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Im Film «Illuminati» und im gleichnamigen Bestseller von Autor Dan Brown bekommt das Genfer CERN (European Organization for Nuclear Research) eine zweifelhafte Berühmtheit: Der Physiker und ehemalige Theologe Leonardo Vetra wird ermordet in seinem Büro im CERN aufgefunden. Vetra strebte heimlich eine Vereinigung von Religion und Wissenschaft an und schuf in einem Teilchenbeschleuniger Antimaterie. Eingefangen in einer magnetischen Flasche stellt diese Antimaterie eine «Bombe» dar, mit welcher der Vatikan zerstört werden sollte. Soweit der fiktive Plot.
Forscher am CERN untersuchen tatsächlich, was die Grundbausteine der Materie sind und wie sich kurz nach dem Urknall unser Universum entwickelt hat. Im Film scheint es so, als ob am CERN geheime Forschung betrieben werde, sagte CERN-Physiker und ETH-Professor Günther Dissertori. Das sei Unsinn. In einer derart grossen wissenschaftlichen (und nicht militärischen) Organisation, die unter Beteiligung vieler Länder arbeite, betreibe niemand geheime Forschung.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Zürich und der ETH Zürich informierten am Montagabend über physikalischen Nonsens im Film, erklärten wie Materie sich zur Antimaterie verhält und wie im CERN wirklich gearbeitet wird.
Im Film wird ein Viertelgramm Antimaterie hergestellt, die beim Kontakt mit Materie alles im Umkreis von rund einem Kilometer vernichten soll. Hier beginne das Reich der Fiktion, erläuterte Dissertori: «Ein Viertelgramm Antimaterie in einer Flasche! Zum Glück kann so etwas niemand bauen.»
Stattdessen produzieren die Physiker im CERN sehr kleine Mengen, die völlig ungefährlich sind. «Während eines Jahres produzieren wir am CERN die winzige Menge von ca. 1 Nanogramm Antimaterie, für die im Film erzeugten Viertelgramm würden wir also ca. 250 Millionen Jahre benötigen.»
Zudem haben sich die Filmemacher verrechnet: Um die Sprengkraft von Antimaterie zu berechnen, setzt man E=mc2 ein. «Allerdings muss man diese Formel „richtig“ anwenden. In der Tat scheinen die Filmemacher die Sprengkraft der Bombe um einen Faktor 2 zu klein berechnet zu haben.» Sie entspricht in Wirklichkeit ca. 10 Kilotonnen des Sprengstoffs TNT, damit könne ganz Rom und nicht nur der Vatikan zerstört werden, sagte Dissertori.
«Es ist im Prinzip ganz einfach, die uns bekannte Materie aufzubauen», erklärte Dissertori. Wie mit Legosteinen könne man aus Quarks und Leptonen, Protonen, Neutronen und Wasserstoffatome bauen. «Das ganze uns bekannte Universum basiert auf diesen Bausteinen», schlussfolgerte er. Teilchen und Antiteilchen hätten die gleiche Masse, lediglich ein umgekehrtes Vorzeichen in ihrer elektrischen Ladung. Und man könne Antimaterie künstlich erzeugen mit Teilchenbeschleunigern.
Praktisch wurde es bei den Vorträgen der Doktoranden Angela Büchler von der Universität Zürich und Carmelo Marchica von der ETHZ. Sie berichteten über ihre konkrete Arbeit am CERN.
Angela Büchler möchte dem Unterschied zwischen Materie und Antimaterie auf die Spur kommen, indem sie Teilchen-Spuren rekonstruiert. Dazu arbeitet sie mit einem Silizium-Streifen bestückten Detektor, dem «Tracker Turicensis», der relevante Daten über die Teilchen liefern soll.
Carmelo Marchica beschrieb, wie er aus der Datenflut, die die Detektoren erzeugen, – etwa 40 Millionen Bilder pro Sekunde – und mit mathematischen Filtern die wichtigen Ereignisse sichtbar macht.
Zudem, führte Dissertori weiter aus, spreche Buch- und Drehbuchautor Dan Brown von Antimaterie als Energie der Zukunft – aber das sei grundsätzlich unmöglich. «Da es auf der Erde keine natürliche Vorkommen gibt, muss jedes Antiteilchen mit ungeheuer viel Energie herstellt werden. Und zwar mehr Energie, als man dann aus der Materie-Antimaterie Vernichtung wieder gewinnen könnte.»
Zum Schluss der Veranstaltung ging Dissertori auf die Fragen des Publikums ein und beschrieb, wie Physiker heute versuchen, das Universum zu verstehen und welche neuen Konzepte wie ‚Dunkle Materie’ und ‚Dunkle Energie’ eingeführt werden müssen, um die Natur erklären zu können. «Unser Wissen über das Universum und dessen Entstehungsgeschichte ist eigentlich nicht besonders gross», meinte er und fügte an: «Deshalb sage ich meinen Studierenden häufig, dass dies der beste Moment ist, sich für die Physik zu engagieren.» Es gebe noch viel zu tun.
Die Schreibende hat die Veranstaltung mit dem ungewohnten Gefühl verlassen, etwas von Physik verstanden zu haben, illuminiert, sozusagen.