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Die Bevölkerung möchte einerseits maximalen Schutz, auf der anderen Seite reagieren die meisten Menschen sensibel auf die Einschränkung der Freiheitsrechte. Nicht so bei der Videoüberwachung. Dort ist die Akzeptanz hoch.
Über die Frage, wie sinnvoll der Einsatz von Videokameras als Präventionsinstrument ist, diskutierten am Mittwoch Daniel Jositsch, SP-Nationalrat und Strafrechtsprofessor, Marcel Studer, Datenschutzbeauftragter der Stadt Zürich, Rolf Nägeli von der Stadtpolizei Zürich und Nino Cozzio, Stadtrat in St. Gallen. Moderiert wurde die Diskussion von Professor Christian Schwarzenegger vom Kriminologischen Institut der Universität Zürich.
In der Schweiz ist die Zahl von Videoüberwachungsanlagen in den letzten Jahren rasant gestiegen. Vorreiterin war die Stadt St. Gallen: Dort beobachten seit 2006 eine ganze Reihe von Videokameras rund um die Uhr das Geschehen an ausgewählten Plätzen und Unterführungen, aber auch im Fussballstadion.
Bedenken gegenüber dieser flächendeckenden Art der Überwachung äusserte Marcel Studer, Datenschutzbeauftragter der Stadt Zürich. Dem Kampf gegen das Verbrechen wesentliche Freiheitsrechte zu opfern, sei besorgniserregend. Es dürfe nicht blind agiert werden, sondern man müsse sorgfältig abwägen, wann und wo eine Videoüberwachung sinnvoll sei. Dazu komme, dass in vielen Kantonen, etwa auch im Kanton Zürich, die Rechtslage unklar ist.
Sicherheitsgefühl als Lebensqualität
Rolf Nägeli, Chef des «Kommissariats Prävention» der Stadtpolizei Zürich, relativierte: «Die Polizei will ja nicht überall Kameras aufstellen. Als technische Hilfsmittel sollten sie im vernünftigem Rahmen eingesetzt werden und bei der Verbrechensaufklärung helfen.»
Nino Cozzio, St. Galler Stadtrat, verteidigte den Einsatz von Videokameras ebenfalls. Die Menschen hätten nachts in bestimmten Gegenden Angst. Deshalb hätten Stadtregierung und -parlament beschlossen, an neuralgischen Stellen Kameras aufzustellen. Etwa in Unterführungen, die viele Personen nicht umgehen können oder auf Plätzen, die man auch nachts überqueren müsse.
Die Daten würden hundert Tage lang aufbewahrt und dann wieder gelöscht. Nur die Polizei könne die Filme anschauen, nämlich dann, wenn jemand auf den Notrufknopf gedrückt habe. «Das Sicherheitsgefühl gehört nun mal zur Lebensqualität in einer Stadt», meinte Cozzio.
Zahlen, ob die Verbrechensrate durch die Kameras zurückgegangen sei, liegen laut Cozzio nicht vor. «Doch wenn wir nur ein Verbrechen verhindern können, dann ist schon etwas gewonnen».
Trügerische Sicherheit
Die Kameras könnten ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln, gab hingegen SP-Nationalrat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch zu bedenken. Der Kamera-Effekt nütze sich unter Umständen schnell ab, und es käme der Ruf nach verstärkten Sicherheitsmassnahmen auf, die dann wieder auf Kosten der persönlichen Freiheit etabliert würden. Die Total-Überwachung durch Videokameras – wie sie etwa in London praktiziert werde – sei eine Horrorvorstellung.
Der Einsatz von solchen Kameras werde in der Schweiz kantonal geregelt. Eine gesamtschweizerische Regelung sei anzustreben, denn die Probleme seien ja in jedem Kanton gleich, meinte Jositsch. Damit wäre die Kontrolle über das Bildmaterial auch einheitlich geregelt.
Hohe Akzeptanz in der Bevölkerung
Moderator und Rechtsprofessor Christian Schwarzenegger wies darauf hin, dass die Akzeptanz von Videokameras in der Schweiz recht hoch sei. «Die Menschen setzen auf den präventiven Effekt, die Privatsphäre wird nicht so hoch gehalten.»
Der Wunsch nach vermehrter Überwachung käme häufig auch von administrativen Stellen, sagte Datenschützer Studer. So würden manche Schulbehörden gerne die Schulareale überwachen lassen.
Sinnvoll sei die Überwachung eigentlich nur bei den «Hot Spots» der Kriminalität, bilanzierte Jositsch, etwa in Fussballstadien, an Orten also, wo sich Tätergruppen tatsächlich einfinden. Und überhaupt: Im Sinne der Prävention sei die Präsenz von Polizistinnen und Polizisten nach wie vor das beste Mittel.