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Wochenende für Wochenende stapfen in der Schweiz tausende von Freizeitsportlern über akurat geschorenes Gras und versuchen einen kleinen Ball in ein ebenso kleines Loch zu versenken. Ihre Erwartungen sind hoch, der Erfolg meist mässig.
Anders wenn Profigolfer den Schläger schwingen. Was können sie besser und weshalb? Diesen Fragen gingen der Zürcher Neuropsychologe Lutz Jäncke und sein Team nach. Das Ziel der Wissenschafter: Zeigen, dass Üben und Lernen das Gehirn des Menschen verändern und dass diese Plastizität sichtbar ist. Golf ist deshalb ein gutes Beispiel, weil ein guter «Swing» sehr viele Fertigkeiten («skills») verlangt. Körperbeherrschung, Timing und Koordination sind extrem anspruchsvoll.
Was wir trainieren, verändert das Gehirn
Die Wissenschafter verglichen die Gehirnstrukturen von vierzig Testpersonen und befragten sie nach ihren Trainingsmethoden. Zehn der Befragten waren professionelle Golfer (Handicap 0). Zehn verfügten über ein überduchschnittliches Können (Handicap 1 bis 14). Zehn spielten durchschnittlich (Handicap 15 bis 36) und zehn hatten noch nie Golf gespielt – nicht einmal Minigolf.
Das Resultat der Studie reiht sich ein in frühere Untersuchungen über Musiker, Eishockespieler, Handballerinnen oder Jongleure. «Der Tenor», erklärt Jäncke, «ist stets derselbe. Alles, was wir trainieren, verändert das Gehirn. Je mehr jemand trainiert und je früher damit angefangen wird, desto mehr verändern sich die Hirnregionen, in welche die entsprechenden Fertigkeiten eingebunden sind.»
Doch aufgepasst, wer jetzt denkt, sein Handicap einzig und allein mit stundenlangem Training den Profis anzugleichen, liegt falsch. «Im Unterschied zu Musikern ist die Korrelation „practice makes perfect“ bei Golfspielern nicht linear», sagt Jäncke. «Wir haben herausgefunden, dass der maximale Wirkungsgrad für die Plastizität des Gehirns bei einer Trainingsintensität von 800 bis 3000 Stunden liegt.»
Quantität am Anfang, erst danach kommt Qualität
Heisst das also, Üben ist gut, aber nur bis zu einem gewissen Punkt? «Im Prinzip ja», meint Jäncke. «Am Anfang ist immer Intensität. Doch irgendwann fängt die Feinjustierung an. Wahrscheinlich beginnt dieser Prozess dann, wenn im Gehirn genügend neuronale Ressourcen produziert sind. Wir vermuten, dass danach die Nervenzellen Verbindungen ausbilden, um die Abläufe perfekt in den Griff zu kriegen.» Auf den Punkt gebracht: «Quantität am Anfang, Qualität danach.»
Von Erklärungsversuchen die besondere Leistungen oder Fähigkeiten hauptsächlich auf «genetische Determiniertheit» zurückführen, hält Jäncke nicht viel. Zwar sei vieles vererbt, aber «ebenso viel ist offen, basiert auf Erfahrung, Fleiss und Übung. Ich gucke auf den Teil, den Menschen verändern können. Unser Gehirn ist eine Lernmaschine.»
Dass es talentierte und weniger talentierte Menschen – auch unter den Golfern – gibt, stellt Jäncke nicht in Abrede. «Alle fangen bei Null an, viele werden gut, wenige sehr gut und einer ist der Beste. Das ist vielleicht der kleine genetische Unterschied.» Doch daraus den Schluss zu ziehen, nichts Neues lernen zu können, ist «völliger Unsinn».