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CERN-Teilchenbeschleuniger

Erfolgreicher Start des LHC-Beschleunigers

Im Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) ist es am Dienstag den Physikern erstmals gelungen, Protonen mit einer Energie von sieben Tera-Elektronenvolt (TeV) kollidieren zu lassen. Damit hat die eigentliche Forschungsarbeit mit dem weltgrössten Teilchenbeschleuniger begonnen, von der sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über grundlegende Fragen der Physik erhoffen. 
Theo von Däniken

Am Dienstag, kurz nach 13 Uhr, war der lang ersehnte Augenblick endlich gekommen: In den Kontrollräumen der verschiedenen Teilchendetektoren am CERN brandete Applaus auf, als die Messdaten erste Kollisionen anzeigten. An der ETH Hönggerberg, wo das Ereignis live aus Genf übertragen wurde, freuten sich die Verantwortlichen des Silizium-Pixel-Detektors, als aus «ihrem» Detektor erste Darstellungen der aufeinanderprallenden Protonen zu sehen waren.

Der Detektor funktioniert: Professor Vincenzo Chiochia zeigt Visualisierungen der ersten Teilchenkollisionen bei 7 TeV.

«Ich bin wirklich hoch erfreut», sagte Vincenzo Chiochia, SNF-Förderungsprofessor an der Universität Zürich und stellvertretender Projektleiter des Silizium-Trackers. «Das ist ein grosser Erfolg. Wir sehen bereits einige schöne Kollisionen.»

Nachdem die beiden Protonenstrahlen, die im 27 Kilometer langen Beschleunigerring in entgegengesetzter Richtung kreisen, aufeinander eingestellt waren, konnte der CMS-Detektor regelmässig rund 200 «Ereignisse», wie die Physiker die Kollisionen nennen, pro Sekunde verzeichnen. Am späten Nachmittag, nach einigen Stunden Laufzeit, hatten die Detektoren am CERN bereits Daten von über einer halben Millionen Kollisionen gesammelt, wie auf der CERN-Website zu lesen war.

Probleme im ersten Anlauf

Am Morgen war die Geduld der Physiker und der Medien, die aus aller Welt live an dem Ereignis teilnahmen, auf eine kleine Geduldsprobe gestellt worden. Kurz nach Beginn des ersten Versuches, die Protonenstrahlen auf die nötige Energie zu bringen, wurde das Experiment von einem Sicherheitssystem gestoppt, nachdem dieses ungewöhnliche Werte gemessen hatte. Die Energie in den Magneten, die die Teilchen beschleunigen, wurde heruntergefahren. Ein neuer Anlauf konnte erst gegen Mittag unternommen werden.

Die Spuren einer neuen Zeit: Aufzeichnung einer Teilchenkollision bei 7 TeV durch den CMS-Detektor.

Dabei wurden die Protonen zunächst über mehrere Vorstufen beschleunigt und dann in zwei entgegengesetzten Strahlen in den grossen LHC-Ring eingeschossen. Danach wurden die beiden Strahlen kontinuierlich auf die Energie von je 3,5 TeV beschleunigt. Das bedeutet, dass sie mit beinahe Lichtgeschwindigkeit rund 11’000 Mal pro Sekunde im 27 Kilometer langen Tunnel kreisen.

Kurz vor ein Uhr hatten die Strahlen das Energielevel erreicht, nun wurden sie in den dafür vorgesehenen Punkten in den Detektoren auf Kollisionskurs gebracht, was bereits wenige Minuten nach ein Uhr gelang.

Höchst komplexe Maschine

Die Sicherheitsvorkehrungen am LHC waren in den vergangenen Monaten verstärkt worden, nachdem eine Panne kurz nach der ersten Inbetriebnahme im Jahr 2008 zu einem Schaden und einem monatelangen Ausfall geführt hatten. Der LHC sei eine höchst komplexe Maschine, kommentierte CERN-Direktor Rolf Heuer den Versuchsabbruch vom Morgen, deshalb sei es nur normal, dass nicht alles beim ersten Mal funktioniere.

«SUSY» und «Higgs»

Nach dem erfolgreichen Start ist nun geplant, den LHC für eineinhalb bis zwei Jahre mit einer Energie von 7 TeV laufen zu lassen. Die dabei gesammelten Daten sollen Licht in einige der grossen offenen Fragen der Physik bringen. «Mit den Kollisionen bei 7 TeV dürfte es möglich sein, dass wir supersymmetrische Teilchen sehen», sagte Vincenzo Chiochia. Supersymmetrische Teilchen sind gemäss einer Theorie die «Partner» der bekannten Teilchen, die jedoch eine viel grössere Masse besitzen und viel weniger stabil sind.

Für weniger wahrscheinlich hält er, dass bereits bei dieser Energie das so genannte «Higgs-Boson» gefunden werden könnte. Ein Teilchen, das gemäss dem Standard-Modell erklärt, weshalb es überhaupt Masse gibt.

Damit sich die Physiker auf die Suche nach den unbekannten Teilchen machen können, müssen sie zunächst aus den enormen Datenmengen, die nun im LHC gesammelt werden, die «Signaturen» der bisher bekannten Teilchen rekonstruieren, um danach ungewöhnliche Ereignisse gezielt analysieren zu können.