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Tuberkulose-Forschung

Antibiotika-Resistenz unter der Lupe

Antibiotika-resistente Tuberkulose-Bakterien sind ein grosses Problem in der Bekämpfung dieser nach wie vor nicht besiegten Krankheit. Professor Erik C. Böttger hat mit seinem Forschungsteam erhellt, wie Resistenzen weitergegeben werden können.
Theo von Däniken

«Superbakterien», die gegen alle möglichen Antibiotika resistent und nicht mehr zu bekämpfen sind, geistern derzeit durch die Schlagzeilen. Das Problem resistenter Krankheitserreger ist jedoch nicht neu und begleitet die Bakteriologen schon seit Jahrzehnten. Erik C. Böttger, Professor für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Zürich, beschäftigt sich intensiv mit dem Tuberkulose-Erreger, Mycobacterium tuberculosis.

Auch beim Tuberkulose-Bakterium gibt es Stämme, die gegen mehrere der wirksamsten Tuberkulose-Medikamente resistent sind. «In der Schweiz kommen diese Stämme glücklicherweise äusserst selten vor. Aber in Ländern mit hoher Tuberkulose-Rate, wie etwa Südafrika, stellen sie ein grosses Problem dar», erklärt Böttger. Denn die resistenten Erreger müssen mit anderen, meist weniger wirksamen Medikamenten bekämpft werden. Die Therapie ist langwieriger wie auch aufwändiger und hat stärkere Nebenwirkungen.

Resistenz im Modell: Der Mikrobiologe Erik C. Böttger (li) diskutiert mit seinen Postdoktoranden Dimitri Shcherbakov (Mitte) und Rashid Akbergenov an einem Molekülmodell die Wirkungsweise eines Aminoglykosid-Antibiotikums.

Fehler mit Langzeitfolgen

Das müsste nicht sein: «Resistenzen entwickeln sich in der Regel aufgrund falscher oder unangemessener Therapien.» Fehler oder Nachlässigkeiten können dabei langfristige Folgen für die gesamte Tuberkulose-Bekämpfung haben. Dies zeigt das Beispiel der Resistenz der Tuberkulose-Bakterien gegen Streptomycin.

Seit rund fünfzig Jahren wird Streptomycin kaum mehr als Erstmedikament gegen Tuberkulose eingesetzt. Dennoch ist die Streptomycin-Resistenz noch immer die häufigste Resistenzform in Tuberkulose-Bakterien und Spätfolge einer früheren, fehlgeschlagenen Tuberkulose-Therapie, die allein auf Streptomycin setzte.

Medikamente sorgfältig einsetzen

Entscheidend ist bei einer Tuberkulose-Therapie die genaue Untersuchung des jeweiligen Erregers. Je nachdem, gegen welches Medikament der Erreger resistent ist, muss die Therapie angepasst werden.

«Wir müssen die vorhandenen Mittel im Kampf gegen die Tuberkulose sehr sorgfältig einsetzen», warnt Böttger, «um nicht neue Resistenzen zu fördern. Sonst stehen wir am Ende mit leeren Händen da.» Das heisst, es könnten Keime entstehen, gegen die auch die heutigen Ersatzmedikamente nichts mehr ausrichten können.

Kosten der Antibiotika-Resistenz

Böttgers Forschung richtet sich unter anderem darauf, wie Resistenzen in den Bakterien weitergegeben werden. Häufig hat eine Resistenz ihren Preis für das Bakterium, den so genannten «fitness cost»: Das bedeutet, dass resistente Formen des Bakteriums im Vergleich zu empfindlichen Stämmen weniger vermehrungsfähig sind, sobald das Antibiotikum nicht mehr vorhanden ist.

Es wäre also zu erwarten, dass die resistenten Keime im Laufe der Zeit quasi von selbst durch die natürliche Auslese wieder verschwinden würden, sobald das Antibiotikum nicht mehr gegeben wird. Dem ist jedoch nicht so, wie Böttger betont. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Erstens, es existieren resistente Formen, die keinen oder einen sehr geringen «fitness cost» bezahlen. Dies ist etwa bei der oben erwähnten Streptomycin-resistenten Form des Bakteriums Mycobacterium tuberculosis der Fall.

Fitte Mutanten

Zweitens kann es möglich sein, dass die resistenten Bakterien sich weiter genetisch verändern (mutieren) und Formen entstehen, die den «fitness cost» wieder ausgleichen, gleichzeitig aber die Resistenz erhalten. Solche kompensatorischen Mutationen wurden bislang ausschliesslich in Experimenten im Labor beobachtet. Bisher war aber unklar, ob diese auch bei tatsächlichen Erkrankungen eine Rolle spielen.

Böttger und sein Team konnten nun in ihrer jüngsten Arbeit aufzeigen, dass gut ein Prozent der überlebensfähigen, gegen ein Aminoglykosid-Antibiotikum resistenten Bakterien solche kompensatorischen Mutationen aufweisen. Damit ist klar, dass kompensatorische Mutationen bei Patientinnen und Patienten tatsächlich vorkommen und bei Therapie-Entscheidungen und der Planung von Programmen zur Tuberkulose-Bekämpfung berücksichtigt werden müssen.

Genaue Analyse nötig

Wenn kompensatorische Mutationen im Falle der Aminoglykosid-Resistenz vorkommen, so ist damit zu rechnen, dass sie auch bei Resistenzen gegen andere Medikamente entstehen können, so Böttger. Noch sind solche allerdings nicht bekannt. Therapie-Entscheidungen sind damit nicht einfacher geworden, dessen ist sich Böttger bewusst. «Aber das Wissen darum, dass wir mit kompensatorischen Mutationen rechnen müssen, hilft uns, mögliche Fehler zu vermeiden.»

Eine Therapie muss nach Möglichkeit so ausgelegt sei, dass sich solche kompensatorischen Mutationen gar nicht ausbilden können. «Search and destroy», lautet in diesem Fall Böttgers von der US-Militärdoktrin entlehnte Strategie. «Das heisst, dass wir resistente Erreger aktiv suchen und dann gezielt bekämpfen müssen.»