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Robert ist drei Jahre alt und spricht erst wenige und kaum verständliche Worte. Die Eltern machen sich Sorgen. Nach Absprache mit dem Kinderarzt geht die Mutter mit Robert zur «Abteilung Logopädie und Pädoaudiologie» ins Kinderspital Zürich.
Dort werden vor allem Kinder im Frühbereich und manchmal auch im Schul- und Nachschulbereich auf ihre sprachliche Entwicklung hin untersucht. Pro Jahr kommen etwa 600 junge Patientinnen und Patienten vorbei, die von den Kinderärzten überwiesen werden.
Rund hundert Kinder werden an der Abteilung des Kinderspitals selbst behandelt oder begleitet, sie wohnen in der Regel in der Nähe des Kinderspitals. Die andern Kinder absolvieren – nach einer Abklärungssitzung – eine logopädische Therapie in einer freien Praxis.
Doch zuvor muss abgeklärt werden, ob bei Kindern wie Robert überhaupt eine Sprachstörung vorliegt. Dabei kommt die Schlüsselrolle den Logopädinnen zu: Sie müssen den Sprachentwicklungsstand des Kindes richtig einschätzen und das weitere Vorgehen planen.
«Wenn ein Kind an einer Spracherwerbsstörung leidet, erhält es eine logopädische Therapie», sagt die Leiterin der Abteilung Hilda Geissmann. Eine Therapiephase dauert in der Regel drei Monate. Das Kind kommt zwei Mal in der Woche. Nach einer Therapiepause entscheiden die Fachkräfte, ob eine weitere Therapie notwendig ist.
«Die geistige Entwicklung und die Sprachentwicklung stehen in einer engen Wechselwirkung», erläutert die Logopädin und Psychologin Susanna Züllig vom Kinderspital Zürich. «Doch oft können sich Kinder sehr viel mehr vorstellen, als sie mit Wörtern ausdrücken können. Dann kann die Sprachentwicklung stagnieren. Warum das passiert, weiss man nicht genau. Vermutlich gibt es nicht nur einen einzigen Grund, sondern ein ganzes Bündel von Ursachen und Auslösern.»
Die Sprachprobleme ihres Kindes verunsichern die Eltern. Die Mutter von Robert hat Angst, dass ihr Kind Probleme in der Krippe bekommt und wegen seiner unverständlichen Aussprache von anderen Kindern gehänselt wird. «Wir nehmen die Eltern mit ihren Ängsten sehr ernst», sagt Hilda Geissmann. Deshalb gehört zur Sprachabklärung und Therapie das intensive Elterngespräch dazu.
In der Regel hat das Verhalten der Eltern oder anderer Menschen in der Umgebung des Kindes grossen Einfluss auf seine sprachliche Entwicklung. «Reden lernen Kinder im Dialog», sagt Hilda Geissmann.
Früher nahm man an, dass sprachliche Störungen sich mit der Zeit «auswachsen». Das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert: «Je früher die Therapie beginnt, umso besser kann man verhindern, dass sich eine Sprachstörung sehr negativ auswirkt und das Kind dadurch leidet oder beeinträchtigt wird», sagt Geissmann.
Das gilt auch für die so genannten Late Talkers, Kinder, die spät sprechen. «Wenn der Wortschatz eines Zweijährigen weniger als 50 Wörter oder Lautmalereien umfasst, sollten Eltern im Kinderspital vorbeikommen oder ihren Kinderarzt fragen», erklärt Geissmann, «denn in der Regel sprechen Kinder mit zwei Jahren 100 bis 300 Wörter.»
Robert jedenfalls hat nach drei Monaten Therapie wieder viel mehr Freude am Sprechen. Sein Wortschatz hat sich stark vergrössert und ist regelrecht «aufgeblüht» (was als Late Bloomer bezeichnet wird). Die Eltern verstehen ihn besser und sind glücklich über die positive Wendung.