Navigation auf uzh.ch
Bhagwan, Hare Krishna, transzendentale Meditation und andere - ab den 1960er Jahren scharten in den westlichen Gesellschaften neue religiöse Gruppierungen Anhänger um sich und waren Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit. Das hat sich geändert, wie Rafael Walthert, Assistent am Religionswissenschaftlichen Seminar der UZH, feststellt: «Seit mindestens zehn Jahren verlieren solche exklusiven, verbindlichen Gemeinschaften Anhänger und sind auch in den Medien weniger prominent vertreten.»
Ihre Relevanz haben die Bewegungen keineswegs verloren, sind Rafael Walthert und Dorothea Lüddeckens, Assistenzprofessorin am Seminar für Religionswissenschaft, überzeugt. An der von ihnen organisierten Tagung «Das Ende der Gemeinschaft? Neue religiöse Bewegungen im Wandel» wollen die beiden Forschenden ihre These zur Diskussion stellen, dass neue religiöse Bewegungen einen Formenwandel erleben: von der exklusiven Zugehörigkeit zur individuellen Verbundenheit.
«Was heute Erfolg hat, sind unverbindliche Angebote, die auch ohne Zugehörigkeit und längerfristige Verpflichtung konsumiert werden können», so Walthert. So haben Angebote wie Yoga oder Meditation in den letzten zehn Jahren einen eigentlichen Boom erlebt.
Auch andere Elemente der «Neuen religiösen Bewegungen» sind in die Gesellschaft diffundiert. So fand sich der aus dem Buddhismus und Hinduismus stammende Glaube an die Wiedergeburt bisher vor allem in Kreisen wie der Theosophie und Anthroposophie. Heute wird er wird gemäss Umfragen in der Schweiz von rund einem Drittel der Bevölkerung geteilt.
Dass wie bei den «Neuen religiösen Bewegungen» die persönliche Verwirklichung des Individuums an Bedeutung gewinnt, ist gemäss Walthert auch im Christentum festzustellen. Während Klöster kaum noch Mönche und Nonnen anzuziehen vermögen, bieten sie vermehrt Wochenendseminare zu religiösen und spirituellen Themen für das breite Publikum an.
Lüddeckens und Walthert sehen in diesem Wandel ein Abbild der Individualisierung in unserer Gesellschaft. Der Formenwandel der neuen religiösen Bewegungen mache diese zu einem wichtigen Indikator für die veränderte Situation von Religionen in der Schweiz. An der Tagung von kommender Woche wollen sie ihre These gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem deutschsprachigen Raum anhand von Fallstudien zu einzelnen Bewegungen diskutieren.
Mit der Tagung soll gleichzeitig ein Zeichen gesetzt werden, neben dem derzeit grossen medialen und wissenschaftlichen Interesse für den Islam andere religiöse Phänomene nicht aus dem Blick zu verlieren.