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Ein Durchbruch für Immunologe Burkhard Becher: Er konnte bei Mäusen zeigen, dass T-Zellen auch ohne Lymphknoten aktiviert werden können. Diese Funktion kann überraschenderweise auch die Leber übernehmen.
«Wir untersuchten Autoimmunerkrankungen sowie schützende Impfungen gegen Krebs und fanden dabei heraus, dass die Funktion der T-Zellen durch das Fehlen von Lymphknoten nicht gestört wird», erzählt Burkhard Becher. «Hingegen ist sowohl die Aktivierung von B-Zellen als auch die Bildung von Antikörpern in einem hohen Masse abhängig von den Lymphknoten».
Zur Erklärung: Die weissen Blutkörperchen, sind auf verschiedene Verteidigungsaufgaben spezialisiert. In den Lymphknoten werden nebst den Antikörper-produzierenden B-Zellen auch sogenannte T-Zellen aktiviert. T-Zellen sind die «Erkennungsspezialisten» des Immunsystems. Sie bestimmen, ob B-Zellen Antikörper herstellen sollen und ausserdem steuern T-Zellen andere Abwehrzellen, um uns vor eindringenden Mikroorganismen und entstehenden Tumorzellen zu schützen.
T-Zellen tragen auf der Oberfläche empfindliche Tastfühler mit denen sie gefährliche Strukturen von ungefährlichen unterscheiden können. Diese Strukturen nennt man Antigene. Bei einer Verletzung der Haut oder bei einer Impfung werden solche Antigene von Fresszellen in die Lymphknoten transportiert. Dort treffen sie auf T-Zellen, die dann einen Immunangriff in die Wege leiten.
Die Aufgabe von B-Zellen besteht darin, massenhaft Antikörper zu produzieren. Letztlich müssen Antikörper in der Lage sein, möglichst jede körperfremde Struktur zu erkennen und sich an sie zu binden, um sie so zur Bekämpfung durch Fress- und andere Zellen freizugeben. Aufgrund all dieser Aktivitäten schwellen unsere Lymphknoten an, wenn wir uns verletzen oder geimpft wurden.
Die zentrale Rolle von Lymphknoten als Kommandozentrale dieser Prozesse galt bisher als Lehrmeinung und zentrales Dogma.
Jetzt fanden Melanie Greter, Janin Hofmann und Burkhard Becher jedoch folgendes heraus: wenn keine Lymphknoten vorhanden sind, übernimmt die Leber kurzerhand die Aktivierung von T-Zellen. «Die Tatsache, dass T-Zell-Reaktionen auch ausserhalb von Lymphknoten ausgelöst werden können, ist höchst überraschend», erklärt Burkhard Becher.
Wo also, wenn nicht in spezialisierten Lymphknoten, stossen T-Zellen auf Antigene und werden nach einer Immunisierung aktiviert? Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben die Migration von fluoreszierenden Partikeln ab der Immunisierungsstelle (d.h. der Haut) überwacht und dabei entdeckt, dass die Leber als Ersatzstruktur für die Aktivierung der T-Zellen dient.
Die Leber ist während der Embryonal-Entwicklung das erste Organ, das uns mit Blut- und Immunzellen versorgt. Offenbar hat sie diese Funktion nicht vergessen und kann uns sogar im Erwachsenenalter als «Immunorgan» dienen. Durch die Erkenntnisse Bechers wird nun auch klar, weshalb Patienten, die eine Lebertransplantation erhalten, manchmal auch die Allergien und das Immun-Repertoire des Spenders «erben».
Und es beweist, dass die Leber ein evolutionäres Überbleibsel aus einer Zeit ist, bevor sich in höher entwickelten Vögeln und Säugetieren Lymphknoten ausgebildet haben. Kaltblütige Wirbeltiere besitzen nämlich funktionstüchtige T- und B-Zellen, aber keine Lymphknoten. Lymphknoten sind für Säugetiere vorteilhaft, weil durch sie die Produktion von effizienteren Antikörpern drastisch verbessert wird. «Demgegenüber hat sich die Funktion der T-Zellen im Laufe der Evolution kaum geändert», so Becher.
«Bei unserer Studie handelt es sich in erster Linie um Grundlagenforschung», sagt Burkhard Becher. «Wir werden demnächst die Leber als ‚Lymphknoten-Ersatz‘ unter die Lupe nehmen». Dies ist vermutlich relevant für die Transplantationsmedizin. «Auch der Bezug zur Evolution des Immunsystems ist für uns extrem spannend. Alles passt jetzt viel besser zusammen und macht viel mehr Sinn.»