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Erdmännchen sind die geborenen Teamplayer. Ihr Sozialleben ist durchorganisiert wie bei kaum einer anderen Säugetierart. Marta Manser, Professorin für Verhaltensbiologie, erforscht mit ihrer Gruppe das Kommunikationsverhalten und die kognitiven Leistungen dieser Tiere in deren natürlichem Lebensraum: auf einer Forschungsstation, die von der Universität Cambridge auf einer ehemaligen Rinderfarm im Nordwesten Südafrikas eingerichtet wurde. Die Station, an der sich die Universität Zürich finanziell beteiligt, liegt isoliert in einer kaum besiedelten Halbwüstenlandschaft der südlichen Kalahari, drei Fahrstunden von der nächsten Stadt entfernt.
Fünfzehn bis fünfundzwanzig Masterstudierende und Nachwuchsforschende können hier gleichzeitig ihre Feldstudien durchführen. Sechs Monate am Stück dauert in der Regel ein Forschungsaufenthalt. Das bedeutet Teamerfahrung unter Extrembedingungen. Man kocht gemeinsam, assistiert sich gegenseitig bei Experimenten, hilft bei nötigen Reparaturen – und wächst so mit der Zeit zu einer Art Grossfamilie zusammen. Auf Geduld, Respekt und Diskretion kommt es bei der Beobachtung von Wildtieren an. «Eigentlich fast dieselben Eigenschaften, auf die es auch innerhalb der Forschungsgruppe ankommt», stellt Masterstudentin Valerie Amsler fest.
Wenn Erdmännchen Gefahr wittern, schlagen sie Alarm und verschwinden schnellstmöglich im Bau. Wenn im Zoologenteam einmal Probleme anstehen, wird eine Teamsitzung einberufen. Schwierigkeiten kann es geben, wenn jemand sich nicht an die Grundsätze im Umgang mit den Tieren hält. Regel Nummer eins lautet, nicht in den Überlebenskampf der beobachteten Tiere einzugreifen – auch dann nicht, wenn sie von Feinden, etwa Schlangen oder Raubvögeln, angegriffen werden. Das fällt manchen schwer. Die Erdmännchen wurden in einem langwierigen Verfahren an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt und lassen sie an sich heran, ohne sich in ihrem natürlichen Verhalten beeinflussen zu lassen.
Dieses Nebeneinander von Wildtier und Mensch, das der Wissenschaft einzigartige Möglichkeiten bietet, ist labil. Wer störend eingreift, gefährdet das ganze Langzeitprojekt. Den Studierenden und Doktorierenden aus der Gruppe, die hier ihre Experimente und Beobachtungen machen, überträgt Manser viel Verantwortung. Da sie es sich wegen ihren Verpflichtungen in Zürich nur zweimal im Jahr leisten kann, für einige Wochen nach Südafrika zu fliegen, um ihre Mitarbeitenden einzuarbeiten, sind diese während ihres jeweils sechsmonatigen Forschungsaufenthaltes stark auf sich allein gestellt.
Bei der Rekrutierung ihres international zusammengesetzten Teams achtet Marta Manser auf hohe wissenschaftliche Motivation, Selbstständigkeit, praktisches Geschick – und auch die «Chemie» soll stimmen. «Ganz sicher, ob die Zusammenarbeit später klappen wird, kann man allerdings nie sein», sagt sie. Wer Teams aufbaut, geht also durchaus auch Risiken ein. Die Arbeit in Forschungsgruppen kann fruchtbar und anregend sein. Manchmal aber erfordert sie auch eiserne Nerven.
Philip Wadewitz, Christophe Bousquet, Valerie Amsler und Irene Völlmy betreiben in Südarfrika Erdmännchenforschung. Weitere Mitglieder der Gruppe sind anderswo mit anderen Tierarten beschäftigt: Marianne Heberlein erkundet die «Sprache» von Wölfen und Hunden.
Roman Furrer wiederum hat in Uganda mit Zebramangusten zu tun. Im Unterschied zu den nahe verwandten Erdmännchen leben die Zebramangusten nicht in strikt hierarchischen, sondern in egalitären Gesellschaften. Ob dies mit dem üppigeren Nahrungsangebot und den weniger harten Lebensbedingungen im tropischen Zentralafrika zusammenhängt, ist eine von vielen offenen Fragen, über die angeregt diskutiert wird, wenn die Mitglieder von Marta Mansers Gruppe nach langen Feldaufenthalte in der «Hombase» am Irchel wieder zusammenfinden.