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Etwas Gutes hatte der viele Regen im Frühsommer dieses Jahres: Die meisten Moose mögen es feucht und haben gern gute Luft. Das Rudolphs Trompetenmoos ( Tayloria rudolphiana ) zum Beispiel gedeiht nur in sauberer Höhenluft (auf 1000 bis 1800 Metern über Meer) und ausschliesslich am feuchten Alpennordhang, nur auf altem Bergahorn in unberührter Natur und mit Vorliebe auf den waagrechten Ästen. Ein anspruchsvolles Moos, das nur noch selten Bedingungen findet, die ihm passen (siehe Video).
Andere Moose wie das Mauerdrehzahnmoos sind völlig anspruchslos, nicht einmal besonders feucht muss es sein. Es hat nichts gegen CO2 und wächst auch neben stark befahrenen Strassen. Oder das Pflasterritzenmoos, ein typisches Stadtmoos, dem Ritzen im Strassenbelag als Untergrund reichen und auf dem man auch herumtrampeln darf. Handkehrum gibt es Moose, wie das Flussgitterzahnmoos, denen es nicht feucht genug sein kann und die sogar in Flüssen leben.
Zweitgrösstes Moos-Herbar der Schweiz
16'000 Moosarten gibt es weltweit; 1100 wachsen in der Schweiz. Dass wir viele ihrer Eigenheiten kennen, verdanken wir der Systematischen Botanik. An deren Institut sind die Biologen Heike Hofmann und Norbert Schnyder als wissenschaftliche Mitarbeiter angestellt.
Sie haben sich auf Moose spezialisiert und arbeiten überall dort mit, wo es um Bryophyta (lateinisch für Moose) geht. Zum Beispiel im Moos-Herbar der Universität Zürich. Es ist das zweitgrösste Moos-Herbar der Schweiz und befindet sich in den Institutsräumen im Botanischen Garten.
Alte Funde, neue Funde
Bereits vor hundert Jahren wurden Moose erforscht. Ein dickes Buch, die «Flore des Mousses de la Suisse» aus dem Jahr 1918, gibt darüber Auskunft. Das Nachschlagewerk liefert wichtige Hinweise, wie sich die Moosflora vor einem Jahrhundert gestaltete. Es hilft den Moosforscherinnen und -forschern von heute, selten gewordenen Moosen nachzuspüren, wie dem Rudolphs Trompetenmoos, das in der «Flore des Mousses de la Suisse» bereits vermerkt ist. Für das Monitoring wurden zahlreiche alte Fundorte aus diesem Werk überprüft und konnten zum Teil hundert Jahre später bestätigt werden, so zum Beispiel im Kiental im Berner Oberland.
Die Moosspezialisten Heike Hofmann und Norbert Schnyder sind dafür zuständig, die Angaben in «Flore des Mousses de la Suisse» mit der Situation von heute zu vergleichen. Derzeit, im Uno-Jahr der Biodiversität, findet man sie häufig «im Feld», auf der Suche nach den unterschiedlichsten Moosen. Bereits 2007 hat das Bundesamt für Umwelt das nationale Monitoring der Moose initiiert und finanziert. Die beiden Moosspezialisten der Universität Zürich arbeiten dort natürlich mit; Ende 2011 soll das Monitoring abgeschlossen sein.
Schweizweite Moos-Kartierung
Bereits 1984 startete eine sogenannte Kartierkommission, der auch Hofmann und Schnyder angehörten, an der Universität Zürich das langjährige Projekt, ein Inventar der Moose in der Schweiz zu erstellen. Dazu wurde die Schweiz flächendeckend in 400 Quadrate à 100 m2 eingeteilt; innerhalb eines jeden Quadrats schauten freiwillige und angestellte Moosforscherinnen und -forscher, ob dort Moose wachsen und welche Arten. Pro Quadrat fanden sie null bis achtzig Moosarten; im Durchschnitt macht das 15 Moosarten pro 100 m2.
Die Funde nehmen Heike Hofmann und Norbert Schnyder fortlaufend in eine Datenbank auf: im «Nationalen Inventar der Schweizer Moosflora». Auf einer Webseite können Interessierte online nachschauen, wie sich die Verbreitung aller Moose in der Schweiz entwickelt. Mehr als 160'000 Fundangaben von Moosen sind bereits gespeichert.
Eher Rückgang des Moosbestands
Das nationale Moos-Monitoring zeigte bisher: Von den 42 untersuchten Moosarten gingen 16 Arten (38 Prozent) zurück. Besonders betroffen sind Moose an Nassstandorten (Mooren, Auen u.ä.). Der Grund dafür hat mit der Siedlungs- und Landwirtschaftspolitik der Schweiz zu tun: Schätzungsweise neunzig Prozent aller Feuchtgebiete der Schweiz wurden im letzten Jahrhunderte zerstört.
Doch auch Moose, die mittelhäufig bis häufig vorkommen, erleiden Bestandeseinbussen, was die Bryologinnen und Bryologen als «eher neu und alarmierend» bezeichnen.
Verantwortung für seltene Arten
Das gefährdete Rudolphs Trompetenmoos hingegen – um auch eine gute Nachricht zu vermelden – hält sich tapfer. Dass das so bleibt, dafür trägt die Schweiz eine besondere Verantwortung. Denn der grösste Teil des Bestandes des Rudolphs Trompetenmooses wächst am Nordrand der Schweizer Alpen. Mit der Unterzeichnung der Konvention von Rio zum Schutz bedrohter Arten hat die Schweiz sich verpflichtet, alles dafür zu tun, dass das Rudolphs Trompetenmoos auch in Zukunft auf alten Bergahornen gedeihen kann. In sauberer Luft und unberührter Natur.