

Ohne GPS-Gerät in Ostsibirien

Gabriela Schaepman-Strub fährt für ihre Forschung in das ostsibirische Tiefland. Die Forschung im Feld ist kein Zuckerschlecken. Die sibirischen Sommer sind kurz und heiss. Bei 30 Grad Celsius sind Mückenschwärme die ständigen Begleiter der Menschen. Doch Schaepman-Strub ist froh, wenn ihre Messinstrumente per Flugzeug ohne Schaden Sibirien erreichen. Im vergangenen Sommer war ein Leimstift im Paket als Gefahrengut deklariert worden, wichtige Apparate erreichten die Forschungsstation nie. Kein Wunder – das Forschungsgebiet liegt im militärischen Sperrgebiet, die Militärbasis ist zwar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgegeben worden, doch bestehen weiterhin rigide Sicherheitsbestimmungen.

Das Forschungsgebiet im ostsibirischen Tiefland.

Im morastigem Gelände der Tundra können die Forschenden sich nur zu Fuss oder mit kleinen Booten im Gelände bewegen. Allgemeine Landkarten der russischen Permafrostgebiete sind nicht offiziell und nur im Massstab 1:200'000 erhältlich, sogar der Betrieb von GPS-Geräten ist ausländischen Forschenden nicht gestattet.

Geht Schaepman-Strub durchs Gelände, muss sie sich also auf ihre eigene Orientierung verlassen. Sie untersucht auf dem 10 km2 grossen Gebiet diejenigen Stellen, an denen besonders viele Zwergbirken wachsen. An einigen Stellen hat sie die Zwergbirken herausgeschnitten, um die Bodentemperatur mit oder ohne Bäumchen vergleichen zu können.

Zwergbirken verlangsamen den Taueffekt

Die Zwergbirken sind kleine Sträucher von etwa zwanzig Zentimetern Höhe. Schaepman-Strub und ihr Team haben herausgefunden, dass die Sträucher die Strahlung der Sonne absorbieren und den Boden so stark beschatten, dass die Wärme nicht in den Boden gelangt. An denjenigen Stellen, wo die Zwergbirken dicht stehen, taut der Boden im Schnitt neun Prozent weniger tief auf als bei sträucherfreien Zonen, die rund 33 Zentimeter auftauen, hat das Forscherteam ausgerechnet.

Klima-Retter Zwergbirke?

Können die kleinen Zwergbirken also das Auftauen des Bodens verhindern und damit das Klima retten? «Nein, sie können den Auftauprozess zwar verlangsamen, jedoch nicht auf lange Sicht verhindern», meint die Umweltwissenschaftlerin. «Unsere Untersuchungsergebnisse wurden von den Skeptikern der Klimaerwärmung sofort aufgegriffen und so interpretiert, dass die Natur selber Wege aus der Krise finde. So pauschal kann man unsere Arbeit jedoch nicht beurteilen.»

Gabriela Schaepman-Strub: «Bisher wurden in den Klimamodellen die Auswirkungen einer sich verändernden
Vegetation stark vernachlässigt.»

Strahlung und ihre Auswirkung

Noch ist vieles unklar. Deshalb will Schaepman-Strub als nächstes den Energiekreislauf genauer untersuchen: Wie viel Sonneneinstrahlung wird von der Vegetation aufgenommen, und wie und wohin wird diese Strahlung weitergeleitet? Je üppiger und grüner die Vegetation, desto mehr kurzwellige Strahlung wird von den Pflanzen absorbiert und in langwellige Strahlung umgewandelt.

Unklar ist, ob die Sonneneinstrahlung das Wasser im morastigen Gelände verdampfen lässt und auf Dauer der Boden der Tundra trockener wird. Eine andere Möglichkeit wäre es, dass die Wärme als fühlbare Wärme abgegeben wird. Verdichten sich die Sträucher, würde dies dazu führen, dass mehr kurzwellige Strahlung aufgefangen und in langwellige Strahlung umgewandelt wird, die die Erdatmosphäre weiter aufheizt.

Zusätzlich zu den Treibhausgasen kann die Zunahme der Strahlungsabsorption durch die Vegetation zu einer markanten Erwärmung des regionalen Klimas führen. Bisher wurden in den Klimamodellen die Auswirkungen einer sich verändernden Vegetation stark vernachlässigt.

Der Umweltwissenschaftlerin kommt bei ihrer Forschung zugute, dass sie eine Grundausbildung in Fernerkundung absolviert hat. Sie nutzt zusätzlich zu ihren Messungen im Feld gleichzeitig die Ergebnisse von Satellitenerkundungen. Die Satellitenbilder zeigen, wie viel Strahlung in bestimmten Regionen reflektiert wird. So kann Schaepman-Strub für zukünftige Forschungsarbeit und Prognosen eine zuverlässige Datengrundlage des jetzigen Zustands zusammenstellen.