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Biochemie

Das Innenleben der Zelle im Fokus

Mit Ohad Medalia wurde ein renommierter Spezialist auf dem Gebiet der Elektronenmikroskopie als Professor für Biochemie nach Zürich berufen. Medalia bringt die komplexe Technik der Kryoelektronentomografie an die UZH. Der neue wissenschaftliche Schwerpunkt verspricht ungeahnte Einblicke in Zellprozesse.
Claudio Zemp

Mit der Kryoelektronentomografie wird im Biochemischen Institut eine Lücke prominent gefüllt. Am 1. November trat der israelische Zellbiologe Ohad Medalia seine Professur an der Universität Zürich Irchel an. Der 40-Jährige freut sich auf seine Aufgabe: «Am Institut können Elektronenmikroskopie und Strukturanalyse auf atomarer Ebene voneinander profitieren. Wir sprechen dieselbe Sprache und sind nahe beieinander.»

Der Zellbiologe Ohad Medalia, neuer Professor für Biochemie in Zürich: «Wir wollen verstehen, was in komplexen Zellprozessen passiert.»

Bahnbrechende Kombination

Die Kryoelektronentomografie macht mittels einer aufwändigen Apparatur die Strukturen im Innern von Zellen in hoher Auflösung und dreidimensional sichtbar. Das Verfahren kombiniert die klassische Elektronenmikroskopie mit der Tomografie. Die ausgeklügelte Kombination von etablierten Methoden hat einen entscheidenden Vorteil in der Analyse von Zellen: Da die Zellen schockgefroren und nicht chemisch präpariert werden, können sie in ihrer natürlichen Umgebung studiert werden. «So erhalten wir zum Beispiel erstmals eine hoch aufgelöste Struktur von Kernporen-Komplexen innerhalb einer Zelle», sagt Medalia. Das Verfahren ermöglicht den Forschern, in maximaler Vergrösserung ins Innere einer quasi-lebenden Zelle zu schauen und zum Beispiel die vielfältigen dynamischen Interaktionen von Proteinen darzustellen.

Kryoelektronentomografische Darstellung von Fokalen Adhäsionspunkten in einer Zelle des Schleimpilzes. Die grünen Adhäsionspartikel vermitteln die Interaktion zwischen der Zellmembran (blau) und dem Aktin-Zytoskelett (braun) und sind für den Dialog der Aussenwelt mit der Innenwelt der Zelle verantwortlich.

Von der Zellarchitektur zu Metastasen

Das Spezialgebiet von Medalias neuer Forschungsgruppe ist die Architektur von eukaryontischen Zellen, etwa beim Schleimpilz Dictyostelium discoideum. Dort werden zum Beispiel auf molekularer Ebene Prozesse untersucht, die zur Bildung des sogenannten zellulären Zytoskeletts führen. Das Zytoskelett der Zelle ist aus vielen Komponenten aufgebaut, die ständig miteinander interagieren. «Wir wollen verstehen, was in diesen komplexen Prozessen passiert. Uns interessiert die Mechanik», so Medalia.

Die Grundlagenforschung zur Zellstruktur und zu den Wechselwirkungen zwischen den Molekülen könnte später Erkenntnisse in der Medizin liefern, etwa in der Krebsforschung. So sind die Vorgänge der so genannten Zellhaftung mit dem Wachstum verbunden, erklärt Medalia: «Wenn Sie in der Lage sind, die Zelladhäsion zu blockieren, könnten Sie auch die Bildung von Metastasen stoppen. Die metastasierenden Krebszellen könnten dann nicht mehr andocken.»

Detaildarstellung von Adhäsionspartikeln und Aktin aus dem Innern einer Schleimpilzzelle.

Mikroauflösung bis zum Atom

Konventionelle lichtmikroskopische Techniken der Zellbiologie können zwar dynamische Zellprozesse darstellen, aber nur bei einer beschränkten Auflösung von 100 bis 300 Nanometer. Mit der Kryoelektronenmikroskopie sind rund hundertmal grössere Auflösungen möglich, also im Bereich von 2 bis 5 Nanometer. Entsprechend können die zellulären Prozesse detaillierter beschrieben werden.
Lediglich die Röntgenstruktur-Analyse vermag in noch höherer Auflösung bis auf das atomare Niveau Proteine aufzuklären. Der Nachteil bei dieser Methode ist jedoch, dass sich nur gereinigte, also aus dem zellulären Kontext heraus gelöste Eiweissmoleküle darstellen lassen, nachdem sie kristallisiert wurden. Die moderne Kryoelektronentomografie schliesst hier die Lücke zwischen Röntgenstruktur-Analyse und Lichtmikroskopie.

Vielversprechender Schwerpunkt

Die neue Einheit wird auch in das Zentrum für Mikroskopie und Bildanalyse der UZH Irchel eingebunden. Für Medalia sind die gute interdisziplinäre Vernetzung und die Tradition der integrativen Methoden am Biochemischen Institut ein Trumpf für den Standort Zürich, nebst der «fantastischen» Infrastruktur, wie er sagt.

Die Universität Zürich verspricht sich von der neuen Einheit den Einstieg in eine zukunftweisende Technologie. Die Arbeit der Gruppe Medalia wird die Attraktivität im Bereich der Life Sciences erhöhen und kann gut in die Nationalen Forschungsschwerpunkte (NFS) der «Strukturbiologie» und «Systems X» eingebunden werden. Das Potenzial der Kryoelektronentomografie ist noch lange nicht ausgeschöpft und könnte durchaus auch interessant für industrielle Anwendungen sein.
Die Mittel einer Stiftung erlauben es der UZH, die modernsten Geräte für diese Technologie im Wert von mehreren Millionen Schweizer Franken anzuschaffen.

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