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In der Presse grassiert seit kurzem der Ausdruck «deutscher Filz», mit dem ohne Not ein Stoff in Verruf gebracht wird, der unter Experten international hohes Ansehen geniesst: der Filz, zumal in seiner spezifisch deutschen Variante.
«Durch den Ausdruck ‚deutscher Filz’ ist aus unserer Sicht der Tatbestand der Strafnorm noch nicht erfüllt», lässt die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft verlauten, derweil «die Suche nach dem deutschen Filz» noch anhält und sich Universitätsrektor Andreas Fischer «zum eigentlichen Filzvorwurf» verhalten muss (Tages Anzeiger und Neue Zürcher Zeitung vom 9. Januar 2010).
Genügend Anlass also zum Versuch einer Ehrenrettung eines einmaligen Stoffes und seiner Anverwandlung durch Deutsche – wobei hier von Anfang an betont werden soll, dass es auch in der Schweiz ganz hervorragende Filzhersteller und Filzanbieter gibt (die sich bislang allerdings in der Debatte noch nicht zu Wort gemeldet haben).
Gutes Durchwalken vorausgesetzt
Mit Filz ist schon im Althochdeutschen ein Stoff bezeichnet, der nicht gewebt wird, sondern dadurch entsteht, dass sich Fasern (meist tierischen Ursprungs) ineinander verhaken. Ein mechanischer Vorgang, der gutes Durchwalken voraussetzt und chemisch begünstigt werden kann durch geeignete Verbindungen (wie sie etwa in der Schmierseife enthalten sind).
Aufgrund von Filzfunden aus der mittleren Steinzeit müssen wir allerdings zugestehen, dass es sich um eine frühe kulturelle Errungenschaft der Menschheit handelt, die also nicht umstandslos den Deutschen zugute gehalten werden kann.
Filz besticht durch Eigenschaften, die in der Welt der Stoffe ihresgleichen suchen: temperaturbeständig, formbeständig, schall- und kältehemmend, wärmend, feuchtigkeitsabweisend. Kein Wunder, dass dieser Stoff überall in der Welt gern gesehen und hoch geschätzt wird (wovon die Fachzeitschrift «der Filzer», «VerFILZt und zugeNÄHT», aber auch das «Filzlexikon» beredtes Zeugnis ablegen). Von Billardspielern («Heute schon frisch gefilzt?») ganz zu schweigen.
Filz und Fett sinnstiftend verankert
Und doch hat vielleicht kein Zweiter den Filz so verehrt und verewigt wie ein Deutscher, der also sehr zu Recht als Urheber «deutschen Filzes» gelten darf. Er hat seine Verbundenheit mit dem Filz schon dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er sich stets mit Filzhut hat ablichten lassen und Filz und Fett mythologisch in der eigenen Biographie sinnstiftend verankert hat.
Die Rede ist natürlich von Joseph Beuys, der seinen «deutschen Filz» aus einem Mittelstandsunternehmen in Giengen im Schwabenland bezog. Dort kommt er also her, der «deutsche Filz», nach dem zur Zeit verzweifelt gesucht und um den so viel gestritten wird. Von hier aus hat er seinen Siegeszug in Galerien und Museen rund um die Welt angetreten.
In der Kunsthalle Zürich war er längst, der deutsche Filz. Und nun ist er also hoffentlich auch an der Zürcher Universität angekommen. «Beuys sah Filz anders als wir», werden die Vereinigten Filzfabriken jüngst in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zitiert. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.