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Supercomputer

Mit 50 TeraFlops den Anschluss wieder hergestellt

Ein Computer so gross wie ein Wohnzimmer. Wozu ein normaler Personalcomputer 1000 Jahre benötigen würde, braucht der neue Hochleistungsrechner der Universität Zürich sechs Monate. Chemiker und Biochemiker werden damit bald ganze Molekülsysteme berechnen können und Astrophysiker die Bildung von Galaxien.
Roland Gysin
Supercomputer «Schrödinger»: «Sie verhalten sich wie eigenständige Lebewesen.»

Sein Name ist «Schrödinger», und er ist ein Supercomputer. «Fast alle Hochleistungsrechner haben einen Namen», sagt Daniel Wyler, Professor für Theoretische Physik. Und Alexander Godknecht, Abteilungseiter IT-Infrastruktur der Universität Zürich, ergänzt: «Sie verhalten sich wie eigenständige Lebewesen».

«Wir wollten eine spezielle Bezeichnung», sagt Wyler. Der österreichische Physiker Erwin Schrödinger lehrte von 1921 bis 1927 theoretische Physik an der Universität Zürich, auf demselben Lehrstuhl, den zuvor Albert Einstein innehatte. 1933 erhielt er den Nobelpreis für seine Arbeiten zur Quantenphysik. Mit seinem Werk «What is Life?» von 1944 gab er entscheidende Impulse für die Molekularbiologie. Der neue Supercomputer soll an ihn und seine Beziehung zu Zürich erinnern.

Gebaut hat ihn die Firma Sun Microsystems (Schweiz) AG im Auftrag der Universität Zürich. Eine treibende Kraft war die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät (MNF).

Zwölf Mal mehr Leistung als «Matterhorn»

«Schrödinger» ist nicht der erste Grossrechner der MNF. Am Institut für Theoretische Physik entwarfen Professor Ben Moore und Joachim Stadel 2003  die «zBox 1», für «Zürcher Box 1». 2005 folgte die «zBox 2» und mittlerweile wurde «zBox 1» aufgerüstet zur «zBox 3». Und seit Ende 2003 steht den Forschern der Hochleistungsrechner «Matterhorn» zur Verfügung.

Alexander Godknecht: «Was sinnvoll ist, entscheidet die Wissenschaft.»

Doch jetzt kommt «Schrödinger», eine Maschine so gross wie ein Wohnzimmer. Und ein Quantensprung mit rund zwölf Mal mehr Leistung als «Matterhorn». Die Kosten von 3,4 Millionen Franken teilen sich die beteiligten Forscher, die Universität Zürich und zwei private Stiftungen, die 1,25 Millionen Franken beisteuerten.

Für Mitinitiator Daniel Wyler genauso wie für Alexander Godknecht ist unbestritten, dass die Universität einen neuen Hochleistungsrechner gebraucht hat, um den Anschluss ans internationale Umfeld nicht zu verlieren.

Zudem sei «Schrödinger» eine ideale Vorbereitung für noch stärkere Computer, etwa für «Monte Rosa» im Supercomputer-Zentrum des Bundes (CSCS) in der Nähe von Lugano.  «Wir möchten in der Poleposition sein. Sprich: vorbereitet sein, bald auch auf den neuen Rechnern des CSCS Berechnungen durchführen zu können», sagt Wyler.

Daniel Wyler: «Schrödinger» war nötig, um den Anschluss ans internationale Umfeld nicht zu verlieren.

Auf höchste Energieeffizienz getrimmt

Die Vorgaben für «Schrödiger», die der Hersteller zu erfüllen hatte, waren anspruchsvoll. Der Supercomputer sollte leistungsstark und gleichzeitig sparsam im Stromverbrauch sein. Sowohl die Wünsche der künftigen Anwender nach möglichst viel Rechenpower als auch die finanziellen und energetischen Vorgaben der Universitätsleitung wurden erfüllt.

Obwohl «Schrödinger» auf «höchste Energieeffizienz getrimmt» ist, sind die Zahlen eindrücklich: Der Supercomputer wird soviel Strom wie 300 Schweizer Haushalte verbrauchen, mit Kosten für Betrieb und Kühlung von jährlich 500'000 Franken. Bei einem Gesamtstromverbrauch der Universität Zürich im Betrag von 6,9 Millionen Franken ein happiger Posten.

Und wie steht es mit der Leistung? Dank «Schrödinger» werden zum Beispiel Biochemiker der Universität bald in der Lage sein, das Verhalten von komplexen Molekülsystemen immer realitätsnaher zu simulieren.

Und die Astrophysiker werden die Entstehung von einzelnen Sternen und möglicherweise auch Planeten aus der «Ursuppe» nachahmen können. Der Supercomputer wird Berechnungen in sechs Monaten ausführen, für die ein normaler Personalcomputer – wäre er denn dazu in der Lage – 1000 Jahre benötigen würde.

Blick ins Innere des Supercomputers: Erfahrung zeigt, dass noch so starke Rechner nach drei bis vier Jahren veraltet sind.

Die ersten «Aufträge» wird «Schrödinger» in rund vier Wochen ausführen. Und bereits stehen Physiker und Chemiker Schlange. Doch der Rechner soll gemäss Godknecht zu zehn Prozent auch anderen Fachrichtungen offen stehen. Etwa den Wirtschaftswissenschaftlern für Risikoanalysen.

Unter den 100 stärksten Computern der Welt als Ziel

Die Erfahrung zeigt, dass nach drei bis vier Jahren jeder noch so starke Rechner veraltet ist und den Anforderungen vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht mehr genügt.

Der Bedarf an Rechenleistung kennt keine Grenzen. Es gibt immer noch komplexere Simulationen, welche die verschiedenen Systeme noch genauer beschreiben können. «Was sinnvoll ist, muss schlussendlich die Wissenschaft entscheiden», meint Godknecht. Wohin die Reise geht, lässt sich aus dem weltweiten Ranking von Supercomputern, einer Rangliste der 500 leistungsfähigsten Grossrechner, erahnen.

Die Liste wird zwei Mal jährlich nachgeführt. Seit Juni 2008 steht der Supercomputer «Roadrunner» an der Spitze. Sein Standort: Das Forschungszentrum Los Alamos im Bundesstaat New Mexiko (USA). Seine Leistung: 1,105 PetaFlops. Das sind 200 Mal mehr als die 50 TeraFlops des Zürcher «Schrödinger».

Wyler und Godknecht hoffen, dass es «Schrödinger» beim nächsten Ranking im November unter die besten 100 Rechner schafft.