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Noch in den Neunzigerjahren waren UZH-Forschende, die mit der Wirtschaft zusammenarbeiten oder eine Firma gründen wollten, auf sich allein gestellt. Wer eine Erfindung zur Anwendung bringen wollte, musste selbst sehen, wie er sich im Dschungel des Patentrechts zurechtfand und wie er das Geld für die kostspielige Patentierung auftrieb. Es gab wenig Anreize, diesen enormen Aufwand auf sich zu nehmen.
Mitte des Jahrzehnts mehrten sich innerhalb und ausserhalb der Universität Stimmen, die vor allem mit Blick auf erfolgreiche Startups im Silicon Valley dafür plädierten, die wirtschaftliche Nutzung universitärer Forschung zu fördern. 1999 schliesslich rief die UZH zusammen mit der Universität Bern die Technologietransferstelle Unitectra ins Leben.
Kraftvolle Entwicklung
Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft wird seitdem an der UZH aktiv gefördert. «Aber nicht gefordert!», wie Unitectra- Leiter Herbert Reutimann betont. Seine Philosophie: Niemand soll dazu gedrängt werden, mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten; wo sich jedoch Chancen dafür ergeben, sollten sie auch genutzt werden können. «Priorität», so Reutimann, «hat aber immer die wissenschaftliche Freiheit».
Die kraftvolle Entwicklung des Technologietransfers lässt sich eindrücklich in Zahlen darstellen: 2008 verhandelte die Unitectra Verträge für 503 Forschungsprojekte der UZH aus, die der Universität 48 Millionen Franken einbrachten; 1999 waren es erst 29 solcher Verträge gewesen, wobei damals an der UZH hinsichtlich Wirtschaftskooperationen noch wenig Transparenz bestand.
Neben Partnerschaftsabkommen mit grossen, multinationalen Konzernen wie IBM, Nestlé, Novartis, Pfizer oder Roche gibt es viele mit kleinen und mittleren Firmen, darunter auch solchen, die aus der Universität hervorgegangen sind, wie ESBATech, Hocoma oder Spectraseis. Zwischen 1999 und 2008 wurden mehr als 50 Startup-Firmen gegründet, über 250 Patente angemeldet und rund 240 Lizenzen vergeben.
Die UZH leistet bewusst keine Anschubfinanzierung für Ausgründungen und stellt auch Räumlichkeiten nicht kostenlos zur Verfügung. Spin-off-Firmen der UZH müssen sich von Anfang an am Markt behaupten.
Mit Zielkonflikten rechnen
Die Forschenden profitieren bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft nicht nur von den Drittmitteln, die ihnen zufliessen, sondern auch von Anregungen, Kontakten, Labormaterial oder technischen Einrichtungen. Sie kommen in die Lage, über das Stadium der Grundlagenforschung hinaus Einfluss auf die Weiterentwicklung eigener Projekte zu nehmen. Und nebenbei werden oft auch noch Stellen für hochqualifizierte Nachwuchskräfte geschaffen.
All das darf natürlich nicht über Risiken hinwegtäuschen: Universitäre Wissenschaft und Wirtschaft folgen unterschiedlichen Interessen. Wissenschaft strebt nach neuen Erkenntnissen, Austausch und Veröffentlichung, Wirtschaftsunternehmen wollen Erkenntnisse möglichst exklusiv kommerziell nutzen und Entwicklungsprojekte vor der Konkurrenz verstecken. Mit Zielkonflikten ist also zu rechnen. Je komplexer und enger die Zusammenarbeit, desto wichtiger ist deshalb die Qualität der Verträge. Es gilt peinlich darauf zu achten, dass sich Unternehmen nicht bloss den schönen Schein akademischer Unabhängigkeit erkaufen, sondern diese im Rahmen der Abkommen auch wirklich garantieren.
Zusammen mit dem Rechtsdienst nimmt heute die Unitectra die Interessen der Universität und der Forschenden im Technologietransfer wahr. Befürchtungen, die akademischen Freiheiten würden im Würgegriff ökonomischer Forderungen erstickt, konnten entkräftet werden. So paradox es manchen vielleicht erscheinen mag: Der Entschluss, Kooperationen mit der Wirtschaft aktiv zu fördern, hatte zur Konsequenz, dass die akademischen Freiheiten heute im universitären Alltag expliziter und verbindlicher verankert sind denn je.