Navigation auf uzh.ch
Fossilien, Ruinen, Werkzeuge oder Kultgegenstände: So stellt man sich landläufig die Objekte vor, mit denen sich Archäologinnen und Archäologen befassen. Hinter diesen sichtbaren Zeugen der Vergangenheit, gibt es aber auch eine Ebene, die für das Auge nicht zugänglich ist und die erst durch Mikroskope oder noch mächtigere Vergrösserungsinstrumente, wie etwa die Infrarot-Spektroskopie sichtbar wird.
Diese Instrumente erlauben es, Überreste aus der Vergangenheit auf der mikroskopischen oder sogar atomaren Ebene zu untersuchen. Sie ermöglichen dadurch Erkenntnisse, die mit gängigen Methoden der Archäologie nicht zugänglich wären, wie Steve Weiner, Chemiker und Archäologe am Weizmann Institute, in seinem Vortrag erläuterte.
Organisches Material wie Pflanzen verrottet schnell, deshalb sind nur sehr wenig sichtbare Überreste von Pflanzen erhalten. Auf mikroskopischer Ebene jedoch können versteinerte Pflanzenreste, so genante Phytolithen, sehr genau analysiert werden. Weiner berichtete von einer Grabung an der israelischen Küste. Die in Phytolithen gefundenen Grassorten sind als Viehfutter bekannt und weisen darauf hin, dass an der Stelle Vieh gehalten wurde. Weitere Indizien, wie etwa die Struktur des Bodens und bestimmte Merkmale, die in Kotproben gefunden wurden, lassen darauf schliessen, dass an der Fundstelle in früherer Zeit ein Viehgehege stand.
In einem anderen Beispiel zeigte Weiner, wie eine genaue strukturelle und chemische Analyse von Holzkohle, die Genauigkeit von Radiocarbon-Datierungen erhöht. Im konkreten Fall konnte Weiner an einer Fundstelle an der sowohl Überreste von Neandertalern, wie von späteren modernen Menschen gefunden wurden, sehr exakt bestimmen wann der Übergang vom Neandertaler zu modernen Menschen stattfand, nämlich im Zeitraum von 44'000 – 46'000 Jahren vor unserer Zeit.
Christoph Zollikofer vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich zeigte in seinem Vortrag, wie er anhand von computergestützten Visualisierungen, Fossilienfunden wiederherstellen und aus Schädelteilen ganze Schädel rekonstruieren kann. Fossilien sind durch die enormen Kräfte, die über die lange Zeit in den Gesteinen wirken, meist stark deformiert oder fragmentiert. Auf mechanische Weise lassen sich aus den Überresten die ursprünglichen Formen nicht mehr rekonstruieren.
Zollikofer misst deshalb die Fossilien computertomographisch aus und bearbeitet die so erhaltenen Daten mit Bildprogrammen auf den Computer. Dies erlaubt ihm, stark deformierte Fundstücke, wie etwa den so genannten «Fladenbrot-Schädel» virtuell wieder in die ursprüngliche Form zu bringen. Ebenso ist es möglich, aus einzelnen Fossilienteilen durch Spiegelung und Verdoppelung ganze Schädel zu rekonstruieren. Auf der Grundlage von Tomographien heutiger Menschen können aus diesen virtuellen Schädeln sogar Weichteile wie Knochen und Haut rekonstruiert werden.
Ein weiterer Vorteil der virtuellen Methode ist, dass Fundstücke aus weit entfernten Fundstellen in einen Zusammenhang gebracht werden können. So gelang es Zollikofer und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Marcia Ponce de Léon, mit Hilfe von Fossilien aus der Krim und Israel den Geburtsvorgang bei den Neandertalern zu rekonstruieren.