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Die Entwicklung der Fortpflanzungsmedizin lässt Paare mit unerfülltem Kinderwunsch hoffen. Doch die Behandlung ist beschwerlich und der Ausgang Glückssache. Eine weitere Problematik betrifft die Erzeugung so genannter «überzähliger» Embryonen. Die künstliche Befruchtung wird, um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen, meist an mehreren Eizellen durchgeführt.
Es werden dabei in der Regel mehr Embryonen erzeugt als gebraucht, denn nicht alle werden der potenziellen Mutter eingepflanzt. Wie mit den «überschüssigen» Embryonen umgegangen wird, beziehungsweise werden soll, ist ein ethisch-moralisches Problem, das in der Schweiz unterschiedlich diskutiert wird. Mit dem Stammzellenforschungsgesetz ist es in der Schweiz zulässig, aus überzähligen menschlichen Embryonen Stammzellen zu gewinnen und an diesen zu forschen. Verboten ist die Weitergabe der Embryonen an andere Paare.
Siebzig Prozent der Schweizer Paare, die wegen Unfruchtbarkeit ein Retortenbaby zeugen lassen, sind bereit, Embryonen für die medizinische Forschung zu spenden: So lautet das Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich, das im Wissenschaftsjournal «Human Reproduction» veröffentlicht wurde. 52 Prozent waren der Ansicht, dass die Embryonenspende an andere Paare erlaubt sein soll, allerdings gehen die Meinungen auseinander, ob dabei die Identität der biologischen Eltern preisgegeben werden soll.
Die Einstellung der betroffenen Paare zum Umgang mit den «überzähligen» Embryonen ist bisher noch nie erhoben worden. Präventivmediziner Felix Gutzwiller, wissenschaftlicher Leiter der Studie, ist von der hohen Spende-Bereitschaft der «Eltern» überrascht: «Die Eigner zeigen sich insgesamt offener und altruistischer als das Gesetz im Moment zulässt.»
Für die Studie hat ein Team des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich zusammen mit der Frauenklinik des Kantonsspitals Baden und den schweizerischen Zentren für Fruchtbarkeitsmedizin mittels Fragebogens 926 Frauen und Männer befragt, die eine In-Vitro-Fertilisation vornehmen liessen. Die Untersuchung wurde in der deutsch- und französisch sprechenden Schweiz durchgeführt. Die befragten Personen waren mehrheitlich der Meinung, dass sowohl die Forschung an überzähligen Embryonen als auch die Embryonen-Spende nur unter strikten Rahmenbedingungen möglich sein sollten.
Als sehr wichtig erachten die Paare die Schutzwürdigkeit des Embryos. Dieses Kriterium beeinflusste ihre Haltung zur ihre Verwendung der Embryonen am stärksten. Einen Unterschied machte es, ob die Behandlung erfolgreich verlief oder nicht: War die künstliche Befruchtung erfolgreich und hatte das Paar ein Kind, dann war es eher skeptisch bezüglich einer Embryonen-Spende an andere Paare. «Das lässt sich psychologisch erklären», meint Gutzwiller. «Paare, deren lang ersehnter Kinderwunsch endlich erfüllt wird, möchten die eigenen Embryonen nicht woanders aufwachsen sehen.»
Religiöse Eltern, eher ältere Befragte und Befragte aus der welschen Schweiz hatten eine eher positive Einstellung zur Verwendung von überzähligen Embryonen für die medizinische Forschung.
Gemäss dem Stammzellenfoschungsgesetz, das seit 2004 in Kraft ist, liegt es an den Paaren zu entschieden, ob die Embryonen der Forschung zur Verfügung gestellt werden sollen oder nicht. Die Entscheidung bringt Paare oft in moralische Schwierigkeiten. Für Gutzwiller ist deshalb die Diskussion in Bezug auf die Verwendung der überzähligen Embryonen noch nicht abgeschlossen. Insbesondere müsste im Hinblick auf die hohe Spendenbereitschaft der betroffenen Paare das derzeitige Verbot einer Weitergabe der Embryonen an andere Paare diskutiert werden.