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Der blaue Hase will einfach nicht wieder aufstehen. Anna zerrt ihn an den Ohren, wirbelt ihn durch die Luft: «Ich will ihn wieder auf alle Viere kriegen», ruft sie ihrem Bruder Lukas zu, der die verzweifelten Bemühungen seiner Schwerster lachend mitanschaut. Im Zelt Nr. 15 zeigen Informatiker, wie die «Zukunft der Computergrafik» aussieht.
Die neunjährige Anna und ihr elfjähriger Bruder Lukas aus Zürich sind von der so genannten «Echtzeitsimulation deformierbarer Körper» ganz begeistert.
Per Computermaus können die Geschwister auf dem Bildschirm unter anderem einen lilafarbenden Teletabbie, einen Kaktus oder eben jenen blauen Hasen beliebig in alle Richtungen dirigieren, die Figuren umstossen, auf den Kopf stellen oder über den Bildschirm zerren. So erfahren sie spielerisch, wie zum Beispiel Ärzte Operationen simulieren oder Spezialeffekte in Trickfilmen entstehen.
Multimedial, interaktiv oder einfach nur informativ – an den Exponaten der über 500 Forschenden hatten am Freitagabend nicht nur Kinder ihren Spass. Über 25.000 Besucher waren der Einladung der der Universität Zürich (UZH) und der ETH Zürich gefolgt, die, gemeinsam mit der Alstom (Schweiz) AG sowie weiteren Zürcher Forschungsinstitutionen und Unternehmen, ihre Gäste einmal mehr in die spannende Welt der Wissenschaft entführten.
Über 100 Projekte aus sieben Themenbereichen konnten bestaunt werden – in 20 Zelten auf dem Forschungsmarkt beim Bürkliplatz, auf 52 Schiffsrundfahrten auf dem Zürichsee und in fünf verschiedenen Science-Shows auf der Bühne am Kongresshaus.
Moleküle aus Gummibärchen
Das Angebot in dieser dritten «Nacht der Forschung» ist ebenso gross wie abwechslungsreich, und je später der Abend, desto mehr Menschen drängen sich durch die Zelte und an den Bootsstegen. Doch das nimmt die neunjährige Anna kaum wahr.
Sie hat ihren Lieblingsplatz schnell gefunden: Bei den Chemikern der Universität Zürich bastelt sie hochkonzentriert an einem Graphitmolekül aus Zahnstochern und Gummibärchen, während auf der grossen Showbühne gegenüber, Forschende, Künstler und Komiker dem Publikum demonstrieren, wie man den Gletscherschwund bestimmt, oder erklären, wie die Blasen ins Brot kommen.
Etwas intimer und gemütlicher, aber nicht minder spannend, geht es während der 20- bis 45-minütigen Schiffsrundfahrten auf dem Zürichsee zu. Hier berichten etwa Stephan Fagerer und Pawel Urban vom Departement für Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH Zürich über den vielseitigen Einsatz von Mikroorganismen, und geben ihren Zuschauern, ganz nebenbei, gleich eine kleine Einführung in das Brauen von Bier für den Hausgebrauch.
Und Angela Schölling, Sergei Lupashin und Philipp Reist vom Institut für dynamische Systeme und Regelungstechnik lassen ihren Roboter «Charly» durch die Kabine des Zürichseedampfers «Rosenstadt» fliegen und ihn als Höhepunkt sogar einen Doppelsalto vollführen. Nur vier Wochen habe es gedauert, so erfahren die begeisterten Zuschauer, bis die drei Ingenieure den akrobatischen Roboter – eine Art Minitaturausgabe des «Raumschiff Enterprise» mit vier Propellern – entsprechend programmiert hatten, und er das rasante Manöver «gelernt» habe.
Reger Austausch bis Mitternacht
Besonders die Kinder sind von den fliegenden Maschinen begeistert, die nicht nur auf dem Schiff und der Showbühne, sondern auch «Open Air», am Ufer des Zürichsees, ihre Kunststücke vorführen. Dort stehen auch die meisten der insgesamt 20 Zelte; jedes davon lädt zu einem anderen wissenschaftlichen Abenteuer ein. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie man Regen mit Mobiltelefonantennen misst, wie das Gehirn funktioniert oder sich Tiere verständigen, ist hier genau richtig.
Bis Mitternacht stehen die Forscher den Besuchern Rede und Antwort. Doch da sind Anna und Lukas schon längst wieder daheim – mit zahlreichen Erinnerungsfotos im Rucksack und einem leidenschaftlichen Berufswunsch: «Ich möchte auch einmal Informatiker werden», sagt Lukas.
Er wolle einfach alles verstehen, was mit Computern zu tun habe und vor allem endlich programmieren lernen. Am liebsten würde er ein Computerspiel entwickeln, so wie die Informatiker im Zelt Nr. 15 – wo seine Schwester Anna, kurz vor dem Nachhauseweg, den blauen Hasen schliesslich doch noch wieder auf alle Viere kriegt.