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Mit der Kryoelektronentomografie wird im Biochemischen Institut eine Lücke prominent gefüllt. Am 1. November trat der israelische Zellbiologe Ohad Medalia seine Professur an der Universität Zürich Irchel an. Der 40-Jährige freut sich auf seine Aufgabe: «Am Institut können Elektronenmikroskopie und Strukturanalyse auf atomarer Ebene voneinander profitieren. Wir sprechen dieselbe Sprache und sind nahe beieinander.»
Bahnbrechende Kombination
Die Kryoelektronentomografie macht mittels einer aufwändigen Apparatur die Strukturen im Innern von Zellen in hoher Auflösung und dreidimensional sichtbar. Das Verfahren kombiniert die klassische Elektronenmikroskopie mit der Tomografie. Die ausgeklügelte Kombination von etablierten Methoden hat einen entscheidenden Vorteil in der Analyse von Zellen: Da die Zellen schockgefroren und nicht chemisch präpariert werden, können sie in ihrer natürlichen Umgebung studiert werden. «So erhalten wir zum Beispiel erstmals eine hoch aufgelöste Struktur von Kernporen-Komplexen innerhalb einer Zelle», sagt Medalia. Das Verfahren ermöglicht den Forschern, in maximaler Vergrösserung ins Innere einer quasi-lebenden Zelle zu schauen und zum Beispiel die vielfältigen dynamischen Interaktionen von Proteinen darzustellen.
Von der Zellarchitektur zu Metastasen
Das Spezialgebiet von Medalias neuer Forschungsgruppe ist die Architektur von eukaryontischen Zellen, etwa beim Schleimpilz Dictyostelium discoideum. Dort werden zum Beispiel auf molekularer Ebene Prozesse untersucht, die zur Bildung des sogenannten zellulären Zytoskeletts führen. Das Zytoskelett der Zelle ist aus vielen Komponenten aufgebaut, die ständig miteinander interagieren. «Wir wollen verstehen, was in diesen komplexen Prozessen passiert. Uns interessiert die Mechanik», so Medalia.
Die
Grundlagenforschung zur Zellstruktur und zu den Wechselwirkungen zwischen den Molekülen könnte später Erkenntnisse in der Medizin liefern, etwa in der Krebsforschung.
So sind die Vorgänge der so genannten Zellhaftung mit dem Wachstum verbunden,
erklärt Medalia: «Wenn Sie in der Lage sind, die Zelladhäsion zu blockieren,
könnten Sie auch die Bildung von Metastasen stoppen. Die metastasierenden
Krebszellen könnten dann nicht mehr andocken.»
Mikroauflösung bis zum Atom
Konventionelle
lichtmikroskopische Techniken der Zellbiologie können zwar dynamische
Zellprozesse darstellen, aber nur bei einer beschränkten Auflösung von 100 bis
300 Nanometer. Mit der Kryoelektronenmikroskopie sind rund hundertmal grössere
Auflösungen möglich, also im Bereich von 2 bis 5 Nanometer. Entsprechend können
die zellulären Prozesse detaillierter beschrieben werden.
Lediglich die Röntgenstruktur-Analyse vermag in noch höherer Auflösung bis auf
das atomare Niveau Proteine aufzuklären. Der Nachteil bei dieser Methode ist
jedoch, dass sich nur gereinigte, also aus dem zellulären Kontext heraus
gelöste Eiweissmoleküle darstellen lassen, nachdem sie kristallisiert wurden.
Die moderne Kryoelektronentomografie schliesst hier die Lücke zwischen Röntgenstruktur-Analyse
und Lichtmikroskopie.
Vielversprechender Schwerpunkt
Die neue Einheit wird auch in das Zentrum für Mikroskopie und Bildanalyse der UZH Irchel eingebunden. Für Medalia sind die gute interdisziplinäre Vernetzung und die Tradition der integrativen Methoden am Biochemischen Institut ein Trumpf für den Standort Zürich, nebst der «fantastischen» Infrastruktur, wie er sagt.
Die
Universität Zürich verspricht sich von der neuen Einheit den Einstieg in eine
zukunftweisende Technologie. Die Arbeit der Gruppe Medalia wird die
Attraktivität im Bereich der Life Sciences erhöhen und kann gut in die
Nationalen Forschungsschwerpunkte (NFS) der «Strukturbiologie» und «Systems X» eingebunden
werden. Das Potenzial der Kryoelektronentomografie ist noch lange nicht
ausgeschöpft und könnte durchaus auch interessant für industrielle Anwendungen
sein.
Die Mittel einer Stiftung erlauben es der UZH, die modernsten Geräte für diese
Technologie im Wert von mehreren Millionen Schweizer Franken anzuschaffen.