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Peer Steinbrück formuliere gern markig, meinte Linguistikprofessor Josef Klein. Er stehe jedoch in einer Tradition, die von deutschen Politikern wie Herbert Wehner, Franz Josef Strauss oder dem frühen Helmut Schmidt – auch Schmidt-Schnauze genannt – mitbegründet worden sei. In der Schweiz bestünden seiner Ansicht nach zwei Tendenzen: Während mit dem Abstimmungsbüchlein das Volk sachlich orientiert werde, gebe es auf der anderen Seite mediale Foren wie die «Arena»; eine verbale Schlägersendung, wie es sie in Deutschland nicht gebe.
Auf Einladung des Deutschen Seminars, Lehrstuhl Christa Dürscheid, waren unter der Moderation von NZZ-Redaktor Urs Bühler, die Politologin Regula Stämpfli, Thomas Abegglen, Leiter der Abteilung Information&Kommunikation der Bundeskanzlei, UZH-Prorektor Otfried Jarren und der Linguist Josef Klein zusammengekommen, um über ein brisantes Thema zu reden: «Wahl der Wörter – Wahl der Waffen? Traditionen und aktuelle Tendenzen der politischen Sprache und Kommunikation in der Schweiz».
Das Schweizer Misstrauen gegen laute Töne in der Politik liege im Konkordanzprinzip begründet, sagte Regula Stämpfli. Allerdings nehme die politische Polarisierung auch in der Schweiz zu, der Umgang werde aggressiver.
Prorektor Otfried Jarren – selbst Hamburger wie Steinbrück – verurteilte die ungehobelte Art des Ministers: sie sei nicht akzeptabel. Politische Sprache hänge, so Jarren, vom jeweiligen Politik- und Mediensystem ab und die Schweiz sei stark durch die direkte Demokratie geprägt. Es ginge jedoch hier nicht nur mit leiser Stimme zu und her: Beim Abstimmungskampf werde ziemlich heftig gestritten.
Was von der Regierung kommuniziert werde, sei in der Schweiz gesetzlich geregelt, somit gebe es keine Staats-PR, wie sie zum Beispiel in England hemmungslos betrieben werde. Die Verwaltungskommunikation habe eine hohe Qualität und sei nicht so parteipolitisch ausgerichtet, wie es etwa in Deutschland der Fall sei, sagte Jarren.
Auch das Mediensystem sei in der Schweiz kein Transportriemen manipulierter Meinung. Die Stellungnahmen politischer Eliten sei nach wie vor Bestandteil der Medienkultur. «Der Diskurs ist hochgradig sachlich geprägt,» meinte Jarren.
In Deutschland jedoch, hangle sich die politische Auseinandersetzung entlang der Parteilinien. «Es wird polarisiert und zwar entweder links oder rechts», so Jarren. Damit werde der politische Diskurs anders geführt als in der Schweiz und auch die Umgangsformen seien andere.
Die Schweiz sei klein: Hier würden sich die politischen Akteure besser kennen als in grösseren Ländern. Man treffe sich häufiger, zum Beispiel bei Apéros, kenne sich gut und dadurch entstehe eine andere Form der Gemeinsamkeit.
Josef Klein brachte es auf den Punkt: In Deutschland setze sich bei politischen Stammtischdiskussionen der mit der ‚grossen Klappe‘ durch, während am Schweizer Stammtisch sich nur derjenige Wort verschaffen könne, der sich mit den Abstimmungsunterlagen auseinandergesetzt habe. Regula Stämpfli relativiert: Auch in Deutschland seien die Leute recht gut informiert und helvetische Stammtische würden sich nicht sehr von deutschen Stammtischen unterscheiden.
Thomas Abegglen meinte, dass Schweizer Politiker auch deshalb vorsichtiger agieren, weil es nicht nur ums Gewinnen ginge: «Politikerinnen und Politiker müssen bei Abstimmungen immer damit rechnen, dass der Souverän anders als erwartet abstimmen wird.»
Für Abegglen spielt die Mehrsprachigkeit eine grosse Rolle in der politischen Kultur der Schweiz. Man könne nicht alle Bewohner unter einem so genannten «Fahnenwort» zusammenscharen, weil das «Fahnenwort» übersetzt werden müsse und sich dann idiomatische und mentalitätsbegründete Probleme ergeben können. Eine politische Pointe oder eine sehr bekannte Deutschschweizer Persönlichkeit finde selten in allen Landesteilen den gleichen Widerhall.
Auf die Frage, ob die SVP einen anderen Politikstil in der Schweiz etabliert habe, sagte Regula Stämpfli: «Nein, es waren die Medien, die Personalisierung und Polarisierung zuerst vorantrieben.» Und Jarren erläuterte, dass der Ruf nach starken Persönlichkeiten vor allem durch den rasanten sozialen Wandel hervorgerufen werde. Dadurch würden Einzelpersonen in der Politik wichtiger, die dann durch die Medien zusätzlich gepuscht würden – ein demokratiegefährdendes Potential.