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Es ist gar nicht so einfach, zu definieren, was als nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen gelten kann. «Ich bin sehr vorsichtig mit dem Begriff Nachhaltigkeit», gibt Studienleiter Andreas Ziegler vom CCRS zu bedenken. «Nachhaltigkeit wird heute inflationär gebraucht.» Jede Person verstehe etwas anderes darunter.
Erschwerend für die wissenschaftliche Analyse von Nachhaltigkeit kommt hinzu, dass sich bei der Vielzahl von Nachhaltigkeitsindikatoren der eine Indikator positiv auf die Aktienperformance eines Unternehmens auswirkt, während ein anderer Indikator sich negativ niederschlagen kann.
Viele Umweltindikatoren für Nachhaltigkeit sind quantifizierbarer und weniger kontrovers als die Sozialindikatoren, hat Ziegler beobachtet. Der Ausstoss an CO2-Emissionen zum Beispiel kann gemessen werden und ein hoher Ausstoss wird meist als wenig nachhaltig empfunden.
Gute Beziehungen zu Kunden oder Wettbewerbern sind dagegen viel schwerer quantifizierbar. Ein anderer Sozialindikator wie grosse Lohnunterschiede in einem Betrieb wird zudem von vielen Ökonomen als wirtschaftsförderlich empfunden, während die Gesellschaft sich daran stösst. Ziegler plädiert wegen dieser Unklarheiten dafür, vor allem quantifizierbare und klar definierte Nachhaltigkeitsindikatoren bei der Analyse zu berücksichtigen.
Für die aktuelle empirische Studie haben die Forschenden allerdings keine eigene Nachhaltigkeitsbewertung vorgenommen, sondern jene der Bank Sarasin übernommen. Die Bank Sarasin pflegt seit Ende der 90er Jahre Unternehmen auf ihre Sozial- und Umweltverträglichkeit hin zu prüfen und daraus abgeleitet nachhaltige Aktienpakete anzubieten.
Sehr kleine Unternehmen, z. B. aus dem Bereich der Alternativenergien, musste die Studie aus ihrer Analyse ausschliessen, da es methodisch unzulässig ist, sehr grosse mit sehr kleinen Unternehmen zu vergleichen. «Wir haben nur die grössten Unternehmen berücksichtigt, die im Morgan Stanley Capital International Index in Europa und den USA aufgeführt sind und für die gleichzeitig Nachhaltigkeitsbewertungen von Sarasin vorliegen», erklärt Ziegler das Studiensetting.
Um herauszufinden, wie nachhaltig ein Unternehmen wirtschaftet, zog die Bank Sarasin zwei Bewertungen bei. Zum einen die Bewertung der Branche, zu der das Unternehmen gehört.
Konkret bedeutet das: Die Chemie-, Automobil- oder Versicherungsbranchen wurden insgesamt bewertet und auf einer Skala von 1 bis 5 in Bezug auf Umwelt- und Sozialverträglichkeit eingestuft. Als Studienresultat kam heraus, dass diese allgemeine Branchenbewertung weder einen positiven noch einen negativen Einfluss auf die Aktienperformance hatte. Ein Unternehmen in einer als nachhaltig bewerteten Branche hatte also keine bessere, aber auch keine schlechtere Aktienrendite als ein Unternehmen in einer weniger nachhaltigen Branche.
Zum anderen berücksichtigte Sarasin zur Bestimmung der Nachhaltigkeit den «Best in Class»-Ansatz. Dabei wird ein einzelnes Unternehmen im Vergleich zu anderen Unternehmen derselben Branche ebenfalls auf einer fünfstufigen Skala bewertet. Die Studie fand in diesen Fällen heraus, dass nachhaltigere Unternehmen eine signifikant höhere Aktienrendite zwischen 2003 und 2006 verzeichneten. Dieses Ergebnis ist in den USA etwas robuster als in Europa.
Wie lässt sich die höhere Aktienrendite nachhaltiger Unternehmen erklären? Das zu beantworten, ist gar nicht so einfach. Denn die neoklassische Mikroökonomie geht davon aus, dass Nachhaltigkeit Kosten generiert und deswegen am Aktienmarkt nicht honoriert wird. Nachhaltigkeit scheint aus dieser Sicht eine Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit zu sein und sich nicht zu lohnen.
Andreas Ziegler gibt jedoch zu bedenken, dass dieser Ansatz von klar definierten Eigentumsrechten ohne externe Effekte ausgeht. Wenn man allerdings die Realität anschaue und berücksichtige, dass der Staat beispielsweise nicht alle Probleme mit negativen externen Umwelteffekten löst, kann nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen die fehlenden Märkte substituieren und Konflikte mit Stakeholdern wie z. B. der Öffentlichkeit reduzieren, so Ziegler.
Erklären lässt sich der Erfolg von nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen auch damit, dass es anderen Stakeholdern wie z. B. den Beschäftigten wichtig ist, wie nachhaltig die Firma wirtschaftet. Topausgebildete Fachkräfte wollen heute zunehmend nicht mehr in Unternehmen arbeiten, die bei der Nachhaltigkeit nachlässig sind – unter anderem wegen des schlechten Images. Wenn ein Unternehmen viele Störfälle im Umweltbereich hat oder schlechte Anstellungsbedingungen bietet, dann leidet darunter die Reputation.
Auch die Konsumentinnen und Konsumenten achten zunehmend auf die Umweltverträglichkeit und auf faire Produktionsbedingungen. Produkte, von denen man zum Beispiel weiss, dass Kinderarbeit dahinter steckt, haben keine Chance bei einer kritischen Klientel.
Nicht nur die Konsumgesellschaft hat sich in Richtung Nachhaltigkeit bewegt. Auch am Aktienmarkt lässt sich dieser Trend beobachten. «Anleger wünschen sich heute vermehrt nachhaltige Kapitalanlagen», sagt Ziegler. Allerdings bewegt sich das Ganze noch auf tiefem Niveau: In den USA liegt der Anteil nachhaltiger bzw. ethischer Anlagen mittlerweile bei rund 11 Prozent. Viele dieser Anlagen beinhalten ausserdem ideologisch und religiös geprägte Kriterien (wie z. B. den Ausschluss von Branchen wie die Glückspiele-, Alkohol- oder Tabakindustrie), die aus Sicht der Nachhaltigkeitsdiskussion nicht unumstritten sind.