Navigation auf uzh.ch
Zehn Sekunden dauert heute eine Herzuntersuchung mit dem Computertomografen (CT). Der Patient hat sich kaum vom Röntgentisch erhoben, da erscheinen auf den Bildschirmen im Nebenraum bereits dreidimensionale, gestochen scharfe und vollkommen naturalistisch wirkende Bilddarstellungen der fein verästelten Herzkranzgefässe. Man kann sie drehen, anschneiden und zerlegen und erhält so Organ-Einsichten aus jedem Blickwinkel. Bis vor kurzem noch war die einzige Methode für die Herzbildgebung ein Eingriff per Katheter, der durch die Hauptschlagader eingeführt wurde. Extrem kurze Aufnahmezeiten und die enorme Auflösungsstärke der neusten Dual-Source-CTs machen möglich, was vor kurzem noch Utopie war: Eine nicht-invasive Beurteilung der Herzdurchblutung. Diese ist für Patienten kaum aufwendiger als ein Gang zum Passbildautomaten.
Um bei der rasanten Entwicklung im Bereich der Herzbildgebung den Überblick zu behalten, müssen einerseits organspezifische, anderseits gerätetechnologische Kenntnisse dauernd erweitert und miteinander verknüpft werden. Es liegt auf der Hand, dass dies die Kapazitäten eines Einzelforschers weit übersteigt. Nur ein intern gut abgestimmtes und nach aussen in ein enges Kooperationsnetz eingeflochtenes Team, wie es am Institut für Diagnostische Radiologie am Zürcher Universitätsspital besteht, kann hier entscheidende Fortschritte erzielen.
Sache von Institutsdirektor Borut Marincek ist es, Kontakte zu Forschungspartnern aufzubauen und zu pflegen. Solche Partnerschaften bestehen namentlich mit verschiedenen ETH-Instituten sowie der Firma Siemens, durch die man mit einem Forschungs-Kooperationsvertrag verbunden ist.
Was die innere Organisation des Teams anbelangt, setzt Marincek auf kurze Wege und flache Hierarchien. Regelmässige Rechenschaftsberichte hat er im Laufe der Zeit abgeschafft. «Das sind Formalitäten, die viel Energie rauben und wenig zum guten Resultat beitragen.» Solange die Arbeit gut vorangeht, hält er sich zurück und lässt dem Team grösstmögliche Autonomie. Die Teammitglieder wissen diese Freiheiten zu schätzen: Projekte eigenverantwortlich aufzugleisen und durchzuführen und anschliessend den eigenen Namen in Publikationen, dem eigenen Beitrag gemäss, aufgeführt zu sehen, ist für sie ein grosser Leistungsantrieb.
«Der Erfolg wirkt beflügelnd», sagt PD Hatem Alkadhi. Er koordiniert als Gruppenleiter die Forschungsprojekte, treibt seine Leute an Grenzen, holt sie aber, wenn die Ideen und Visionen zu hochfliegend werden, auch wieder auf den Boden zurück. Alkadhi versteht seine Funktion als die eines Primus inter Pares. Den Kurs, den die Gruppe einschlägt, bestimmen die Mitglieder durch ihre spezifischen Stärken und Interessen selbst mit. Sebastian Leschka etwa war bei einer besonders häufig zitierten Studie zur diagnostischen Genauigkeit der CT-Bildgebung federführend. Hans Scheffel und Paul Stolzmann machen durch ihr Wissen zur Magnetresonanz¬tomografie (MR) das neueste grössere Gruppenprojekt möglich – nämlich CT- und MR-Bilder zu fusionieren. Thomas Frauenfelder ist Fachmann für die Aufbereitung und Nachbereitung von 3-D-Darstellungen und bekleidet die Scharnierfunktion zu den Softwarefirmen. Lotus Desbiolles hat eine Sonderstellung im Team, sie kann sich voll der Forschung widmen, weil sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin keine ärztlichen Verpflichtungen im Spitalbetrieb hat. Sie arbeitet jedes Jahr zwei Forschungsassistenten ein, gegenwärtig Olivio Donati und Stephan Baumüller. Von allen Mitgliedern ist sie schon am längsten bei der Gruppe, sie fungiert gewissermassen als deren Systemgedächtnis. «Kontinuität», sagt Teamchef Alkadhi, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor.»
Rekrutierungsfragen werden im Team sorgfältig angegangen; da die Forschungsressourcen begrenzt sind, ist der richtige Personenmix wichtig. Marincek vertraut in dieser Frage seiner Stellvertreterin Elisabeth Garzoli, die ein Auge für Talente hat. «Ich erkenne rasch, ob Mediziner oder Medizinerinnen schnell, kritisch und originell genug denken, um in der Forschung reüssieren zu können», sagt sie.
Wer neben den Verpflichtungen im klinischen Alltag wissenschaftlich arbeiten will, braucht eine hohe Eigenmotivation, denn allzu oft wird die Arbeit am Forschungsprojekt in Randstunden oder in die Freizeit abgedrängt. Bei soviel Stress ist ein gutes Gruppenklima wichtig: Ständiger Austausch und ein unkomplizierter, vertrauensvoller Umgang sind Voraussetzung für kreatives Arbeiten.
Die meisten Projektideen entstehen ganz beiläufig, etwa am Kaffeeautomaten. Kleinere Spannungen werden abends im Stammlokal «Corazón» bereinigt. Manchmal gibt es dort auch etwas zu feiern, beispielsweise einen gewonnenen Fussballmatch. Nebenbei ist das Radiologenteam nämlich auch eine Fussballmannschaft. Gruppenneuling Stephan Baumüller ist Goalie. Auch Lotus Desbiolles, die einzige Frau im Team, ist bei den Spielen jeweils mit dabei, und zwar als Fotografin. Bilder sind schliesslich die Raison d’être der Bildgebungs-Forschungsgruppe. Das gilt auch auf dem Fussballrasen.