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Spezialprogramm Universitäre Medizin (SPUM)

Wenn sich der Schmerz verselbstständigt

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützt Nachwuchsforschende in der Medizin mit einem neuen Programm. An der Universität Zürich profitieren in den kommenden drei Jahren vier Forschungsgruppen davon. Oberarzt Dr. Konrad Maurer beispielsweise verfolgt neue Ansätze in der Schmerzbehandlung.
Adrian Ritter
Verfolgen neue Ansätze in der Schmerzbehandlung: Oberarzt Dr. Konrad Maurer (links) und Prof. Donat R. Spahn.

Ein Stich, ein Schlag, ein Schmerz. Verletzen wir uns beispielsweise an der Hand, geben Schmerz leitende Nervenzellen diese Information ans Zentralnervensystem weiter. Dort resultiert nach Prozessen der Verstärkung und Abschwächung solcher Impulse das, was wir effektiv als Schmerz wahrnehmen. Bei Bedarf lassen sich solche akuten Schmerzen mit Medikamenten relativ gut behandeln. Und ist die Verletzung verheilt, hört der Schmerz wieder auf.

Plastizität mit Nachteilen

Gerade bei länger andauernden Schmerzen kann aber die Schmerzempfindung aus dem Gleichgewicht geraten. Sind Synapsen nämlich fortgesetzt denselben Impulsen ausgesetzt, hinterlässt das Spuren und führt zu biochemischen Veränderungen im Nervensystem. «Die Plastizität des Nervensystems kann dazu führen, dass der Schmerz sich verselbstständigt und zu einer eigentlichen ‚Schmerzkrankheit’ wird», so Konrad Maurer, Oberarzt am Institut für Anästhesiologie am Universitätsspital Zürich (USZ) und Leiter des dortigen Schmerzforschungslabors.

In der Schweiz sind fast zwanzig Prozent aller Erwachsenen von chronischen Schmerzen betroffen. Zwei Drittel von ihnen sind mit der Schmerzbehandlung unzufrieden, weil sie unwirksam ist oder unerwünschte Nebenwirkungen zeigt.

Aus dem Gleichgewicht

Wie es dazu kommt, dass das neuronale Gleichgewicht aus den Fugen gerät, und wie es wieder beruhigt werden kann, dieser Frage geht das Forschungsprojekt «Neue Ansätze zur Behandlung chronischer Schmerzen» nach. Es ist eines von zehn Projekten, welches der SNF im Rahmen des Spezialprogramms Universitäre Medizin unterstützt (vgl. Kasten).

Beteiligt daran sind die Universitäten Zürich, Lausanne, Bern und Genf. Die Universität Zürich ist «Leading House», unter der Leitung von Prof. Donat R. Spahn vom Institut für Anästhesiologie und Prof. Hanns Ulrich Zeilhofer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UZH.

Schmerzen dämpfen an der Körperperipherie …

Das Projekt von Dr. Konrad Maurer wird sowohl die Schmerzübertragung in den peripheren Nervenzellen, also beispielsweise einer Hand, wie auch die Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem näher untersuchen.

In den peripheren Nervenzellen werden Schmerzimpulse unter anderem über Natriumkanäle weitergegeben. Es gibt insgesamt neun verschiedene Subtypen von solchen Kanälen, wobei bisher vor allem zwei speziell in den Zusammenhang mit Scherzen gebracht wurden. Neuerdings hat sich ein neuer Subtyp von Natriumkanal ebenfalls als essentiel wichtig in der Übertragung von Schmerzen erwiesen.

Das Projekt von Maurer wird das Zusammenspiel dieser Natriumkanäle untersuchen. So interessiert etwa, ob ein neues Medikament gegen Epilepsie auch dazu geeignet ist, spezifische Natriumkanäle und damit die Schmerzleitung zu blockieren.

… und im Zentralnervensystem

Aber auch wenn die Schmerzimpulse bereits im Zentralnervensystem angelangt sind, gibt es Möglichkeiten, sie zu dämpfen. Prof. Zeilhofer konnte in Tierversuchen zeigen, dass die Stoffklasse der Benzodiazepine – normalerweise als Schlafmittel genutzt – auch schmerzlindernd eingesetzt werden könnten. «Mit dieser Idee wollen wir in den kommenden drei Jahren weiter arbeiten», so Konrad Maurer.

Die Forschenden der beteiligten Hochschulen bringen dabei ihre jeweilige Expertise mit verschiedenen Forschungstechniken ein. So sind die UZH-Forschenden etwa besonders gut vertraut mit elektrophysiologischen Techniken, bei welcher ganze Nerven oder auch nur einzelne Nervenzellen elektrisch erregt werden und so ihre Eigenschaften bezüglich der Übertragung von Signalen und der Modulation durch Medikamente untersucht werden können. Diese Untersuchungen können sowohl in Tierversuchen als auch an Menschen durchgeführt werden. An drei der beteiligten Universitätsspitäler sind zudem Tests mit 40 bis 60 Probanden geplant.

Erstes Netzwerk der Schmerzforschung

Bis in drei Jahren, so ist Konrad Maurer zuversichtlich, sollte klar sein, ob sich die erwähnten Stoffklassen als Grundlage für neue Schmerzmedikamente eignen: «Neue, spezifischere Schmerzblocker könnten richtungweisend sein für die Schmerztherapie der Zukunft», so Maurer.

Das vom SNF geförderte Projekt ist gemäss Donat R. Spahn zudem ein wertvoller Beitrag zur Forschungszusammenarbeit: «Es ist das erste Mal, dass in der Schweiz ein eigentliches Netzwerk der Schmerzforschung entsteht. Davon verspreche ich mir neue Impulse für weitere, gemeinsame Forschungsprojekte.»