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Proteomanalysen von Modellorganismen

Was Fliege und Wurm vereint

Forscher der Universität Zürich und der ETH Zürich haben zum ersten Mal die Proteome von zwei verschiedenen Organismen verglichen. Dabei haben sie erstaunliche Übereinstimmungen entdeckt bei zwei Tieren, die von aussen betrachtet verschiedener nicht sein könnten.
Peter Rüegg

In einer neuen Publikation in PloS Biology haben Forscher der Universität Zürich (UZH) und der ETH Zürich zum ersten Mal einen Vergleich der Proteome von zwei verschiedenen mehrzelligen Modellorganismen vorgenommen. Die Forscher verglichen das Protein-Inventar des Fadenwurms Caenorhabditis elegans mit dem der Taufliege Drosophila melanogaster. Dieser Vergleich war möglich, weil die Forscher in den letzten Jahren die Proteine der Fliege und des Wurms inventarisiert haben und die Daten im Zürcher Kompetenzzentrum für Proteomanalysen, dem «Center for Model Organism Proteoms» der Universität Zürich (C-MOP) systematisch gesammelt werden.

Verbindet mehr als man meint: Beim Wurm C.elegans und der Fliege Drosophila melanogaster stimmt ein grosser Teil der orthologen Proteine überein.

Wurm durchleuchtet

Das Proteininventar für die Taufliege stammt von einer früheren Arbeit, die 2007 publiziert wurde. Damals konnte ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Universität Zürich und ETH Zürich fast zwei Drittel des vorausgesagten Proteoms – insgesamt über 9100 Proteine - von Drosophila melanogaster erheben und katalogisieren.

Die Protein-Ausstattung des Fadenwurms hat nun die Arbeitsgruppe von Michael Hengartner, Professor für Molekularbiologie an der UZH, erhoben. Bei ihrer Untersuchung fanden die UZH-Forschenden fast 11‘000 Proteine und 10‘600 Gen-Loci. Ein Teil der Gene sind durch diese Arbeit «neu» bekannt geworden. Man konnte sie vorher zwar mit Computerberechnungen voraussagen, der experimentelle Nachweis glückte aber erst mit dieser ausgedehnten Kartierung. Damit können die Forscher ihre Genom-Annotationen verfeinern, sprich: genauer festlegen, welche Gene des Genoms aktiv sind und an welchem Ort des Genoms sie liegen. Bis anhin waren beim Wurm mehr als 19‘000 Gene bekannt, denen 22‘000 Proteine zugewiesen werden konnten.

Für den Vergleich der beiden Protein-Inventare verwendeten die Forscher nur einen Teil der gefundenen Gene respektive ihrer Proteinprodukte. Sie beschränkten sich auf die rund 2700 orthologen Gene. Solche Gene stammen von gemeinsamen Vorgänger-Genen ab und werden in den neu entstehenden Organismen beibehalten. Auch wird deren Funktion im Lauf der Evolution beibehalten.

Für die Häufigkeit solcher orthologer Proteine fanden die Forscher eine grosse Übereinstimmung zwischen Fliege und Fadenwurm. «Die Korrelation zwischen den beiden Organismen ist erstaunlich hoch», betont Michael Hengartner. Und dies, obwohl sich die beiden seit hunderten von Millionen Jahren separat entwickelten.

Dass die beiden Tiere trotz grosser Proteinähnlichkeit dennoch so unterschiedlich sind, hängt damit zusammen, dass bei der Übersetzung von einem Abschnitt auf der DNS zum fertigen Protein viele Zwischenschritte nötig sind, die unzählige Möglichkeiten für Variationen – beispielsweise durch unterschiedliche Regulation der Gene - eröffnen. «Die Evolution hat die Möglichkeit, bei den Zwischenschritten zu spielen», so der Molekularbiologe.

Da die Proteine von C. elegans und Drosophila darüber hinaus auch menschlichen Proteinen gleichen, vermuten die Forscher, dass ein Proteom-Vergleich von Mensch und Wurm ähnliche Ergebnisse bringen wird.

Weltweit einmalige Einrichtung

Voraussetzung für solche Vergleiche sind Proteindatenbanken wie das C-MOP, wo Daten zusammenlaufen, die nach einheitlichen Standards von verschiedenen Forschungsgruppen erhoben werden.  Dieses Kompetenzzentrum für Proteomdaten von Modellorganismen gilt derzeit als weltweit einmalige Institution, die von der Vorläuferorganisation des heutigen SystemsX.ch, dem ehemaligen SystemsX, gegründet wurde. Die Daten sollen schliesslich auch weiteren, an Proteomik interessierten Forschenden unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden und stellen einen grossen Wert für die biologische Grundlagenforschung dar.

Zusammen mit den Protein-Inventaren von Drosophila und C. elegans verfügt das Center for Model Organism Proteoms auch über Proteomdaten von Arabidopsis thaliana, der Modellpflanze schlechthin. Damit hat das C-MOP eine weltweit einmalige Datenbank über die Proteome von Modellorganismen geschaffen.

Noch immer ist die Proteom-Forschung sehr aufwändig und komplex. Während dem sich Genome mittlerweile relativ rasch und günstig vollständig seqzuenzieren lassen, ist es nach wie vor sehr schwierig, Proteine – die Genprodukte – zu inventarisieren. Ruedi Aebersold, Professor für Funktionelle Genomik an der UZH und ETH möchte deshalb in weiteren Schritten Proteomanalysen vereinfachen. Die Idee ist, nach Proteinen zu suchen, die als Indikatoren das Genom genügend gut charakterisieren, ohne dass dafür das Proteom umfassend bekannt sein muss.

Dazu bräuchte Aebersold beispielsweise bestimmte Peptidfragmente, die Proteine charakterisieren. «Das ist wie eine vereinfachte Darstellung einer Landkarte. Wenige Punkte genügen, um den richtigen Weg zu finden», sagt er. Für die Systembiologie sei es wichtig, Proteome schneller und günstiger ausmessen zu können, denn die biologische Forschung wolle auch Veränderungen in einem Organismus messen können. Wird beispielsweise ein Gen blockiert, kann dies auf Zellniveau Stress auslösen. Die grosse Frage aber ist, wie verhält sich das System als Ganzes, und nicht bloss ein Signalweg, der gestört ist?

Und schliesslich wollen die Forscher – wie beim Vergleich von Wurm und Fliege – mithilfe der Proteomik Evolution und Abstammungsgeschichte klären. So sind bei Schimpanse und Mensch zahlreiche Gensequenzen sehr ähnlich. Trotzdem sind die beiden Arten stark verschieden, insbesondere was die Hirnleistung betrifft. «Der Sequenzvergleich reicht nicht, um diesen Unterschied zu erklären», weiss Aebersold. Um diese stark verschiedene Ausprägung des Phänotyps zu erklären, brauche es weitreichende Analysen der Proteine und der Netzwerke, die sie bilden.