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Andreas Plückthun ist Professor am Biochemischen Institut der Universität Zürich. Zusammen mit seinem 30-köpfigen Team befasst er sich mit Protein-Engineering, dem Entwurf neuer synthetischer Eiweissmoleküle.
Die Universität Zürich und die Arbeitsgruppe Plückthun sind weltweit massgeblich an der Entwicklung massgeschneiderter Proteine beteiligt. Ein Beispiel sind DARPins, künstliche Proteine, die Antigene erkennen und binden können. Den ERC Advanced Grant erhalten Plückthun und sein Team für das Projekt «Next generation binding proteins». Die Forscher wollen aus DARPins Sensoren entwickeln, die ihre Interaktion innerhalb der Zelle mit Licht nach aussen senden.
Herr Plückthun, wozu sind DARPins gut? Was können sie?
Andreas Plückthun: DARPins sind eine neue Klasse von synthetischen Proteinen, die bereits heute für Therapien eingesetzt werden. Sie können Zielstrukturen im Körper erkennen, zum Beispiel Tumorzellen. Die Eiweissmoleküle können prinzipiell jedes Molekül identifizieren, auch solche innerhalb einer lebenden Zelle. Es ist diese Eigenschaft, die in dem Projekt, für das wir den ERC Grant erhalten haben, ausgenutzt und weiter entwickelt werden soll.
Welche konkreten Ziele verfolgen Sie mit dem Geld des ERC Advanced Grant?
Plückthun: Wir wollen eine Technologie entwickeln, damit DARPins aus dem Inneren der Zelle gleichsam in Echtzeit Bericht erstatten, wie es dort aussieht und welche Proteine gerade aktiv sind. Das ist vollständiges Neuland.
Andere Konzepte sind, DARPins in Schalter umzuwandeln, die mit Licht gesteuert werden können. Wenn das funktioniert, würde das neuartige Einsichten erlauben, wie Zellen auf molekularer Ebene funktionieren.
Der ERC Grant beträgt für die nächsten fünf Jahre 2,8 Millionen Franken. Wohin fliesst das Geld?
Plückthun: Forschung ist teuer. Zwei Drittel sind Löhne und der Rest ist für Chemikalien. Weil wir mit unseren Experimenten Neuland betreten, ist vieles nicht planbar. Wir müssen uns bestimmten Konzepten mittels Versuch und Irrtum annähern, obwohl wir natürlich sämtliche Informationen aus unserem computergestützten Design immer wieder einfliessen lassen. Um es weniger teuer zu machen, bräuchte man jedoch hellseherische Fähigkeiten.
Wie gehen Sie methodisch vor?
Plückthun: Wir entwerfen Prototypen von den Proteinen, bei denen klar ist, was passieren muss. Die Prototypen verfeinern wir so lange, bis sie die gewünschten Eigenschaften zeigen. Dann bauen wir den wirklichen Sensor, mit dem man messen kann, was bisher noch niemand messen konnte. Bei den Schaltern geht man ähnlich vor. Das dauert natürlich seine Zeit.
Sie machen Grundlagenforschung. Wann ist für Sie im ERC-Grant-Projekt ein Durchbruch erreicht?
Plückthun: Wenn wir die ersten Echtzeit-Sensoren haben, die in der Zelle funktionieren, ist das bereits ein Meilenstein. Und ein Lichtschalter, der wirklich funktioniert, wäre ein grosser Sprung nach vorne.
Unsere Grundlagenforschung ist jedoch so angelegt, dass sich daraus Technologien entwickeln werden, die ganz allgemein anwendbar sind. Wenn es mal funktioniert, werden solche Sensoren auf sehr viele biologische Phänomene anwendbar sein, idealerweise auch auf alle Lebensformen.
Natürlich haben wir Pläne, was wir als erstes messen werden, sobald es funktioniert. Wir könnten dann in Echtzeit herausfinden, auf welche zellulären Faktoren bestimmte Arzneimittel einwirken. Ganz am Schluss stehen also wieder praktische Anwendungen – solche, die heute noch unmöglich wären.
Neben Andreas Plückthun und seinem Team erhält auch Richard Hahnloser, Professor für Neuroinformatik am Institut für Neuroinformatik, Universität Zürich und ETH Zürich, einen ERC Advanced Grant 2010. Und zwar für das Projekt «Vocal template computations in the songbird brain».
Singvögel trällern ihre Lieder nach einem Vorbild: Sie merken sich den Gesang, den sie hören, und vergleichen ihre sich entwickelnden Melodien mit dem Gehörten, bis eine gute Übereinstimmung erreicht ist. Damit ähnelt ihr Vorgehen dem menschlichen Spracherwerb.
Hahnloser hat als erster die lange gesuchten Nervenzellen für das auditorische Feedback bei Singvögeln nachweisen können. Die Nervenzellen befinden sich im auditorischen Kortex, der Hörrinde, und nicht wie bisher angenommen in spezifischen Hirnarealen, die den Gesang steuern.
Junge Zebrafinken (Taeniopygia guttata) etwa lernen ihren Gesang, indem sie die Singvorlage ihres Tutors, meist des Vaters, imitieren. In dieser Lernphase ist es zwingend, dass der Jungvogel seinen eigenen Gesang hört, überwacht und laufend mit der Vorlage vergleicht. Mit anderen Worten: Er passt seinen Gesang über das auditorische Feedback der akustischen Vorlage an. Gleichzeitig muss der Jungvogel während des Singens in der Lage sein, Hintergrundgeräusche zu erkennen und auszublenden.
Die Hirnforschung an Zebrafinken gehört zur Grundlagenforschung: Zebrafinken sind das einfachste Tiermodell, wenn es um das Verständnis des vokalen Lernens geht. Neben Menschen, Walen und Fledermäusen gehören Vögel zu den wenigen Lebewesen, die ein differenziertes vokales Ausdrucksystem besitzen. Bei der Hirnforschung an Zebrafinken geht es um das physiologische Verständnis des Spracherwerbs. Präzises Singen erfordert ein höchstes Mass an neuronaler Koordination zwischen linker und rechter Hirnhälfte.
Mit dem Geld, freut sich Hahnloser, könne er
jetzt fünf weitere Mitarbeiter anstellen und so den neuronalen Mechanismen des
Gesangsgedächtnisses auf die Spur kommen.